Conny Kirsten
Asche zu Asche
Asche zu Asche
Ich laufe über verbrannte Felder und spüre schon die Stiche der Dornen nicht mehr, die verkohlt in der Asche liegen. Überall schwarze Wiesen, soweit das Auge reicht. Ein gewaltiges schwarzes Meer. Interessanterweise hebt sich der Horizont bestens davon ab, ich laufe gegen schwarze Balken, die von der roten Glut besprenkelt sind.
Wann hat das ein Ende? Ich weiß es nicht und so bleibe ich einen Augenblick stehen und lausche. Nichts. Nichts, was mir auch nur irgendeinen Hinweis auf eine Veränderung geben könnte. Alleine der Wind raschelt leicht, streicht sanft durch meine Haare, wie zum Trost und zieht von dannen.
Ich beschließe weiterzugehen, werfe aber noch einen raschen Blick auf meine geschundenen Füße. Schwarze Füße mit roten Blasen und getrocknetem Blut. Ich ziehe die schlimmsten Dornen aus dem Fleisch und seufze ein paarmal.
Der erste Schritt ist immer der schwerste, und ich gäbe ein Königreich für eine eiskalte Pepsi und ein Bad in meinem kalten Lieblingssee. Hineinspringen und tauchen, bis in die tiefen, kühlen und gefährlichen Schichten, aus denen nicht jeder wieder emporkommt.
Ich trete in ein Erdloch, schlage der Länge nach hin und überlege ernsthaft einfach liegenzubleiben. Während ich automatisch meinen schmerzenden Knöchel abtaste, manchmal lohnt es sich auch mit gebrochenen Knochen weiterzulaufen, sehe ich am Horizont, noch sehr weit entfernt, ein Auto.
Ein Auto in dieser Hölle? Ich gluckse zuerst, dann öffne ich den Mund ganz weit und lache. Mich wundert in meinem Paralleluniversum, dass ich noch so stimmengewaltig lachen kann. Meine Kehle ist wund vom Staub der Asche und meine Stimmbänder ächzen gewaltig. Aber ich lache laut. Immerhin etwas, gratuliere ich mir, ziehe mich an meiner imaginären Bohnenranke hoch und humpel dem Auto entgegen, das sich mir langsam aber stetig nähert. Angst habe ich keine, keine mehr, müsste ich richtigkeitshalber gestehen.
Ich überdenke das Aufprallen von Kugeln, die durch meinen Kopf detonieren und dabei interessante Verwüstungen hinterlassen. Klingt gut, zumindest würde es schnell gehen und schnell, ich gebe es zu, ist in meiner jetzigen Lage ein paradiesischer Gedanke.
Das Auto ist perfiderweise auch schwarz und so frage ich mich, ob ich nicht doch zu Halluzinationen neige, aber da wäre das Aufblitzen von Glas.
Ich taste nach meinem Gewehr und sinniere über meine Treffsicherheit.
Ob der Fahrer noch menschlich war? Gehört er zu dieser Hölle, war sowieso alles egal.
Ich stolpere über etwas, das wie ein verbrannter Ast aussieht, aber etwas sucht meinen Blick. Ich schaue genauer hin und finde ein paar Knochen. Ich erstarre, denn es hätten auch meine Beine sein können, die nutzlos in der Asche liegen.
Nun kann ich das Auto schon hören, gleich würde es sich entscheiden, sterben oder getötet werden. Ich muss wieder lachen.
Passt zu meinem Leben, denn der Tod lauert überall und am Ende allen Lebens ist - der Tod. Warum alle Menschen darum so einen Aufriss machen, war mir nicht so klar. Hauptsache schnell und am besten von Angesicht zu Angesicht.
Ich trabe jetzt rascher in Richtung Auto und eine schwarze Staubwolke wabert mittlerweile um meine Beine. Ich sehe das Aufblitzen erneut und registriere zu spät, dass Aufblitzen meistens nichts Gutes bedeutet.
Ich spüre den Einschlag nicht, ich laufe noch ein paar Meter weiter. Der Wind saust jetzt in meinen Ohren und ich sehe in der Ferne das gewaltige Orangerot der Sonne, als ich endlich auf der Erde aufpralle.
Stiefel treten in mein Sichtfeld, dreckige, staubige Stiefel und die aufgewirbelte, schwarze, verbrannte Erde legt sich friedlich auf mein Gesicht.
Asche zu Asche.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.01.2007.
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