Claudia Jentsch

Der kleine Herbert

Vor langer, langer Zeit lebte ein unglückliches kleines Wesen, namens Herbert, gemeinsam mit seinem Herrn in einem Gutshaus. Der Herr war oft ärgerlich mit seinem kleinen Freund, da er ihn viel zu kurz fand und er ihn nicht richtig einkleiden konnte, da es keine Kleider in seiner Größe gab.

Eines Tages sprach der Herr zu Herbert: “Du warst mir lange Jahre ein treuer Gefährte, aber verstehe mich. Wegen deiner Größe verspotten mich die Frauen und lachen, sobald ich mit dir erscheine. Es gibt nur einen Ausweg für mich, ich werde dich verstoßen!” Herbert begann zu betteln und beteuerte, dass er in Zukunft eine bessere Leistung vollbringen würde, aber der Entschluss des Herrn stand fest.

Und so geschah es. Herbert zog hinaus in die weite, weite Welt und suchte des Nachts in verschiedensten Löchern Unterschlupf. Die Wochen zogen ins Land, aber er fand keinen Herrn, der bereit wäre ihn aufzunehmen.

An einem sonnigen Tag saß er an einem See und weinte bitterlich. Da hörte er plötzlich eine zärtliche Stimme. “ Sage mir, warum weinst du denn?” Herbert schaute sich um und erblickte eine Fee. Die Fee war so wunderschön, dass er sich schlagartig aufrichtete. “Was für ein strammer Bursche du bist.”, sprach die Fee. “Verrate mir, was dich bedrückt und ich will versuchen dir zu helfen!” Da klagte Herbert ihr sein ganzes Leid. Nach dieser langen Erzählung war er vollkommen erschöpft. “Ich verstehe deinen Kummer und ich werde dir helfen. Drei Wünsche schenke ich dir, aber bedenke, zwischen jeden der Wünsche, müssen mehrere Tage verstreichen, in denen du dein Bestes geben wirst, einen Herrn zu finden!” Herbert freute sich so, dass ihm das Blut ins Gesicht schoss und er die Erschöpfung, die er vor wenigen Augenblicken noch verspürt hatte, sofort vergaß. “Ich wünsche mir so sehr, dass ich endlich größer werde!” Und sofort ging sein Wunsch in Erfüllung. Ihn umfing ein blendend weißes Licht und als er an sich herabschaute, bemerkte er, dass er in die Höhe geschossen war. Er begann vor lauter Freude zu jubeln und zu tanzen. Er wollte sich bei der Fee bedanken, aber sie war schon wieder verschwunden.

Herbert rannte über Felder und Wiesen und schon bald traf er einen jungendlichen Mann. Der Mann zögerte nicht lange und bot Herbert an, dass er ihn nach Hause begleiten solle. Dort angekommen fertigte die Freundin des Herrn ihm sofort einen neuen Arbeitsanzug an und kleidete ihn mit diesem ein. Sie machte ihn mit seiner Arbeit vertraut, doch schon nach wenigen Augenblicken war die große Freude über Herbert vorbei. Herberts Arbeitsausdauer ließ zu wünschen übrig und schon nach wenigen Augenblicken brach er in sich zusammen. Herbert entschuldigte sich, doch der Herr hörte sich die Erklärungen erst gar nicht an und er warf Herbert hinaus.

So kam es, dass Herbert wieder einsam und alleine war und er begann jämmerlich zu weinen. Kaum hatte die erste Träne den Boden berührt, erschien die Fee. Die Fee sah wie traurig Herbert war und wusste, dass nun der Zeitpunkt gekommen war, dass Herbert seinen zweiten Wunsch äußern würde. “Nun sage mir, was soll dein zweiter Wunsch sein?” “Auch dieser Herr hat mich verstoßen und das alles nur, weil ich nicht die ausreichenden Kräfte erbracht habe. Bitte, schenke mir mehr Ausdauer, um einen Herrn zu finden und ihm und seiner Frau immer zu deren Zufriedenheit dienen zu können.” Wieder erschien dieser Glanz und noch bevor dieser wieder vollkommen erloschen war, strotzte Herbert nur so vor kraft.

Er stürmte los und war voller Energie. Nach nur wenigen Tagen fand er einen Herrn. Dieser Herr war jung und gerade frisch verheiratet. Als der Herr Herbert erblickte, zeigte sich Herbert von seiner besten Seite. Seine Brust schwoll an und er präsentierte sich in seiner vollen Pracht. Der Herr ging zu Herbert uns sagte:” Mein Name ist Kevin. Als ich deine Pracht erblickte, wurde mir schlagartig klar, dass ich deine Hilfe brauche. Weißt du, ich habe auch so einen, wie du es bist. Aber er ist so klein und schon nach wenigen Minuten ist er zu Tode erschöpft und bricht in sich zusammen. Willst du nicht mein Begleiter werden? Meine Frau und ich, wir würden uns wirklich sehr darüber freuen.” Herbert war überglücklich und es war klar, dass er dieses Angebot nicht ausschlagen konnte.

Kevin steckte Herbert in seine Hosentasche und sie gingen nach Hause. Dort angekommen rief Kevin:” Kristina, komm her! Ich habe einen neuen! Er ist größer und besser als alle anderen!”. Kristina kam die Treppe herunter. Kevin stellte ihr Herbert vor und Herbert war bei ihrem Anblick sofort bereit, mit der Arbeit zu beginnen. Er arbeitete stundenlang, doch irgendwann rief Kristina:” Stopp! Ich kann nicht mehr!” Herbert beschlich ein seltsames Gefühl. Er fragte:” Was ist denn los? Habe ich etwas falsch gemacht?” “Nein, aber es war zuviel auf einmal. Lass uns schauen, wie es morgen aussieht.”

Doch in den nächsten Tages war es immer dasselbe. Kevin sprach zu Herbert:

“Herbert, du bist mir in der letzten Zeit sehr ans Herz gewachsen und mir ein treuer Freund geworden. Aber meine Frau meint, dass du ihr zu anstrengend bist und du zuviel von ihr forderst. Wir können dir nicht soviel Zeit widmen, die du benötigst, um vollkommen ausgelastet zu sein. Es tut mir leid, aber unter diesen Umständen müssen wir uns trennen. Stoß dir die Hörner ab und komme dann zurück zu mir. Ich verspreche dir, ich werde auf dich warten.” Mit diesen Worten schickte er Herbert fort.

Wieder stand Herbert ganz alleine da. Er unterdrückte die aufsteigenden Tränen und rief nach der Fee. Diese kam auch augenblicklich. “Mein kleiner Freund, was ist passiert? Ich dachte du wärest glücklich gewesen mit deinem neuen Herrn. Du hast doch alles, was einer wie du benötigst. Du bist groß und ausdauernd. Wie kann ich dir helfen?” “Genau diese Größe und Ausdauer sind es, die mir zum Verhängnis geworden sind. Ich war der Frau meines Herrn zu groß und zu ausdauernd und so hat er mich wieder weggeschickt. Liebe Fee, ich denke, das Beste wird sein, wenn du mir zu meiner alten Größe und meiner alten Ausdauer verhilfst. Ich habe gesehen, dass Kevin vor mir einen hatte, der noch kleiner und schmächtiger war, als ich es bin. Wenn ich mein altes Aussehen zurückbekomme, werde ich wieder zu ihm gehen. Hoffentlich erkennt er mich wieder und wird mich wieder bei sich zu Hause aufnehmen.”, antwortete Herbert der Fee. “Nun, ich bin mir sicher, dass er dich wiedererkennen wird. Denn dein Wesen ändert sich nicht durch dein Aussehen. Kevin hat dich zum besten Freund gewählt, weil du ihm ein guter Freund warst und nicht wegen deiner Größe. Ich bin mir sicher, dass er dich mit offenen Armen empfangen wird. Ich will dir deinen letzten Wunsch erfüllen und hoffe, dass er dir das geben kann, was du dir am sehnlichsten wünschst. Endlich einen Herrn zu finden, der dich so nimmt, wie du bist.” Herbert spürte, wie ihn dieses seltsame Licht einhüllte und als es wieder erlosch, sah er, dass er seine ursprüngliche Größe wieder hatte. “Danke.”, sagte er leise und die Fee verschwand.

Herbert machte sich auf den Weg zu Kevins Haus. Kevin saß draußen auf den Treppenstufen und blickte traurig in die Ferne. Er erkannte Herbert sofort und rannte ihm entgegen. “Herbert, welch ein Glück, dass du wieder da bist. Ich habe dich so vermisst!´” Die beiden Freunde umarmten sich und Herbert erzählte Kevin die ganze Geschichte mit der Fee. Er fragte schüchtern:” Kevin, willst du mich trotz meiner jämmerlichen Gestalt wieder bei dir aufnehmen? Ich weiß, ich bin nicht der Schönste und habe auch nicht die Ausdauer, wie manch anderer. Aber ich will dir immer ein treuer Freund sein!”

Natürlich nahm Kevin Herbert wieder bei sich auf. Sie gingen gemeinsam ins Haus, wo sie auf Kristina trafen. “Herbert? Bist du das? Du, du hast dich verändert...” “Ja, aber nur äußerlich. In meinem Inneren bin ich noch immer der, den du kennst. Ich bitte auch dich, nehmt mich wieder auf und ich will mein Bestes geben!” Auch für Kristina war das gar keine Frage, denn auch sie hatte Herbert vermisst.

Kevin und Kristina waren äußerst zufrieden mit Herberts Arbeit und auch wenn er nicht mehr so groß und andauernd war, war er immer zur Stelle, wenn Arbeit für ihn anfiel. Sie lebten viele Jahre zusammen und diese Jahre bescherten Kristina und Kevin viele Kinder. Doch Herberts Arbeitseifer hörte nie auf und Kevin und Kristina waren überglücklich, Herbert wieder bei sich aufgenommen zu haben.

So lebten alle glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende

Liebe Leser!
Diese Kurzgeschichte entstand im Deutschunterricht, zu dem Thema "Märchen".
Es ist ein satirisches Märchen, das den Schülern viel Freude bereitet hat, da unsere Lehrerin den satirischen Hintergrund nicht verstanden hat.
Ich wünsche viel Spaß beim Lesen!
Claudia Jentsch, Anmerkung zur Geschichte

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Claudia Jentsch).
Der Beitrag wurde von Claudia Jentsch auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.12.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Claudia Jentsch als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Felix auf Reisen von Silvia Möbius



Eine Abenteuergeschichte aus der Sicht einer 1 Euromünze, die den Namen Felix trägt. Er und viele andere Münzen und Geldscheine erleben so manches auf ihrer Reise durch Geldbörsen, Registrierkassen , Sandstrände und vielem mehr. Felix ist für Kinder ab ca. 6 Jahren, aber auch Eltern und Großeltern werden ihren Spaß daran haben ihn zu lesen.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Humor" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Claudia Jentsch

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Banales von Klaus Lutz (Humor)
Der Brief von Gott von Klaus-D. Heid (Weihnachten)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen