Hans Pürstner

Gut durch, bitte!

Hier noch eine Geschichte aus meinem kleinen Leitfaden für Restaurantbesucher: „Der Küchenchef empfiehlt“

Sie wurde geschrieben aus der natürlich subjektiven Sichtweise eines Profikochs. Falls ich damit jemandem zu nahe treten sollte, bitte ich schon jetzt um Nachsicht!

Mir ist selbstverständlich klar, dass ich durch die folgenden Zeilen wohl keinen einzigen von Ihnen, der einen unüberwindlichen Ekel vor nicht durchgegartem Fleisch hat, zum Genuss eines medium gegrillten Filetsteaks werde überreden können.
Das will ich auch gar nicht. Ich kann durchaus nachvollziehen, dass man etwas „nicht mag“
 Gerade weil ich selbst wegen meiner Milchzuckerunverträglichkeit große Probleme habe, im Restaurant passende Speisen zu finden.
Was ich aber anmerken möchte, ist die Tatsache, dass jeder Koch, vorausgesetzt er hat selbst überhaupt etwas übrig für gutes Essen, nur Mitleid, wenn nicht gar Verachtung zeigt für einen „Gut durch“ Esser.
Zu sehen, wie aus einem herrlich marmorierten Stück argentinisches Angus-Beef ein zäher grauer Lappen wird, der letzte Tropfen herrlichem Fleischsaftes unter den Grillrost tropft und von dort als stinkender Qualm wieder nach oben in die empfindliche Nase des Kochs steigt.
Dies übersteigt selbst die Leidensfähigkeit eines Angehörigen der Dienstleistungsgesellschaft, die ohnehin häufig durch diverse Geschmacksverirrungen einiger Gäste strapaziert wird.
Eine nicht unwesentliche Rolle spielt auch die längere Garzeit einer solchen „Schuhsohle“, wie durchgebraten bestellte Steaks im allgemeinen Sprachgebrauch der Gastronomie gerne genannt werden.
Wenn Sie sich vorstellen, wie oft der (hoffentlich) saubere Zeigefinger des Kochs prüfend in ihr Rumpsteak gebohrt wird, bis dieser endlich sicher sein kann, das Ergebnis dieser Prozedur ohne das Risiko einer Reklamation an das Servicepersonal weitergeben zu können, wird sie vielleicht dazu bringen, sich lieber ein Putensteak oder ähnliches zu bestellen, wo die Gefahr von halbgarer Zubereitung erst gar nicht besteht.
Ich kann mich noch gut an ein Erlebnis aus meinen Anfangsjahren in einem Hamburger Steakhouse erinnern.
Die Serviererin brachte die Bestellung von drei Schwarzafrikanern,
„Drei T-Bone Steaks, gut durch bitte!“
Von meinem Küchenhelfer, ebenfalls aus sehr südlichen Gefilden, wusste ich bereits von der durch die dortige höhere Verderblichkeit von Fleisch bedingten Abneigung gegen rosa gebratenes Rindfleisch.
Doch alles Quetschen, drücken, mit dem Finger hineinbohren nützte nichts.
Die fast zur Unkenntlichkeit verschmorten Fleischstücke kamen zurück in die Küche, mit der Aufforderung:
„Bitte noch mehr durch braten!“
Ich hatte nicht bedacht, dass beim T-Bone Steak, dem Rinder-Pendant zum Schweinekotelett direkt am Knochen immer noch eine mikroskopisch kleine zartrosa Stelle erkennbar war.
Also zurück mit den drei Steaks auf den Grill.
Nach dem erneuten Versuch, den Gästewunsch endlich optimal zu erfüllen, stellte sich nun die Frage, welches der logischerweise bereits angeschnittenen Steaks welchem Gast gehörten.
 Deren Teller hatte ich wohlweislich markiert und mir die dazugehörigen Steaks gemerkt.
Ob die nette kleine Serviererin das auch geschafft hatte?
Ich weiß es nicht mehr, es war letztendlich auch egal.
Denn zwei der malträtierten Fleischstücke überstanden den kritischen Blick der „blöden Kohlensäcke“, wie wir die nervigen Gäste inzwischen etwas respektlos nannten, noch immer nicht.
Inzwischen war ich einem kleinen Nervenzusammenbruch nahe, auch die übrigen Gäste beobachteten mit zunehmendem Argwohn das ständige Hin und hertransportieren von Tellern aus der Küche und zurück.
Doch Gott sei Dank waren irgendwann selbst diese „Schuhsohlen“ zur Zufriedenheit der Gäste gelungen und ich konnte mich wieder ohne Schreiduelle mit der Kellnerin meiner übrigen Arbeit widmen.
Also, lieber „Gut durch Gast“, wenn ihnen nur ein klein wenig auch am Wohlergehen ihrer Gastgeber liegt, essen Sie lieber etwas anderes.
 
 

mein Buch, aus dem die Geschichte stammt:
"Chef special-Der Küchenchef empfiehlt" gibt es bei Buchhandel.de und amazon ISBN 978-3-8442-3525-8
Hans Pürstner, Anmerkung zur Geschichte

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Hans Pürstner).
Der Beitrag wurde von Hans Pürstner auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.12.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Hans Pürstner als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Flaschenpost ahoi! - Ein Bodenseekrimi für Kinder von Thurid Neumann



Dieses Buch ist Band 2 zu einer Bodensee-Krimi-Reihe für Kinder zwischen 6 und 12 Jahren. Nachdem die zwei Jungs und zwei Mädchen in den Sommerferien ein Jahr zuvor das Geheimnis um ein verschwundenes Testament und den Erben von Schloss Krähenstein aufgedeckt haben, retten sie dieses Jahr ein Mädchen aus den Fängen ihrer Entführer.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (2)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Alltag" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Hans Pürstner

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Wo soll ich denn hin? von Hans Pürstner (Trauriges / Verzweiflung)
Der Kampf gegen die panische Angst von Michael Reißig (Alltag)
Befreiungsschläge von Elke Lüder (Lebensgeschichten & Schicksale)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen