Klaus-D. Heid

Der Scheidungsgrund

Liebe Britta!

Hattest Du vergessen, wie empfindlich ich für fremde Gerüche bin? Insofern ist es doch wohl kaum verwunderlich, dass ich den süßlichen Duft des Joop-Aftershave sofort als Indiz dafür sah, dass sich ein fremder Mann in unserem Haus aufgehalten hatte, oder? Und was ist mit dem klitschnassen Badehandtuch, das auf dem Wannenrand im Bad hing? Was ist mit den offensichtlichen Gebrauchsspuren an meinem Nassrasierer, obwohl ich doch – wie du weißt – seit über einem halben Jahr nur noch den Trockenrasierer nutze? Wie willst du mir eigentlich die kurzen schwarzen Haare erklären, die auf meinem Kopfkissen zu finden waren? Entspräche es nicht einem Mindestmaß an Diskretion, wenn Du wenigstens das Bett neu bezogen hättest, nachdem Du es schon mit diesem Kerl entehrt hast? Auf die ekelhaften weißlichen Flecken, die ich ebenfalls auf dem Bettlaken ausmachen konnte, möchte ich gar nicht näher eingehen! Ich denke, wie beide wissen ganz genau, dass es sich hierbei keineswegs um verkleckerte Joghurtreste handelte, oder? Gibt es eigentlich eine mental nachvollziehbare Antwort darauf, weshalb Du diesen Kerl mit meinem Wagen transportiert hast? Bei meinen empfindlichen Geruchsnerven werde ich nun monatelang daran erinnert werden, wer es sich in meinem Wagen bequem gemacht hat. Hätte ich die gleichen verräterischen Flecken, die ich ja schon im Bett ausgemacht hatte, auch im Wagen gefunden, müsstest Du jetzt wirklich mit ernsthaften Konsequenzen für unser weiteres Miteinander rechnen, Liebling! Um das ganze nun auf den Punkt zu bringen, möchte ich Dich bitten, aus Hygienegründen auf das Anbieten meines Rasierers zu verzichten. Des weiteren möchte ich Dir nahe legen, meinen Wagen nur in absoluten Notfällen zum transportieren Deiner Affären zu nutzen. Ich denke doch, dass diese kleinen Repressalien Deiner Freiheit keinen Abbruch tun werden? Solltest Du jedoch anderer Meinung sein, können wir gerne darüber diskutieren. Es steht Dir natürlich frei, eine eigene Meinung zu dieser Thematik zu haben, Schatz. Der letzte Punkt, den ich mit Dir besprechen wollte, ist der, dass Du wieder einmal vergessen hast, das gebrauchte Kondom zu entsorgen. Es entspricht wirklich nicht meinem Verständnis für Ordnung und Sauberkeit, wenn ich in meiner Nachttischschublade ein Kondom finde, dessen Inhalt sich auf wichtigen Unterlagen ausbreitet, die ich dort deponiert hatte. Auch in diesem Fall erwarte ich von Dir etwas mehr Sinn für Reinlichkeit. Es war also wirklich das allerletzte Mal, dass ich die Hinterlassenschaften Deiner Exkursion selbst beseitigt habe. Es kann ja wohl kaum angehen, dass ich eines Tages noch die gebrauchten Unterhosen diverser Kerle in meinem Wäscheschrank finde, Schatz! Siehst Du wenigstens ein, dass alles irgendwie seine Ordnung haben muss? Vielleicht wäre es ja hilfreich, wenn die Männer, die Du in unserem Haus empfängst, ihre eigenes Wasch- und Rasierzeug mitbringen könnten? Ich will Dir ja keineswegs übertriebene Vorschriften machen, Liebling; aber ein kleines bisschen mehr Verständnis erwarte ich schon von Dir. Der Umstand, dass wir seit acht Jahren geschieden sind, kann nämlich nicht alles entschuldigen, oder? Und dass unser Haus mittlerweile Dir alleine gehört, ist ebenfalls kein Grund, unordentlich zu werden. Wenn ich als beim nächsten Einbruch wieder feststelle, dass Du es mit der Ordnungsliebe nicht sonderlich ernst nimmst, werde ich Dich um ein persönliches Gespräch bitten müssen. Bis zu diesem – hoffentlich niemals stattfindenden Zeitpunkt – grüßt Dich ganz herzlich

Dein Ex-Mann Herbert

P.S.: Unter dem Bett fand ich ein paar benutzte Taschentücher. Räumst Du die bei Gelegenheit weg?

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Klaus-D. Heid).
Der Beitrag wurde von Klaus-D. Heid auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.08.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Klaus-D. Heid als Lieblingsautor markieren

Buch von Klaus-D. Heid:

cover

Sex für Aktionäre von Klaus-D. Heid



Na? Wie stehen die Aktien? Sind Aktionäre die besseren Liebhaber? Wie leben Aktionäre mit der Furcht vorm Crash im Bett? Diese und andere Fragen beantworten Klaus-D. Heid und der Cartoonist Karsten Schley.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Satire" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Klaus-D. Heid

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Abschiedsbrief von Klaus-D. Heid (Trauriges / Verzweiflung)
+ KREUZ + WEISE + von Siegfried Fischer (Satire)
Kinder spielen Politik von Norbert Wittke (Leben mit Kindern)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen