- 11.11.2006
- Kategorie "Wie das Leben so spielt" (Kurzgeschichten)
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Robert Fischaleck
Briefe an 1 Unbekannte4
Eines Tages stand Sie da,
wie so oft davor die letzten 20 Jahre.
Sie war eine der wenigen, die diesen Coucon hatten,
die Schmetterlinge mögen mir diesen Übergriff verzeihen, aber
die Welt der Menschen hat nur sehr wenige Wörter für die wichtigen
Sachen im Leben.
Wir hatten noch nie miteinander geredet, das
war auch nicht wirklich notwendig, ich war mir trotzdem sicher, daß
sie mich des öfteren bemerkt hatte.
Wie ich mir da sicher sein kann, fragen Sie,
das müssen sie schon die Schmetterlinge fragen.
Was, sie verstehen die Sprache der Schmetterlinge
nicht, oh mein Gott, ok, ich will versuchen ihnen etwas über darüber
zu erzählen.
Sie wissen aber sicher, daß auch die Menschen
Flügel haben.
Nein, ich rede nicht von Fabelwesen, ich rede
auch nicht über Engel, zumindest noch nicht, ich rede über richtige
echte Menschen, über solche, die noch ein bißchen wissen, was
das ist, ein Mensch.
Was sie von all den anderen Frauen und Mädchen
unterscheidet, die ich bis dahin in meinem Leben getroffen habe?
Wissen sie was eine Verpackung ist.
Es gibt dekorative Verpackungen, es gibt nützliche
Verpackungen, es gibt Geschenkverpackungen und es gibt welche, wo man bereits
sieht, was darinnen ist.
Bei allen anderen Frauen bin ich über die
Verpackung gestolpert.
Bei ihr nicht, ich war ziemlich erstaunt.
Und wer jetzt glaubt ich rede von Bekleidungsartikeln,
der soll sofort aufhören zu lesen, diese Geschichte ist zu langweilig
für seinen Geschmack, oder besser in den nächsten Beate Uhse
Laden gehen und die Beschreibung der dort erhältlichen Waren lesen,
da hat er mehr davon.
Nein, ich bin überhaupt nicht gegen erotische
Empfindungen, ganz im Gegenteil, aber ich bin dagegen, was daraus gemacht
wird, also das sollte mal erwähnt werden, das Gegenteil von verklemmt
ist nicht obszön, soweit ich mich da auskenne, genausowenig wie das
Gegenteil von langweilig pervers ist, das sind jeweils zwei unmenschliche
Extreme und zwar beide.
Und unmenschlich ist nur teilweise das richtige
Wort, denn es gibt kein anderes Lebewesen auf diesem Planeten, das aus
dieser Angelegenheit ein auch annähernd ahnliches Disaster macht.
Aber darin sind wir gut, im Erschaffen von Disaster.
Wenn uns jemand fragt, wie wir das gemacht haben,
sagen wir zwar immer, weiß nicht, aber das ist nicht die wirkliche
Antwort.
Aber darüber wollte ich gar nicht schreiben,
das war nur mein Unmut zur momentanen Sachlage in den Medien, lassen wir
das, es ist den Wirbel nicht Wert, der darum gemacht wird.
Reden wir lieber über den Respekt, denn
der macht den Unterschied.
Der sogenannte Respekt vor dem Menschen.
Ich mache da nämlich gerade seltsame Entdeckungen.
Sehen Sie, ich kann keinen Respekt vor jemand
empfinden, der mir immer frech ins Gesicht grinst und dabei eine bestimmte
Sorte Margarine auf sein bereits vorbereitetes Brötchen schmiert.
Und dann lächelt, als hätte er gerade
eine Strafzettel für Falschparken bekommen und letzte Woche noch einen
dazu wegen Beamtenbeleidigung, und das will er diesmal besser machen.
Das erzeugt in mir ein seltsames Gemisch an Empfindungen,
aber ganz bestimmt keinen Respekt.
Und als ich dieses seltsame Gemisch bemerkte
und mich ein wenig umsah, mußte ich feststellen, die Welt ist voll
von diesem Quatsch.
Und die Köpfe der Leute sind voll von diesem
Quatsch.
Und am meisten die Köpfe der Leute, die
sich eigentlich erst noch auf die Suche machen müssen, was sie denn
eigentlich in ihrem Kopf haben wollen.
Ich mußte nämlich feststellen, der
Kopf ist ein ganz merkwürdiges Tier, man muß es füttern.
Aber es hat eigentlich keinen Geschmacksinn,
der ist woanders, der Kopf, auf sich selbst gestellt, frißt alles.
Und notfalls kann er sogar dazu gezwungen werden,
und wenn ich mich umsehe, bekomme ich das Gefühl, daß genau
das bereits passiert ist.
Also von wegen Gehirnwäsche und so komische
Sachen, es schaut eher danach aus, als müßte einigen Leuten
erst mal gehörig der Kopf gewaschen werden.
Die Unbekannte, über die ich schreiben will,
sie war mir also schon bekannt, und das war unglaublich gut so.
Wie so oft in meinem Leben sind die wirklich
wichtigen Sachen sehr viel einfacher.
Aber auch mein Kopf, mußte erst mal gewaschen
werden, und dafür hat sich das Leben Sachen ausgedacht, oder war das
mein Bauch oder mein Herz, das weiß ich noch nicht, der Kopf war's
jedenfalls nicht.