Hier noch eine Geschichte aus meinem kleinen Leitfaden für Restaurantbesucher: „Der Küchenchef empfiehlt“
Sie wurde geschrieben aus der natürlich subjektiven Sichtweise eines Profikochs. Falls ich damit jemandem zu nahe treten sollte, bitte ich schon jetzt um Nachsicht!
Mir ist selbstverständlich klar, dass ich durch die folgenden Zeilen wohl keinen einzigen von Ihnen, der einen unüberwindlichen Ekel vor nicht durchgegartem Fleisch hat, zum Genuss eines medium gegrillten Filetsteaks werde überreden können.
Das will ich auch gar nicht. Ich kann durchaus nachvollziehen, dass man etwas „nicht mag“
Gerade weil ich selbst wegen meiner Milchzuckerunverträglichkeit große Probleme habe, im Restaurant passende Speisen zu finden.
Was ich aber anmerken möchte, ist die Tatsache, dass jeder Koch, vorausgesetzt er hat selbst überhaupt etwas übrig für gutes Essen, nur Mitleid, wenn nicht gar Verachtung zeigt für einen „Gut durch“ Esser.
Zu sehen, wie aus einem herrlich marmorierten Stück argentinisches Angus-Beef ein zäher grauer Lappen wird, der letzte Tropfen herrlichem Fleischsaftes unter den Grillrost tropft und von dort als stinkender Qualm wieder nach oben in die empfindliche Nase des Kochs steigt.
Dies übersteigt selbst die Leidensfähigkeit eines Angehörigen der Dienstleistungsgesellschaft, die ohnehin häufig durch diverse Geschmacksverirrungen einiger Gäste strapaziert wird.
Eine nicht unwesentliche Rolle spielt auch die längere Garzeit einer solchen „Schuhsohle“, wie durchgebraten bestellte Steaks im allgemeinen Sprachgebrauch der Gastronomie gerne genannt werden.
Wenn Sie sich vorstellen, wie oft der (hoffentlich) saubere Zeigefinger des Kochs prüfend in ihr Rumpsteak gebohrt wird, bis dieser endlich sicher sein kann, das Ergebnis dieser Prozedur ohne das Risiko einer Reklamation an das Servicepersonal weitergeben zu können, wird sie vielleicht dazu bringen, sich lieber ein Putensteak oder ähnliches zu bestellen, wo die Gefahr von halbgarer Zubereitung erst gar nicht besteht.
Ich kann mich noch gut an ein Erlebnis aus meinen Anfangsjahren in einem Hamburger Steakhouse erinnern.
Die Serviererin brachte die Bestellung von drei Schwarzafrikanern,
„Drei T-Bone Steaks, gut durch bitte!“
Von meinem Küchenhelfer, ebenfalls aus sehr südlichen Gefilden, wusste ich bereits von der durch die dortige höhere Verderblichkeit von Fleisch bedingten Abneigung gegen rosa gebratenes Rindfleisch.
Doch alles Quetschen, drücken, mit dem Finger hineinbohren nützte nichts.
Die fast zur Unkenntlichkeit verschmorten Fleischstücke kamen zurück in die Küche, mit der Aufforderung:
„Bitte noch mehr durch braten!“
Ich hatte nicht bedacht, dass beim T-Bone Steak, dem Rinder-Pendant zum Schweinekotelett direkt am Knochen immer noch eine mikroskopisch kleine zartrosa Stelle erkennbar war.
Also zurück mit den drei Steaks auf den Grill.
Nach dem erneuten Versuch, den Gästewunsch endlich optimal zu erfüllen, stellte sich nun die Frage, welches der logischerweise bereits angeschnittenen Steaks welchem Gast gehörten.
Deren Teller hatte ich wohlweislich markiert und mir die dazugehörigen Steaks gemerkt.
Ob die nette kleine Serviererin das auch geschafft hatte?
Ich weiß es nicht mehr, es war letztendlich auch egal.
Denn zwei der malträtierten Fleischstücke überstanden den kritischen Blick der „blöden Kohlensäcke“, wie wir die nervigen Gäste inzwischen etwas respektlos nannten, noch immer nicht.
Inzwischen war ich einem kleinen Nervenzusammenbruch nahe, auch die übrigen Gäste beobachteten mit zunehmendem Argwohn das ständige Hin und hertransportieren von Tellern aus der Küche und zurück.
Doch Gott sei Dank waren irgendwann selbst diese „Schuhsohlen“ zur Zufriedenheit der Gäste gelungen und ich konnte mich wieder ohne Schreiduelle mit der Kellnerin meiner übrigen Arbeit widmen.
Also, lieber „Gut durch Gast“, wenn ihnen nur ein klein wenig auch am Wohlergehen ihrer Gastgeber liegt, essen Sie lieber etwas anderes.