Jopie den Dulk

Giannis Garten

Der Name der Rose, Soraya. Der Name des Kavaliers, Gaetano, Gianni für seine Freunde – Gärtner, Fischer, Koch, Poet, Philosoph – ein Philosoph mit einem Garten und einem Herzen, das Platz bietet für alle seine großen Lieben – die Liebe zum Meer und zur Natur, die Liebe zur Poesie, zur Musik und wie könnte es anders sein, die Liebe zu den Frauen. Er ist ein wunderbarer Erzähler, der alleine mit der Magie seiner Stimme die Zuhörer fesselt. Völlig egal, ob er als Maresciallo in Sardinien Räuber jagte oder als Moderator in seiner eigenen Radiosendung den Ton angab – gefangen wurde ein jeder. Nun ja, die Räuber von damals wurden hinter Schloss und Riegel gebacht, und heute jagt man keine Räuber mehr... . Und die Zeit der charmanten Geschichten und Träumereien wurde inzwischen anderweitig vergeben.

 

Gott sei Dank ist die Zeit der Poesie für den charmanten Jäger nicht vorbei. Gleichgültig in welchen Revieren er gerade jagt, er hat immer sein Publikum. Ein Besuch von Gianni ist wie ein Abend am Meer. Zuerst belebt ein frischer Wind deine Sinne. Bewegungen, Schwingungen und Farben erfordern deine Aufmerksamkeit und du versuchst die Worte zu verstehen – Worte über die Liebe, die Frauen, die Schönheit ... Nun ist es an der Zeit die Augen zu schließen und der Stimme des Meeres, des Windes zu lauschen und sich davon tragen zu lassen. Irgendwann, wenn dich Giannis Worte wieder erreichen, öffnest du die Augen und spürst ein Lächeln auf deinem Gesicht.

 

Inzwischen sind wir bei einer Besonderen seiner Lieben angelangt. Einer Liebe, die neben der Poesie heute den Großteil seines Lebens bestimmt. Seit seiner Pensionierung lenkt Gianni seine Philosophien in Richtung Garten zu seinen Kräutern, Bäumen und was da alles sonst noch wächst. Wenn ich Garten sage, so ist da nicht nur sein ca. fünfhundert Quadratmeter großes Fleckerl mit einem Zaun drum herum gemeint. Zumindest beim Ernten erweitert er seinen Garten auf die gesamte Region, die seine Heimat ausmacht. Und ernten kann man hier das ganze Jahr über.

 

Ein Spaziergang  unter den Felsen direkt am Meer entlang. Gianni philosophiert über die Schönheit der Natur und brummelt so nebenbei Unmut über die Lust, in die Ferne zu schweifen. Es beeindruckt ihn überhaupt nicht, wenn ich von meinen großen Reisen erzähle. Er zeigt mir seine Heimat und meint, solange ich nicht zu schätzen weiß, was sich hier offenbart, sehe ich auch anderswo keine Motive. Hier ist genug um zu malen, um zu schreiben und um zu leben.       

 

Unter einem schattenspendenden Baum, den ich vor einigen Jahren bereits auf Aquarellpapier verewigt hatte, bleiben wir stehen. Er pflückt eines von den länglichen, schmalen Blättern und reibt es kräftig zwischen den Fingern. Was für ein Duft. Ich habe einen Eukalyptusbaum gemalt und hatte bislang keine Ahnung. Aber inzwischen habe ich eine Ahnung davon, was Gianni uns immer wieder sagen will: „Du kannst noch so viele Bilder mit deinen Augen sehen. Aber du hast nichts davon, wenn du sie nicht in ihren Zusammenhängen erkennst.“ Wir gehen nahe an die Felsen heran. Mein Begleiter zeigt auf einige Büsche, die aus den Felsen herausdrängen - Caperi -. Er macht mich auf die Formation der Felsen aufmerksam und bezieht bei dieser Gelegenheit auch gleich das Meer und die Eigenarten seiner Bewohner in seine Führung mit ein. Spätestens jetzt wird er zum Fischer, und Erlebnisse bei seinen nächtlichen Fischzügen drängen an die Oberfläche, wie zum Beispiel die Legende vom wilden Totano: „Das sanfte Wiegen des Meeres unter meinem Boot und über mir ein sternenklarer Himmel. Eine sanfte, kühle Brise vertreibt endgültig die restlichen Spuren des vergangenen Tages. Eine gute Zeit zum fischen. Mal sehen, ob ein, zwei oder vielleicht auch ein paar mehr Totanos meiner leuchtenden Einladung folgen. Totanos (Pfeilkalmare) sind pfeilschnell, wenn sie jagen. Und sie jagen nachts nach leuchtenden Ködern. Der Köder ist ausgelegt, und ich schicke meine Gedanken durch die Stille der Nacht.

 

– Rumps! – Platsch!  – brutal werde ich aus meinen Gedanken gerissen und der Schreck sitzt mir ordentlich in den Gliedern. O mein Gott, ein Angriff aus der Luft – ein Ungeheuer! Armer kleiner Totano – zu schnell unterwegs – Ziel verfehlt – fliegen gelernt – im Boot gelandet – ab in die Pfanne.“ Und das ist der perfekte Zeitpunkt für einen Schnellkochkurs im richtigen Zubereiten von Totano. Denn wie bereits erwähnt, ist Gianni ein exzellenter Koch. Deshalb ist der Garten für ihn ja auch so wichtig. Im Garten in Oliveri befasst sich Gianni mit den Pflanzen, die eine Kultivierung brauchen. Die meisten Pflanzen zieht er selber. Hier macht er sich eine seiner Philosophien zunutze: „Die Natur gibt uns alles, was wir brauchen, wir müssen uns nur darum bemühen.“ Wenn man im Frühjahr durch seinen Garten wandert, begegnet man auch einer Menge wuchernden Gestrüpps. Die Antwort auf meinen fragenden Blick: „Samen.“ Sein Garten deckt seinen gesamten Bedarf an Gemüse ab. Und seine nicht allzukleine Familie profitiert zum Teil auch davon. Als Kräuterdoktor schlägt er eigentlich fast alles. Es gibt keine Unpässlichkeit, gegen die in Giannis kleinem und großem Garten nicht ein Kräutlein wächst. Und auch hier gibt es sofort einen Schnellkurs in Kräuterkunde. Der Erfolg gibt ihm recht, wenn man sich an seine Anweisungen hält.

 

Also, alles in allem ein ungemein interessanter Mann mit einem interessanten Garten und faszinierenden Philosophien.

 

Gianni ist ein Freund, der uns nie auf die Nerven geht. Er taucht auf, bleibt eine kleine Weile und geht dann wieder. Aber er lässt immer etwas zurück – gute Gedanken – ein Lächeln – Zufriedenheit.

 

 

                                                                                                                              Jopie den Dulk

 

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