Die Morgenröte zog sich langsam über die Gräber des Ostfriedhofes
und allmählig löste sich der Nebel von den Gräbern. Still saß Jacob, paffte
genüsslich seine Pfeife mit Vanilletabak und beobachtete das allmorgentliche
Lichtspiel.
Einsam war der alte Mann und machte sich somit die Grabpflege zur
Aufgabe. Er wollte den Toten die letzte Ehre erweisen. Zu Hause war es still.
Geackert hat er stets, denn Liesel, seine erste und letzte Liebe, hatte nicht viele
Wünsche, doch wenn sie einen hatte, wollte er ihr diesen stets erfüllen.
Gelacht und geweint hatten sie gemeinsam viele Jahre, bis sie starb.
Jacob schob seine rostige Schubkarre vor sich her und humpelte angestrengt
zu den Kindergräbern, wie jeden Morgen. Liebevoll säuberte er die Gräber und
verziehrte sie. Susanne wurde keine zwei Jahre alt, ihr stumpfes Holzkreuz,
welches völlig verwittert schien, ragte aus dem bunten Teil des Ostfriedhofes heraus.
Jacob sparte...
Einen weissen Stein mit kleinen Spatzen sollte sie bekommen, das ärmliche Holzkreuz
brach ihm stetig das Herz.
" Die Toten mahnen die Lebenden vor Krieg und Gewalt" ja, das dachte er oft, wenn
er an den Soldatengräbern entlang humpelte.
Hier auf dem Ostfriedhof herrschte Stille, Frieden, die Welt hörte sich dort auf zu drehen,
ja, dort galten andere Gesetze, die Gesetze der Trauer, aber auch die Gesetze der Ruhe
und das Einsein mit dem Vergänglichen. Er mochte die Gesetze, aber er fürchtete sie auch.
Gesund war er lange nicht mehr, im Gegenteil.....
Seine Pumpe machte ihm zu schaffen und er wusste, dass es langsam zu Ende geht.
Eisige Stille, kein Vanillegeruch. Nun erhaschte auch Jacob der Tod.
Der Herbstwind trieb die Blätter auf seine Grabstätte, bis dass der Sommerwind
sie davon befreite.....
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.11.2006.
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