Sina Kröger

Mein Tagebuch 11.11.2006

Liebes Tagebuch,
 
heute ist ein grauer Tag und ich sitze nur da und denke nach.
Ich weiß ja,dass ich mein Lebe ändern muss um glücklich zu werden.Ich weiß es.Aber dennoch besteht ein großer Unterschied zwischen Wissen und Machen.
Ich weiß nicht wo meine Blockade liegt.
Ob es an der Trennung meiner Eltern,der Alkoholkrankheit meiner Mutter,an dem mittlerweile korrigiertem Herzfehler meiner kleinen Schwester oder an mir selber liegt.
Ich weiß im Moment gar nichts mehr.
Ich weiß nur,dass ich mit meinen Essstörungen ein Problem habe.
Ist das nicht schon ein großer Vorteil gegenüber anderen Kranken?
Mein Leben ist ein einziges Chaos.Nichts,aber auch wirklich nichts läuft rund.
Ich besuche die 10 Klasse eines Gymnasiums.Aber meine Noten werden auch immer schlechter.
 
Aber das alles ist Nichts gegen Thorsten.
Du musst wissen,ich kenne Thorsten jetzt schon seit knapp 10 Jahren.
Wir sind zusammen eingeschult worden.Wir haben uns ziemlich schnell angefreundet und er wurde zu meinem besten Freund.
So ungefähr in der 3.Klasse waren wir "zusammen".Wir waren unzertrennlich,saßen in der Schule nebeneinander,was uns einige Hänseleien der anderen Kinder kosteten:
"Ei,ei,ei, was seh ich da???Ein verliebtes Ehepaar....."
Aber das war uns egal.
Für mich war Thorsten zu der Zeit der wichtigste Mensch in meinem Leben,der Halt den ich brauchte,wenn meine Mutter wieder mal betrunken war und mein Vater sich in seine Arbeit eingrub.
Oft gingen wir in den Wald,obwohl es uns verboten war, zu unserem geheimen Versteck,dass auch wirklich nur wir beide kannten.
Unbeschwer und frei konnte ich bei ihm sein.Ein Kind wie jedes Andere auch.
Als wir beide auf das Gymnasium kamen,verwandelte sich unsere Kinderliebe wieder in eine normaler,aber doch enge Freundschaft.
Ich aber,habe nie aufgehört ihn zu lieben.Vielleicht denkst du jetzt dass es unmöglich ist,sich so früh so ernst zu verlieben,aber es ist so.
Es hat mir das Herz gebrochen,als er mir erzählt hat,dass er "sich zum ersten Mal verliebt" hat.
Wir waren damals ungefähr 13.
Das Mädchen war eine Klassenkameradin und ihm zuliebe habe ich mich damals mit ihr angefreundet,obwohl ich sie bis heute nicht leiden kann.
1 Jahr später,nachdem es zwischen den Beiden schon lange aus war,verliebte er sich in eine weitere Klassenkameradin von uns,die ich auch nicht mochte.
Auch das traf mich wieder mitten ins Herz.Ich wollte diejenige sein,die er seine Freundin nannte.
In diesem Jahr trennten sich meine Eltern.Und damit war meine bisher noch einigermaßen heile Welt endgüligt zerstört worden.

Auf einen Schlag stand ich ganz alleine da.Jedenfalls hatte ich das gefühl dass es so ist.Mein Vater ging eine Beziehung mit einer Bekannten von uns ein.
Meine Mutter verkraftete das nicht und versuchte ihre Entteuchung im Alkohol zu ersticken.
Ich war 14 Jahre alt und musste,zum ersten Mal die alleinige Verantwortung für meine kleinen Geschwister tragen(Tom,12;Marc,11 und Sara,4 Jahre)
Ich habe mich immer wieder gefragt, wieso mir keiner helfen wollte.
Tagsüber war ich die starke große Schwester,die für jeden da war,gekocht(auch wenn ich es hasse und nicht richtig kann) und aufgeräumt hat.
Doch abends,wenn alle,auch meine Mutter geschlafen haben,habe ich mich in meinem Bett in den Schlaf geweint.
Wieso ich?Habe ich mich immer wieder gefragt.
Ich war so verzweifelt und ich konnte mit niemandem reden.
Mein Vater hat sich absolut von uns abgewendet.Und auch alle anderen Familienmitglieder haben sich in Situationen,in denen Alkohol eine Rolle spielte,nicht "eingemischt".
Alle sagten:
"Das ist nur zu euerm Besten.Eure Mutter muss sich selbst dazu bewegen,die Finger vom Alkohol zu lassen."
Aber es hat weder meiner Mutter geholfen,noch uns Kindern.
Du darfst jetzt nicht denken,dass meine Mutter jeden Tag besoffen in der Ecke lag.
Nein,so war es nicht.
Es passierte immer in einem ungefähren Abstand von 2-3 Monaten.Dann hielt der betrunkene Zustand für 1-2 Wochen.
Wenn meine Mutter wieder nüchtern war,taten wir alle so,als wäre nichts passiert.
Ich liebe meine Mutter,aber die Wut konnte ich manchmal nicht unterdrücken.
Sie fragte mich dann immer:"Was ist los mit dir?"
Diese Frage hat mich immer schockiert. 
Für alle war es "danach"so wie früher.
Nur für mich nicht.

 

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