Chris Werner

Brief an die Großmutter

Liebe Oma
Ich weiß, dass ich Dir eine Antwort schuldig bin und dieser Schuld werde ich jetzt auch nachkommen. Schriftlich.
Ich habe mir in letzter Zeit viel Gedanken gemacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich jetzt erst mal Zeit für mich brauche! Die Wunden sitzen einfach zu tief, als das ich jetzt einfach zurück könnte.
Als erstes möchte ich Dir aber für alles, was Du jemals für mich getan hast bedanken. Ich weiß, dass Du immer alles für mich getan hast und auch immer für mich da warst. Es tut mir so leid, dass ich es Dir nie persönlich sagen konnte. Ich möchte auch, dass Du weißt, das ich Dich unendlich lieb habe und das ich weiß, dass Du immer für mich da warst. Sei bitte aber auch nicht traurig, dass ich diesen Schritt tue, aber ich denke es ist das Beste für mich, aber vielleicht auch für uns.
Weißt Du, das Jahr 2006 hatte kein schöner Abschluss für mich. Er war sehr verletzend. Der Höhepunkt des Ganzen sozusagen. Vor allem aber war es unnötig, zumindest in meinen Augen. Es war grundlos.
Wir saßen ganz normal am Frühstückstisch und dann das? Was sollte das? Ich habe es ehrlich gesagt satt, immer als Versager der Familie dargestellt zu werden. Und das tat Opa schon oft. Er gab mir oft das Gefühl, dass ich nichts wert sei. So auch hier. Eigentlich war ich bis dato schon stolz darauf, was ich mir erarbeitet hatte. Selbst wenn es nicht viel ist, aber ich habe es alles selbst bezahlt. Ohne Schulden. Und ich glaube es gibt niemanden das Recht mir das verbal wegzunehmen. Es ist doch normal, dass ich nicht im Geld schwimme oder momentan viel besitze. Aber das was ich habe, dafür habe ich gearbeitet. Tag für Tag. Ich weiß, dass ich in der Vergangenheit nicht alles richtig gemacht habe, aber jeder macht Fehler. Manchmal auch zwei- oder dreimal. Aber es gehörte zu meiner persönlichen Entwicklung in meiner Richtung. Es ist trotzdem zuviel passiert, als das ich jetzt zurück will. Wie gesagt ich brauche jetzt erst mal eine Pause, Zeit für mich.
Ich weiß, dass ich Dich damit auch bestrafe, aber das will ich nicht. Es verletzt mich, wenn ich höre, das Du traurig bist. Und ich möchte nochmals sagen, dass ich diesen Schritt nicht wegen Dir tue.
Der Verlierer wird auch seinen Weg gehen und siegen. Dann wird er als Gewinner zurückkehren und Du kannst stolz sein. Ich möchte, dass Du stolz auf mich bist und sein kannst. Ich möchte, dass Du irgendwann allen sagen kannst, er hat es doch geschafft. Aus dem Verlierer wird der Gewinner.
Man gab mir oft das Gefühl, dass ich der Verlierer war.
Es wurde zwar oft gesagt, man unterstützt mich, aber was nützen mir leere Worte? Lieb gemeint, aber es half mir nichts.
Ein Beispiel: Als ich in meine neue Wohnung zog, sagte Dodo zu mir, dass sie mit mir zum Einkaufen fahren gehen wolle. Sie würde alles bezahlen. Letztendlich bekam ich 50 € zum Geburtstag.Es geht mir in keinster Weise um das Geld, es geht mir rein um die leeren Worte.
Ich weiß, dass ich nie Sorgen gehabt habe, ob genug essen da sei oder nicht. Dafür bin ich auch sehr dankbar, aber ich möchte das auch meinen Kindern bieten können. Dies kann ich aber nicht, wenn ich die ganze Zeit das Gefühl bekomme es eh nicht zu schaffen.
Ich denke ich bin schon auf dem richtigen Weg. Aber warum lässt man mich dann nicht laufen?
Ich weiß, dass Ihr nur das Beste wollt, aber die Art und Weise, in dem Fall von Opa, ist einfach der falsche Weg.
Wie würdest Du Dir den vorkommen, wenn man aus heiterem Himmel zu Dir kommen würde und dann sagen würde, ´Ist ja gut, dass Du alleine feierst, dann kannst Dir ja endlich Gedanken über dein Leben machen und was bisher alles falsch gelaufen ist!´ So war es wörtlich. Findest es nicht ein wenig hart? Also ich schon!
Wie schon gesagt, ich habe mir lange Gedanken über den Schritt gemacht und ich denke es ist vorläufig das Beste. Bitte sei nicht traurig und denke nicht, dass es einfach für mich sei. Ich bin genauso traurig und muss viel weinen.
Vielen Dank Oma für alles, was Du bis jetzt für mich getan hast und weiter hin tun wirst. 
 
Ich habe Dich lieb. Chris

 

P.s.: Ich würde mich freuen ab und zu was von Dir zu hören, denn ich brauche Dich auch. Bitte sei nicht allzu traurig über meine Entscheidung, sie ist ja NICHT für immer, sondern nur vorläufig.

 

 

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.01.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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