Renate Nottorf

Terrierismus und seine Folgen... - 1. Teil

 

Terrierismus und seine Folgen...


oder, ... die Schläfer in meinem Bett

 

 

Ich werfe meinen Sohn Utz im zarten Alter von 19 Jahren, an einer Raststätte bei Nacht und Nebel, in einen Schlafsack gewickelt, eine Playstation 5 im Arm, mit 7 Mega-Stereo-Boxen als Ballast an den Schuhsohlen, aus einem Heißluftballon über der Walachei in der Lüneburger Heide ab und für mich steht fest:es gibt ein Leben nach den Kindern und ich werde es in vollen Zügen, im Kino, oder im Wellneßcenter genießen. In Utz Schlafsack befinden sich als erste Notration neben 22 Salamipizzas, einer Kiste Malzbier light und 67 Bifis, auch 100 Rollen 9-lagiges Klopapier und 2 Flaschen Rohrreiniger zur Mund- und Genitalpflege. Ich tackere Utz vor seinem Abflug noch ein Schild auf die Stirn, auf dem steht:

Bei Mitnahme keine Garantie nach EU Recht und absoluter Gewährleistungsausschluß!!!!!!

Mein Mann Herbert, der Initiator dieser Aktion, läßt einen Furz in den Ballon ab und wir sehen beim Auftrieb durch die Kumuluswolken einen himmelblauen Ford Ka in die Bremsen steigen. Aus ihm klettert eine blauäugige, bebrillte Elfe mit meterlangen blonden Haaren, rosa Ballettschuhen an den zarten Füßchen und zwei Riesen-Möpsen, die Dolly Buster erblassen lassen. Das Wesen rollt den Schlafsack zusammen, befördert Utz mit einem Fußtritt in ihren Kofferraum und legt den Schlafsack auf den Beifahrersitz des Fahrzeugs. Vor Begeisterung, daß Utz so schnell eine liebevolle Betreuerin gefunden hat, lassen wir den Mineralwasserkorken knallen und teilen uns eine Dose Ochsenhoden in Erdbeergelee.

Wir werfen noch etwas Ballast ab in Form von 53 Paar Nike Turnschuhen, 34 Paar Dieseljeans, 13 Zahnspangen und Utz Geburtsurkunde. Total erleichtert fliegen wir in unser ruhiges, sauberes, mit vollem Kühlschrank bestücktes, schmutzwäschefreies Zuhause, um unsere kinderlose Zukunft zu planen.Wir lassen es uns genau 3 Jahre, 5 Monate und 4 Tage so richtig gut gehen, als eine Anzeige im Käse-Wochenblatt meine Aufmerksamkeit erregt.

Liebevoll erzogene, total gehorsame, nicht haarende, stubenreine und bei Bedarf als Putzfrau oder Altenpflegerin einzusetzende Jack-Russell-Terrierin kostenlos abzugeben. Als Zugabe wird bei sofortiger Abholung ein Wochenendhaus ab der Ostsee versprochen.

Wir lassen alles stehen und liegen. In einer Spontanaktion bewegen wir unsere Ärsche sofort in Richtung Reiterhof, um uns das Wochenendhaus nicht entgehen zu lassen. Besagte Terrierin würden wir notfalls bei uns aufnehmen, wenn es sich nicht umgehen läßt.

Besagte Terrierin öffnet uns in einer Zofenuniform die Haustür. Sie führt uns ins Wohnzimmer, wo auf der Couch ein gefesseltes und geknebeltes Ehepaar sitzt. Die Hündin stellt sich als Lilli vor und schiebt sodann eine Videocassette in den Recorder.

Wir bekommen eine Lilli zu sehen, die morgens den Herrschaften das Frühstück ans Bett bringt, die Schmutzwäsche wäscht, bügelt und in die Schränke sortiert. Die Hündin bereitet kleine leckere Mahlzeiten zu und spülte das Geschirr ab. Sie setzt sich auf die Kloschüssel und verrichtet ihre Geschäfte ohne Gassigehen.

Mein Mann Herbert und ich sind so schwer begeistert, daß wir fast vergessen, die Urkunde zur Überschreibung des Wochenendhauses mitzunehmen.

Lilli greift uns unter unsere arthrosegeschädigten Arme, führt uns zu unserem Fahrzeug und legt sich seelenruhig in den Radkasten des Kofferraumes.

Von sowas haben wir doch genau 3 Jahre, 5 Monate und 4 Tage geträumt.

Am nächsten morgen werde ich gegen 4:00 Uhr wach, weil ich irgendwie ein enges Gefühl in der Brust verspüre und schlecht atmen kann.

Ich öffne ein Auge und blicke in 2 rehbraune, fellumrandete Kirschenaugen.

Eine sich über Nacht gehäutete, falsche Schlange namens Lilli stubst mich seitlich aus meinem Bett und ich lande  zwischen einem altenTeddy und einer Quietscheente im Hundekörbchen. Die Terrieristin Lilli macht es sich neben meinem schnarchenden Ehemann auf dem Kopfkissen bequem und knurrt mich an, daß sie in ca. 45 minuten ein frisch zubereitetes Frühstück mit Rinderpansen erwartet.

Also, irgendwas läuft hier total falsch ab, denke ich noch, bevor ich im Hundekörbchen einschlafe und von 1 000 000 Knöchelchen als Halskette träume.

Das weiche Ziegenfell am Boden des Körbchens erinnert mich an die Flower-Power Hippyzeit der 70 er Jahre. Damals hatte ich einen Parka mit diesem Fell gefüttert und bei Regenwetter stank ich wie ein Iltis. Den

Geruch konnte man nur mit einem Joint überdecken, den ich natürlich nieee selbst gekifft habe, aber ich habe mich an Kiffer gekuschelt und deren Atem mit einem Strohhalm inhaliert.

Ich krame mir meinen Walkman aus dem Nachtschrank und begebe mich

zu Oldyklängen ins Erdgeschoß, um den Pansen und ein Frühstück für meinen Schnarchmann vorzubereiten.

Am Eßtisch sitzt schon wartend in einem Hochstuhl der Enkelinnen ein schwarzweißes Etwas, mit einem Häkellätzchen auf den Fellschultern, einer Wasserspistole in den Krallen und knurrt durch ein Kanibalengebiß: wird aber auch Zeit, wo bleibt mein Freßchen. Ein harter Wasserstrahl trifft direkt zwischen meine Augenbrauen in mein 3. Auge und ich total geschockt.

Ich knalle die Hacken zusammen, verbeuge mich so tief, daß ich mit meinen feuchten Augenbrauen den Boden feudeln kann und entschuldige mich bei der Terrieristin für mein verspätetes Eintreffen in der Küche.

Umgehend gelobe ich Besserung und verspreche Lilli, ab Morgen um Mitternacht aufzustehen, damit das feine Freßchen rechtzeitig bei Tisch ist.

 


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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.01.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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