Gaby Schumacher

Hörte ich das Wort ´Latein`...

Schon soo lange schnüffele ich hier in dieser Rubrik, dass ich mir sage:

"Es wird Zeit, mir Luft zu machen!"

 
Schließlich war auch ich vor langer Zeit einmal ein Schulkind. Nach der Volksschule folgte das Lyzeum, was dann mein Schicksal besiegelte. Die höhere Schule zeigte sich mir gegenüber in den ersten beiden Jahren nur von ihrer aller besten Seite. Stolz marschierte ich mit meinen Versetzungszeugnis in die Quarta nach Hause. Ich strahlte übers ganze Gesicht. Es blieb für die nachfolgenden fünf Jahre das letzte Mal.
 
Eines Tages verrieten uns die netten Lehrer, dass wir ab dann uns nicht nur mit den alten Römern beschäftigen würden, sondern auch mit deren Sprache. Die war ebenso alt und galt als praktisch tot.
 
Alles Neue übt ja doch für einen begrenzten Zeitraum einen gewissen Reiz aus und so stürzte ich mich voller Neugierde und guten Willens auf die Vokabeln und paukte. Ja, ich ertappte mich dabei, dass ich auf jedes neue Wort den Schülerknigge missachtend ungeheuer stolz war und es bei jeder sich bietenden Gelegenheit bzw. eher öfteren Ungelegenheit in die Gespräche einbaute.
 
Rief meine Mutter mich zu sich, antwortete ich;

„Domina servam vocat!“ (Die Herrin ruft die Sklavin!)

Zu meinem Glück hatte sie Humor.

 
Zankten mein Bruder und ich uns wie die Rohrspatzen, schrie ich ihn an:

„Asinus es!“ (Du bist ein Esel!)

Mein Geschwisterchen war darob platt.

 
Hatte mein Vater stundenlang versucht, mir eine Mathematikaufgabe näher zu bringen und ich kapierte sie trotzdem nicht, murmelte ich zur Entschuldigung:

„Errare humanum est!“(Irren ist menschlich!)

Seine Reaktion...war auch menschlich.

 
Dann kam der Tag, an dem ich ein süßes, grünes Reclamheft kaufte. Ein recht dickes Reclamheft war es. Und gleich die passende Erläuterungslektüre dazu, die in ihrem Umfang diesem später ach so geliebten Heft in nichts nach stand. Mit diesem Kauf startete das Übel, das mir dann noch drei lange Jahre auf den Fersen blieb.
 
Längst schon hatte ich es aufgegeben, mit vor Stolz geschwellter Brust zu deklinieren oder gar zu konjugieren:

„Laudare, laudo... Die Konjugationsform ´laudor`(ich werde gelobt!) brauchte ich ab da nicht mehr im Gedächtnis zu speichern, denn gelobt werde ich dann immer seltener.

 
Trotzdem blätterte ich zuerst voller Neugierde und gutem Willen in dem Heft. Nach bereits zwei Seiten schwand die Neugierde, wich dem Erstaunen und gab dann endgültig dem schieren Entsetzen Raum, das sich als wahrer Meister in Selbstbehauptung erwies.
 
Fremdsprachenlehrer lieben Übersetzungen. Leider auch die Lateinlehrer. Zunächst führten sie uns vorsichtig – den Herzinfarkt sollten wir ja erst nach Beendigung des Lateinkonsums kriegen – an Hand kurzer Sätze in die Kunst ein, einer toten Sprache Leben einzuhauchen. Hauchen war da der richtige Ausdruck, denn genau das taten wir nach geraumer Zeit, da die einstmals so sympathisch kurzen Sätze zu Bandwurmmonstern heran gewachsen waren. Oh, welch ein Schreck: Die hatten dann einen Namen und nannten sich doch tatsächlich „Caesar“!
 
Der führte Kriege, baute Brücken auf und wieder ab und das in Sätzen, die fast eine ganze Seite des Lehrbuches ausmachten.

„Lieber Herr Caesar. Wäre es denn nicht auch kürzer gegangen, da sie doch damals alles ruckzuck kurz und klein schlugen?“

 
Dann nahte das Grauen pur. Wir armen Schüler durften diese Bandwürmer übersetzen. Da aber abgesehen von unserem Klassenstreber wir alle nur noch Bahnhof verstanden, verstand wahrscheinlich in der Folgezeit der von uns mittlerweile gehasste Caesar keines seiner einstigen klugen Worte mehr und erst recht nicht seine Kriegsaktionen.
 
Auch ich, deutsches Kind der Neuzeit, präsentierte dem armen Kerl eine völlig neue, nach meinem Gutdünken zusammen fabulierte Historie, zählte auf seine Weisheit, es zu bewerkstelligen, jenes Sammelsorium von Unmöglichkeiten und Unlogik irgendwie vor seinen Anhängern (ja, die soll es auch heute noch geben!) glaubhaft zu rechtfertigen.
 
Unsere Lehrer rauften sich die Haare, gedachten der ihnen noch blühenden Pflicht, uns noch mit einem anderen Herrn der Geschichte vertraut machen zu müssen, nämlich Ovid, und kriegten bei dem Gedanken daran vorsichtshalber schon im voraus graue Haare.
 
Als ich dessen Gedichte erblickte, streikte ich, weil mir erstens meine Lehrer zu leid taten und somit denn auch ich mir selber, als dass ich ihnen und damit mir deren Übersetzung nach meiner Art zugemutet hätte.
 
Nein, dazu hatte ich die Pauker von damals denn doch zu lieb!

Wie es weiterging, erspare ich besser meinen Lesern!!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.11.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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