Gaby Schumacher

Bärentraum (14. Teil)

 

Piri löste seinen Lederbandsicherheitsgurt, streckte erst die linke, dann die rechte Kralle zur Seite, rappelte sich hoch und hopste aus dem Auto. Draußen schüttelte er sein Federkleid. Das machte ihn wieder munter. Rasch trippelte er auf die Garage zu. Boxy beobachtete seinen jungen Herrn aus den Scheinwerferwinkeln:

„Puuh, wie kann der denn jetzt so quicklebendig daher laufen? Ich bin total kaputt. Am liebsten machte ich jetzt einen ausgiebigen Mittagsschlaf. – Doch daraus wird nichts werden!“, seufzte er.

 
Stattdessen starteten sie gleich zu einer Blitzheimreise. Lumimobils waren schließlich aus Lichtstrahlen gebaut und nichts war schneller als das Licht. Das wiederum tröstete ihn doch gewaltig, denn dann wäre er wieder ganz fix daheim bei Lumi und seinen Freunden aus dem Park, vor allem aber bei Lizzi, die bestimmt sehnsüchtig auf ihn wartete. Da war er sich ganz sicher. Ihm fehlte seine Freundin ja auch sehr.
 
Während sein Auto noch über dermaßen wichtige Dinge nachdachte, hatte Piri bereits mit dem Schnabel die Türklinke des Garagentores herunter gedrückt und dieses weit geöffnet. Drinnen schimmerte ein schwaches Licht. Das war natürlich kein Wunder, denn die Garage war ja die Wohnung eines Lumimobils. Das Fahrzeug stand in der hintersten Ecke und war offensichtlich aus festem Tiefschlaf aufgeschreckt.

„Huch, was i..ist denn l..los?“

„Hallo, Lumimobil!“, grüßte Piri artig.
 
 “Ach d..du bist es!“, bemerkte das Lumimobil.

Ganz allmählich fand es in die Wirklichkeit zurück. Aber es brauchte dafür doch noch ein wenig Zeit, denn es hatte immerhin fast solange geschlafen wie damals das Dornröschen aus dem Märchen, nämlich beinahe hundert Jahre. Je wacher es wurde, umso kräftiger leuchtete es. Schließlich strahlte es so hell wie die Sonne und war plötzlich sehr fröhlich:

„Na, hat wieder ein Kind Lumi um Hilfe gebeten?“

Einen anderen Grund für Piris Besuch konnte es sich einfach nicht vorstellen und es behielt Recht damit.

„Genau!“, lächelte Piri und setzte hastig hinzu:

„Schnell, draußen wartet Boxy. Wir müssen sofort los, damit wir rechtzeitig zurück sind.“

Gutgelaunt glitt das Fahrzeug aus der Garage und bremste kurz vor Boxy ab.

„Hallo!“

„Hallo!“, gab der Bobbycar freundlich zurück.

 
„So, Boxy, nimm mal ein wenig Anlauf und hops` dann hoch auf seinen Rücken!“, kommandierte Piri.

„Du bist gut!“, jammerte Boxy. „Wie soll ich das denn schaffen?“

Schließlich war es ja ein Dornröschenschlaf lang her, dass er so ein Kunststück fertig gebracht hatte.

„Du schaffst das. Stell dich nicht so an. Los!“

Und richtig: Piri schob von hinten, damit sein Auto genug Schwung bekam, Boxy wurde schneller, stellte sich auf seine Hinterräder und sprang tatsächlich. Das Lumimobil zuckte ein wenig zusammen.

`“Rums!“, machte es ganz laut.

Und gleich darauf zischte es leise:

„Kannste denn nicht etwas vorsichtiger sein? Meine armen Lichtstrahlen sind ja ganz zerbeult!“

Entsetzt und auch ein wenig empört blitzte das Fahrzeug den geknickten Bobbycar an.

„Gekrümmte Lichtstrahlen!“, stammelte es.

Dazu muss ich Euch sagen, dass so etwas das Schlimmste für ein Lumimobil waren, was ihm überhaupt passieren konnte, denn Lichtstrahlen hatten gerade zu sein. Das galt schon immer: Bereits vor hundert Jahren und erst recht heutzutage.

Boxy wusste nicht recht, was er zu seiner Entschuldigung vorbringen sollte und stotterte:

„D..das wollte ich w..wirklich nicht!“

Aber, wie er seinen Fehler wieder gut machen konnte, wusste er auch nicht.

 
Zum Glück aber Piri: Der schnappte nach einem der jämmerlich zugerichteten Strahlen und fuhr mit seinem Schnabel ganz langsam über dessen ganze Länge. So glättete er ihn. Danach legte er ihn behutsam zurück an seinen Platz. So machte er es mit allen dieser leuchtenden Unglücksraben. Das Lumimobil beobachtete ihn dabei sehr genau. Als alles wieder völlig gerade da lag, wo es hin gehörte, bedankte es sich mit einem tiefen Seufzer:

„Danke, Piri! Das war wirklich Rettung aus größter Not.“

 
Dann schnallte Piri den beschämt klappernden Boxy mit dem Riesenfahrradschloss, dass er vorsichtshalber von zuhause mitgenommen hatte, an dem Namensschildstern des Lumimobils fest. Danach kletterte er auf seine Sitzstange und rief:

„Auf geht` s, zurück zu Lumi!“

 
Piri als auch Boxy ahnten, was sie erwartete. Piri kniff seine Augen und sein Autochen seine Scheinwerfer fest zu. Das Lumimobil startete, flitzte als super schnelles Lichtbündel über die Milchstraße zurück zur Nebelstraße, raste den Lichtweg entlang, bog in die Strahlstraße ein und erreichte kurz darauf schon die Sternenallee.

„Hui!“, machte es.

„Haltet euch gut fest!“, forderte das Lumimobil da seine beiden Fahrgäste auf. „Jetzt geht`s runter zum Schloss!“

Piri umklammerte mit seinen Krallen ganz fest die Sitzstange und Boxy drückte seinen Kofferraum möglichst nah an den Namensschildstern hinter ihm.

 
Das Lumimobil flog eine enge Kurve, bis seine Lichtnase in die Richtung des Schlosses zeigte und düste nach unten. Erst erkannten sie nur Boxys Heimatwald, dann die Straßen und letztendlich das Feenschloss, Lumis Zuhause. Mit elegantem Schwung blitzte das Lumimobil über den schmalen Zufahrtsweg zum Schloss und bremste sanft ab, bis es schließlich genau vor dessen wunderschönen Eingang stoppte.
 
Piri half seinem Boxy vom Rücken des Lumimobils hinunter und führte die Beiden in die Schlossgarage. Dort durften sie sich von der Reise ausruhen. Danach machte sich Piri auf den Weg zu Lumi, mit der er unbedingt noch etwas sehr Wichtiges besprechen wollte.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.11.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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