Robert Fischaleck

Freiheit, die ich meine.

 
Nehmen wir einfach mal an, sie hätten einen ganz normalen Dumpf, keinen ausgewachsenen mit richtigen Hörnern und Widerhaken, nein, so einen kleinen, frechen, sturen, einen Dumpf eben.
Und sie stecken ihn gleich nach dem Aufwachen in die Badewanne, optimale Temperatur, angemessene Lichtverhältnisse, sie sehen die blassen Stellen nur noch bei genauem Hinsehen, und sie lassen ihn vor sich hinplätschern, was, glauben sie, wird passieren?
Normalerweise geht "man" davon aus, daß er sich auflöst, aber ich habe noch nie gelesen, daß Dumpfe wasserlöslich sind.
Ganz im Gegenteil, im "Normalfall" sind Dumpfe äußerst resistent, das gehört zu ihrer Natur.
Wir servieren Kaffee, was passiert, er verbrennt sich die Finger.
Wir bringen die Zeitung, was passiert, er sagt danke und kippt sich den Kaffee übers Hemd.
Wir eilen ein neues zu holen, und bringen das "Falsche", jetzt fängt die Sache an richtig Spaß zu machen, der Dumpf ist kurz davor sich zu multiplizieren.
Ein Dumpf, der sich aufs Multiplizieren vorbereitet ist relativ leicht zu erkennen, er hat diese klebrige Farbe, die dann auch tatsächlich irgendwo hängenbleibt.
Jeder kennt diese Phase, und normale Menschen bereiten eine Art Panik vor, ihn sofort und augenblicklich auszulöschen, ein Machtwort zu sprechen oder ihn zum Teufel zu jagen, wo er ihrer Meinung nach hingehört.
Das ist, wie gesagt, die Phase, in der ein Dumpf sich aufs multiplizieren vorbereitet.
Man nennt sie umgangssprachlich einfach "Stress".
Stress ist sozusagen die "natürliche Umgebung" des Dumpf.
Es gibt Leute, die glauben, man könne diese Phase mit Süßigkeiten bekämpfen.
Ich habe da so meine Zweifel, denn sobald der Zucker verbraucht ist, verwandelt sich ein Dumpf in ein Beissertierchen aus der Familie der "auf-den-Zahn-Fühler" und die sind um einiges heikler im Alltag zu beseitigen, haben sie doch schon richtige Widerhaken an ihren belanglosen äußerungen.
Betrachten wir also noch einmal kurz die vorher erwähnte "natürliche Umgebung" des Dumpf, jenen Zustand nämlich, den wir "gestresst" nennen.
Die meisten Menschen, denen ich begegnet bin, haben sich eine Philosophie gebastelt, um darin überleben zu können. Alle wissen um den Dumpf, das ist kein Geheimnis, aber es wird nie ganz klar, zu welcher Form von Unbill er eigentlich gehört.
Ist er ein Parasit, der sich von gesunden Lebensformen ernährt.
Wenn ja, warum gibt es dann Menschen, die auf den ersten Blick mehr oder weniger resistent zu sein scheinen.
Ist er ein Unkraut, das sich auf eine noch unbekannte Art und Weise ausbreitet, überall dort wo genügend Ressourcen vorhanden sind.
Letztere These würde bedeuten, daß der Garten nicht genügend gepflegt wurde.
Ist er ein Wetter, also das Zusammentreffen mehrer Faktoren in der uns umgebenden Atmosphäre. Das hieße, man bräuchte eine Art Regenschirm oder Wetterschutz, der Dumpfabweisend wirkt.
Meine persönlichen, jahre-, eigentlich jahrzehntelangen Beobachtungen der unterschiedlichsten Dumpfarten, sagen allerdings, er ist nichts dergleichen und doch von allem ein bißchen.
Er ist eigentlich ein Symptom, eine Ausdrucksform, von etwas ganz anderem.
Was dieses "Andere" nun eigentlich ist, also ich sags ihnen, haben sie schon mal versucht die Wahrheit zu formulieren, dumpf und zugenäht, da ist Luftschlösser an der Denkste bauen, das reinste Kinderspiel dagegen.
Also symptomatisch betrachtet, dieses Stressphänomän, dieser wuselnde "Nicht-zur-Ruhe-Finder" ohne Bedienungsanleitung und Ersatzpatronen, dieses jämmerliche Leistungsprinzip ohne Pausetaste, also von dieser Seite betrachtet, jetzt mal ohne finanziellen Hintergrund und Rückversicherung, einfach von Angesicht zu Angesicht, ich werde dieses dämlich dumpfe Gefühl nicht los, wir haben das so gemacht.
Und ab und an kommt dann ein Feiertag oder Urlaubstag in unsere hektische Kaserne geschlichen, und jodelt, "high folks, wie gehts", und wir dann völlig verdattert, "Mann bin ich froh, daß du mal vorbeischaust, ich bin so gestresst".
Und dann wir lehnen uns zurück und wollen gerade so richtig ausspannen und abschalten, haben noch schnell etwas ins ständig brabbelnde Quasselwerk gesteckt, also symbolisch gesprochen, einem guten Buch oder einem leisen Abendrot die Vorhänge geöffnet, und vielleicht zum ersten Mal so richtig verstanden, was es heißt, am Leben zu sein, nichts sonst, nur ein "Bißchen Zeit haben" zu leben, da kommt doch glatt der Nachbarsquälgeist mit seiner 3000 TeuroBassreflexTakelage im Kleinstwagen und es geht wieder von vorne los.
Dumpf...dumpf...dumpf...dumpf.
Schiff ahoi, schreit unser gequältes Gemüt, wir sind reif für die Insel.
Falls die momentanen Umstände, also die Familie, der Boss, die Finanzen und/oder die Auftragslage, es gestatten, wird auch sofort ein passendes Kleinod gesucht.
Falls wir fündig werden und es bezahlbar, sprich realisierbar ist, soll uns nun nichts mehr davon abhalten, diesem hartnäckigem Dumpf auf diese Art ein für alle Mal "Lebewohl" zusagen.
Dank einer zahlreichen Zusammenkunft der merkwürdigsten Umstände wurde dieses beliebte Vorgehen in letzter Zeit allerdings zu einer sehr riskanten Angelegenheit, nähere Informationen entnehmen sie bitte wie immer den Tageszeitungen oder Nachrichten, die momentan fast gar nichts anderes mehr zu berichten haben.
Dieser merkwürdige Tatbestand, der die Flucht vor dem Dumpf jetzt fast schon zu einer lebensgefährlichen Angelegenheit macht, drängt sich nun so langsam immer mehr ins Bewußtsein der Menschen, man kann also davon ausgehen, daß ein weltweite Multiplikation des Dumpf stattgefunden hat, ohne daß wir das eigentlich bemerkt haben.
Und während die Wissenschaft sich eigentlich nur mit den äußeren Umständen beschäftigt und versucht wenigstens dort Lösungen zu finden, bleibt die ganze innere Tragweite des Phänomäns unberücksichtigt.

Sie bemerken es, einem Dumpf zu entwischen, der sich aufs multiplizieren vorbereitet, ist keine leichte Aufgabe, sie denken, oder bleiben wir bei mir, ich denke, ich bin Herr meiner Wahrnehmung und Gedanken, weit gefehlt, schon lange nicht mehr. Fragen sie doch mal ihre Kinder. Wenn die ihnen sagen, du bist die oder der Beste, dann wissen sie's, niemand sagt ihnen mehr die Wahrheit, aus Respekt vor ihrem Dumpf.
Viele Leute denken dann, na dann ist ja alles in Ordnung, das sind die selben Leute, die ihnen ein strahlendes Lächeln als Ergebnis einer bestimmten Zahnpasta verkaufen.
Sie verstehen doch was ich sagen will, oder.
Dieses ganze Lächeln in der Werbung hat mich richtig grandig gemacht, und wissen sie warum, ich dachte es sei echt.
Ich dachte, wenn ich diese Zahnpasta oder dieses Computerspiel dann endlich habe, denkste.
Mann, war ich naiv, nein, sie verstehen mich falsch, ich habe kein einziges dieser Spiele gekauft, aber ich dachte das wirklich, ich konnte mich einfach nicht dagegen wehren, eine Sekunde lang zu glauben, Mann, muß das toll sein, ich dachte, ich denk nicht recht, was denk ich da, toll, ja Mann, ich denk, was ich denken soll, is ja irre.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.11.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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