Norbert Wittke

Verlust

 
Ich traf eine gute Bekannte zufällig wieder in dem Ort, wo
wir früher gewohnt hatten. Durch unseren Umzug hatten
wir uns aus den Augen verloren.
 
Wir musterten uns. Normalerweise werden dann Kompli-
mente ausgetauscht wie: "Du hast Dich aber gut gehalten,
an Dir geht das Altern wohl vorüber." Aber sie wirkte auf
mich wie innerlich völlig gebrochen. Seelisch und körper-
lich verletzt.
 
Auf meine Frage nach dem Grund, die ich vorsichtig formu-
lierte, sprudelte es aus ihr heraus. Vor fast zwei Jahren
hatte sie ihn verloren. Der Tod kam plötzlich ohne Vor-
warnung. Ich kannte sie beide nur als ein gemeinsames Ich.
Nur aufeinander fixiert. Keine Kinder, keine Verwandschaft
in der Gegend, keinen großen Freundeskreis. Sie lebten
nur einander.
 
Jedes erste Denken morgens an ihn, jedes letzte Denken
abends an ihn. Nach dem Verlust hatte es sich noch ver-
stärkt. Kein innerliches Abfinden war ihr möglich.
 
Es gab für sie nur den einsamen Versuch mit dem restlichen
Leben ohne ihn fertig zu werden. Nach ihren Aussagen hatten
auch keine psychatrischen Behandlungen geholfen.
 
Ich versuchte, im Nachhinein mit meinen Worten Trost zu
spenden. Doch es war wie ich merkte ein unfähiger Versuch.
Gerade jetzt wo es auf Weihnachten zugeht.
 
12.11.2006                             Norbert Wittke

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