Simone Alby

C´est la vie

oder
Mein Roman


Ich habe keine Ahnung, welcher Tag es war, an dem es begann, aber eins ist sicher, er wird immer in meiner Erinnerung bleiben. Ein solches Ereignis, welches sein Leben gleichermaßen völlig verändert, wie auf den Kopf stellt, gibt’s nur einmal...
Aber an eins kann ich mich noch erinnern, als wäre es gestern gewesen. Es war warm an diesem besagten Tag, furchtbar warm. Heiß kann man fast schon sagen. Ich stand in einer Ecke des Ladens und hatte Probleme mit der Hitze klar zu kommen. 'Bloß nicht dran denken!', redete ich mir immer wieder ein. 'Du musst auf andere Gedanken kommen!' Gar nicht mal so einfach, wenn sich alles um einen herum spannte, und man das Gefühl hatte, dass einem der Körper jede Sekunde platzten könnte. Besonders unangenehm ist das Gefühl, wenn einem der Schweiß fast den ganzen Körper herunter läuft, und man nichts dagegen tun kann, weil man stocksteif da steht und versucht sich nicht zu bewegen, um jegliche Anstrengung bei diesen Temperaturen zu unterlassen. Einziger Lichtblick in dieser Situation ist, wenn mal wieder ein Kunde den Laden betritt, und von der Tür her ein Luftzug durch den Raum weht. Zwar nur eine leichte Brise, aber man freut sich.
So war es auch, als gegen Mittag ein junger Mann den Laden betrat. Ein leichter Luftzug glitt durch den Raum, kaum wahrnehmbar, doch man konnte richtig merken, wie alle aufatmeten. Es war nämlich strengstens verboten, während der Geschäftszeiten die Tür zum Laden offen stehen zu lassen, warum auch immer. Und so freute man sich zu dieser Jahreszeit um so mehr über Kundschaft.
Ich hatte meinen Blick, wie schon so oft an diesem Tag, zur Tür gerichtet. Eine meiner neuen Lieblingsbeschäftigungen war nämlich Kunden zu beobachten, und zu zählen wie viele es an einem Tag waren. Hört sich langweilig an, ist es aber nicht, denn das witzige an der Sache war, dass ich mir zu jedem irgendwelche lustigen Geschichten einfallen ließ. Man muss seinen Tag ja irgendwie rumbekommen...
Besagter Mann war ein besonderes Exemplar, fand ich. Er gefiel mir wirklich gut. So einer war schon lange nicht mehr da gewesen. Gleich nach seinem Betreten lag meine gesamte Aufmerksamkeit auf ihm, und ich wurde von Sekunde zu Sekunde ein Stückchen größer, um auch ja genau verfolgen zu können, was er tat. Er sah sich um, ohne wirklich zu wissen, wonach er suchte. Seine Bewegungen waren gemächlich und passten vortrefflich zu seinem Körperbau. Er war gut gebaut, jedoch nicht zu athletisch. An solchen Männern blieb mein Blick immer hängen. Auf Waschbrettbäuche, und voll muskulöse Oberarme stehe ich nun mal überhaupt nicht.
Gekleidet war er mit einer grauen Hose, die unheimlich viele Taschen an den Seiten hatte. Schien wohl die neueste Mode zu sein. Oben herum trug er ein hellblaues T-Shirt, welches sich eng an seinen Oberkörper schmiegte. Bei diesem Anblick stockte mir der Atem. Das war zu viel für mich. Erst diese unerträgliche Hitze, und dann noch ein solches Bild von Mann... Oooaaahhh.
Seine dunklen, fülligen Haare wurden durch eine Sonnenbrille hochgehalten, die jedoch vereinzelte Strähnchen nicht davon abhalten konnte, ihm ins Gesicht zu fallen. Sein Gesicht, oh jaaaa, ein weiterer Punkt, bei dem ich schwach wurde. Meine Musterung zog sich mittlerweile schon über etliche Minuten hinweg, doch es war für mich schier unmöglich, meinen Blick von ihm abzuwenden. Dieser Mann zog mich magisch an!
Die Farbe seiner Augen konnte ich auf die Entfernung nicht erkennen, doch sein Lächeln entschädigte dies. Feingeschwungene Lippen, umrahmt von einem leichten 3-Tage Bart. Und keine Ahnung wie viele Grübchen. Die Freundlichkeit und Lebensfreude, die er ausstrahlte sprang wie ein Funke auf mich über. Einfach Wahnsinn! Kein Wunder, dass man bei diesem Mann schwach wurde...
Ein Glück, dass er nicht mitzubekommen schien, dass ich jede seiner Bewegungen verfolgte. Wahrscheinlich würde ich tierisch rot werden, und am liebsten im Boden versinken, wenn er mitbekommen würde, wie sehr er mich anzog. Seine Gegenwart allein machte mich ja schon nervös. Er sah sich immer noch im Laden um, und ich hoffte insgeheim, dass er noch lange, lange da bleiben würde.
So ganz in meinen Tagträumereien verfallen, merkte ich zuerst gar nicht, dass das Objekt - eben dieser - sich auf mich zu bewegt hatte. Erst als mir ein angenehmer Duft auffiel, der vorher noch nicht da gewesen war, erkannte ich, dass er direkt neben mir stand. Himmel, er sah nicht nur wahnsinnig toll aus, nein, er roch auch noch unverkennbar gut. Oh Hilfe, wie sollte ich das durchstehen?? Ich konnte seine Nähe regelrecht spüren, und meine Gefühle fuhren Achterbahn.
Er stand so dicht bei mir, dass ich die Härchen auf seinen Armen erkennen konnte, die diese wie ein flauschiger Teppich überzogen. Sie hoben sich dunkel von seiner, durch die Sonne gebräunten, Haut ab. Und beim genauen Hinsehen meinte ich, sogar die Luft zwischen ihnen zirkulieren zu sehen. Dies, war mir klar, war sicherlich ein eindeutiges Zeichen meiner überschüssigen Phantasie. Meine Vorstellungskraft war schon immer sehr ausgeprägt gewesen. Ich konnte mir ein Lachen gerade eben so verkneifen, und stellte fest, dass ich vor lauter Musterung noch gar nicht in meine sonstige Langeweile-Bekämpfungs-Methode übergegangen war. Meine Phantasie machte allein beim Anblick dieses Mannes schon Galoppsprünge, wie sollte ich mir da noch irgendwelche Sachen über ihn ausdenken, ohne zugrunde zu gehen?
Ich hörte wie durch einen Schleier seine Stimme, bekam aber nicht mit, was er wollte. Im nächsten Augenblick kam er geradewegs auf mich zu, lächelte, und nahm mich ohne ein Wort zu sagen mit, als er den Laden wieder verließ. Vollkommen überfahren kam ich mir vor. Ich wollte lauthals protestieren, doch vor lauter Schock bekam ich keinen Ton heraus. Gemeinsam stiegen wir in sein Auto und er fuhr los. Den ganzen Weg über sprach er nicht. Statt dessen summte er eine leise Melodie vor sich hin und murmelte ab und zu ein paar unverständliche Worte.
Ich schaute ihn vom Beifahrersitz aus an und verstand die Welt nicht mehr. Er hatte mich mitgenommen, einfach so mitgenommen. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Ob ihm doch aufgefallen war, dass ich ihn die ganze Zeit über beobachtet hatte? Oder ob er vielleicht sogar das Knistern wahrgenommen hatte, welches vor lauter Spannung von mir ausgegangen war? Vielleicht fühlte er ähnlich? Vielleicht fühlte er sich von mir ebenso angezogen, wie ich von ihm? Ich brachte immer noch kein Wort heraus. Aber wollte ich es überhaupt noch? War es nicht besser, erst mal abzuwarten, und zu sehen, was er vor hatte? Schließlich wollte ich das ganze Abenteuer auch nicht durch irgendeine Unachtsamkeit vorzeitig beenden. Dafür war ich viel zu vernarrt in diesen Mann.
Die Fahrt dauerte nicht lange, und nachdem er seinen Wagen geparkt hatte, nahm er mich mit in seine Wohnung. Ich fand mich auf einer Couch wieder, währenddessen er hinter einer Tür verschwand. 'Na toll, das fängt ja gut an! Erst einfach mitschleppen, und dann nicht um einen kümmern... Das haben wir gern.' Zum Glück hatte ich es bequem an meinem Platz, so dass ich es mir so richtig schön gemütlich machen, und seine Wohnungseinrichtung in Augenschein nehmen konnte. Und das beste an der Sache, es war nicht mehr so stickig heiß wie im Laden. Seine Wohnung war kühl, so dass nur noch das eigene Innere, sprich die Gedanken, die man hegte, einen wärmte.
Wie wahr, wie wahr. Das sollte ich schon im nächsten Augenblick feststellen. Der unbekannte Fremde betrat nämlich wieder das Zimmer, allerdings nur mit einem Handtuch um die Hüften geschlungen. Beim Anblick seines sonst nackten Körpers geriet alles in mir in Wallung. Mir wurde heiß und kalt, und wenn es nicht schon vorher um mich geschehen gewesen wäre, spätestens jetzt hätte ich vollkommen den Verstand verloren...
Das Wasser tropfte aus seinen nassen Haaren, lief seine Schultern herunter und hinterließ Spuren auf seinem Körper. Die Farbe seiner Haut zeigte, dass er den Sommer schon am ganzen Körper genossen haben musste. Die leichten Speckröllchen um seinen Bauch herum fielen mir auf den ersten Blick hin auf, doch sie wirkten eher anziehend, als abstoßend auf mich. Richtig niedlich.
Er hatte mich völlig vergessen, so schien mir. Mit dem Rücken zu mir gewandt stand er am Schrank und suchte so lange in einer Schublade, bis er das, wonach er gesucht zu haben schien, gefunden hatte. 'Jaja, ein schöner Rücken kann auch entzücken!' Ich beobachtete ihn aufmerksam und verfolgte jede seiner Bewegungen. 'Und was hat er jetzt vor?' Auf ein neues verließ er das Zimmer und kam kurze Zeit später wieder. "Pass auf, ich muss nur noch schnell was machen, dann komme ich zur Probe!", hörte ich seine Stimme. Seine melodische, tiefe Stimme, die ich bis jetzt leider viel zu wenig vernommen hatte. 'Aha, er telefonierte.' Ich lauschte, obwohl das normalerweise gar nicht meine Art war. Aber heute war eh ein etwas anderer Tag. Verrückt, beschrieb es wohl eher die Situation. Heute wurden alle Schranken fallen gelassen.
"Ja! Ja, ich beeil mich." Mit diesen Worten legte er auf und kam auf mich zu. 'Aha, hatte Mister sich also wieder an meine Anwesenheit erinnert?' Ich zwang mich meinen Blick nicht von ihm abzuwenden, und schaute ihn direkt an.
Er nahm mich mit beiden Händen und strich zärtlich über meinen schlanken, wohlgeformten Körper. An den Stellen wo er mich berührte, war selbst Sekunden später noch ein Kribbeln zu spüren, was die Berührung seiner Hände hinterlassen hatte. Ich wusste nicht, wie mit mir geschah. Dass er so schnell ran gehen würde, hätte ich nicht gedacht. Aber war es nicht eigentlich das, was ich mir still und heimlich die ganze Zeit über gewünscht hatte, ohne mir vielleicht dessen bewusst gewesen zu sein? Ich ließ ihn gewähren und genoss jede seiner Berührungen.
Wir wechselten den Raum, und hier sollte es erst richtig zur Sache gehen, wie ich schnell feststellte. Das, was bisher geschehen war, war vorsichtig und zärtlich gewesen, und ich hatte es sehr genossen. Nun packte er mich mit festem Griff und ging wesentlich forscher ran, was nicht heißen sollte, dass es schlechter war. Im Gegenteil, ich genoss es wie das bisherige auch. Jede seiner Berührungen versetzte mich mehr und mehr in Ekstase, bis ich schließlich aufhörte zu denken, die Welt um mich rum vergaß und ihn einfach nur machen ließ. Denn das, was er tat, tat er gut. Soviel konnte ich beurteilen...
Ich erfuhr nun am eigenen Leib, welche Kraft in ihm steckte. Hätte ich gar nicht gedacht, so auf den ersten Blick... Aber je länger das Spielchen ging, desto wilder wurde er. Dennoch behielt er eine gewisse Konzentration bei, so dass das Ganze nicht aus den Fugen geriet. Er holte alles aus sich heraus und ich begann seine Energie zu bewundern. Was für ein Mann!!
Schlussendlich waren wir beide k.o. Er lehnte sich zurück und sah mich an. Seinen Mund umspielte ein Lächeln und er schien äußerst glücklich und zufrieden zu sein. Mindestens ebenso glücklich war auch ich. Das, was wir getan hatten, war für mich in diesem Ausmaße eine Neuerfahrung gewesen. Und ich muss zugeben, ich hätte nichts gegen ein weiteres, und ein weiteres, und ein weiteres Mal...
Ich war immer noch ganz woanders mit den Gedanken, als er sich erhob, zum Kleiderschrank ging, und begann sich anzuziehen. Seine Ruhe und Gelassenheit, die er zuvor trotz der Power ausgestrahlt hatte, war verschwunden. Er schien nun in Eile, und ich erinnerte mich wieder an das Telefongespräch, welches er zuvor geführt hatte. 'Richtig, er war wohl verabredet.' Bevor er verschwand, den Raum, und kurz darauf auch die Wohnung verließ, warf er einen letzten sehnsüchtigen Blick auf mich. 'Halt! Warte! Bleib hier!', wollte ich ihm hinterher rufen, doch es war schon zu spät. Er war weg...
Je länger ich dalag und meinen Gedanken nachhing, kamen Zweifel über mich. 'Ist es normal solche Gefühle zu haben, für jemanden, den man zum ersten Mal gesehen hat? Und vor allem: Ist es normal, was ich gerade eben getan habe? Mich einem wildfremden Mann hinzugeben, von dem ich noch nicht mal den Namen weiß? Bin ich eigentlich normal?' Doch die Beantwortung dieser Frage wollte ich lieber vertagen. Darauf eine Antwort zu finden würde eindeutig den Zeitrahmen sprengen. Und für solche Überlegungen war ich im Moment einfach zu ausgepowert und überfordert.
'Und wie war sein Verhalten zu verstehen? Er nimmt mich einfach mit zu sich, ohne jegliche Erklärung und nichts, lässt mich warten, als sei es die normalste Sache der Welt, um dann Dinge mit mir anzustellen, woran ich beim besten Willen nicht gedacht hätte. Und dann verschwindet er ohne ein Wort und lässt mich allein??? Was war das nur für eine verrückte Welt?'
"Tja, daran musst du dich gewöhnen!", hörte ich eine Stimme aus einer Ecke des Raumes, die ich bisher nicht in Augenschein genommen hatte, und erschrak. "Entweder seine ganze Aufmerksamkeit liegt auf dir, du bist sein Ein und Alles, und er stellt die wildesten Dinge mit dir an. Oder er widmet sich anderen, für ihn ebenso wichtigen Dingen zu, und du musst darauf warten, bis er auf dich zurück kommt, er dich wieder braucht und nicht ohne dich kann. So lange musst du dich halt selbst beschäftigen... Ich weiß, es klingt jetzt sicherlich hart für dich, vor allem nach dem, was du gerade erlebt hast, aber so ist das Leben als Schlagzeugstock nun mal..."


(c) Simone (17/07/2002)

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.08.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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