In vollem Galopp ritten die Elben
in die Phalanx der schwarzen Horden. Aus großer Entfernung flogen bereits die
Lanzen und rissen Löcher in die Reihen der Verteidiger, die sich aber schnell
schlossen. Der Meister erschuf kurzerhand neue Krieger und rief die Gefallenen
auf seine Seite.
Der Angriff verebbte so beinahe wirkungslos. Die Elben führten dann dasselbe
Manöver wie bei ihrem ersten Angriff durch und zogen sich dann wieder geordnet
zurück. Doch viele blieben auf der Strecke, wurden von den Pferden gerissen
oder erschlagen.
„So kommen wir nicht weiter“, stöhnte Opalauge. Er hatte einen Schnitt am
Oberschenkel abbekommen. Die Angriffe auf Mäx hatte die jetzt sehr lädierte
Rüstung abgefangen.
„Bringt mich zum Meister durch, dann erledige ich die Sache ein für alle Mal!
Die Macht seiner Diener wird mit ihm verfallen.“
Opalauge nickte matt und hob dann seinen Arm. Die Elben bereiten sich zum
nächsten Angriff vor, die Bogenschützen gaben ihnen wieder Deckung.
Dieses Mal machte sich Mäx gar nicht die Mühe in der Formation zu bleiben. Er
verlangte von seinem Pferd das absolute Maximum und lenkte es dann direkt in
die Feinde. Kurz bevor er die Phalanx traf, ließ er die Zügel fallen und
ergriff das Schwert mit beiden Händen. Gleichzeitig zog er die Beine an und
machte sich sprungbereit.
Das Pferd bockte und versuchte zur Seite auszuweichen, war jedoch zu schnell um
noch zu bremsen. Mehrere Klingen fuhren in seine Flanken und brachten es zu
Boden. Doch Mäx segelte über seine Feinde hinweg, die vergebens nach ihm hieben
und landete direkt vor dem Meister. Ihre Klingen kreuzten sich nur ein Mal
knirschend. Der Meister war durch diese Aktion selbst so überrascht, dass bei
seiner Verteidigung seine gesamte rechte Seite total offen lag. Das nutzte Mäx
aus und stieß ihm in einer S-förmigen Bewegung von oben dann das Schwert in
diese Seite. Der Meister taumelte und blutete. Selbst ein schnell gesprochener
Heilzauber schlug nicht an. Er sank auf die Knie und seine Waffe entglitt ihm.
Seine schwarzen Horden waren wie versteinert.
„Das ist die Rache für meine Krieger! Meine Brüder!“ Mit diesen Worten stieß
Mäx erneut zu und durchbohrte das Herz des Schattenmagiers. Dann stemmte er
seinen Fuß gegen die Brust und zog sein Schwert heraus, während der Körper
durch den Schwung von der Brücke fiel und auf der darunterliegenden Straße
zerschmettert wurde.
Im selben Moment verpufften seine Zauber und seine Armee wurde zu dem, was sie
war. Die Skelette zerfielen zu Staub und die gerufenen Gefallenen bekamen ihre
verdiente Ruhe. Scheppernd fielen überall die Waffen und Rüstungen zu Boden.
Erschöpft sackten die Ritter und Waffenknechte zusammen. Mäx erging es nicht
besser.
Bevor er sich aus dem Staub
machen konnte wurde Mäx mit allen Ehren in die Burg geführt. Die kärglichen
Reste der Ritter und Waffenknechte gaben ihm einen beachtlichen Empfang und
führten ihn ihrem Heermeister vor.
Selbst die Elben, ansonsten nicht gern gesehene Gäste, wurden trotz ihres
Widerstands vorgeführt. So standen bald Opalauge und Mäx vor dem König und dem
Lord, der die Verteidigung organisiert hatte.
„Wir wissen nicht wie wir es euch danken sollen. Ihr habt uns alle vor diesem
Monster gerettet. Zwar wurden viele Städte zerstört und unzählige Bürger und
Ritter erschlagen, die Ernten wurden verbrannt. Aber Getreide kann nun neu
gepflanzt werden und die Städte wieder aufgebaut. Nur würden wir gerne die
Namen und Titel unserer Retter erfahren.“
Mäx sah Opalauge fragend an. Dank des Helms hatten die Menschen sein Gesicht
noch nicht gesehen. Der Elbenfürst schüttelte den Kopf und ergriff dann das
Wort: „Es war selbstverständlich euch zu Hilfe zu eilen, da es uns ebenso
betroffen hätte. Wäre diese Bastion gefallen, hätte der Meister sich uns
zugewandt. Ich bin Opalauge, der Anführer dieser Expedition.“
„Wir sind Euch zu ewigen Dank verpflichtet, Herr Opalauge. Und Ihr, Ritter? Ihr
tragt unzählige Auszeichnungen und habt wieder einmal bewiesen, dass ihr alle
verdient habt.“
Mäx schluckte schwer. „Leider habe ich keinen dieser Orden verdient. Denn ich
bin nicht der, den ihr zu sehen glaubt. Ich trage vielleicht die Rüstung eines
hochrangigen Paladins, aber das werde ich nie sein. Denn ich bin ein Betrüger.“
Dann nahm er den Helm ab. Sofort zog der Lord sein Schwert. „Einer der
Angreifer! Packt ihn!“
„Halt!“, schritt Opalauge ein. „Er ist Mäx, General der Illusionsarmee. Er führte
zwar die ersten Angriffe auf eure Städte so erfolgreich an, aber er wurde von
seinen Brüdern verraten und verfolgt. Die, die ihm loyal geblieben sind, fielen
auf der Flucht oder sind vermisst. Er kam nicht aus dem Grund hier her euch zu
meucheln sondern um die Vernichtung seines Volkes zu verhindern. Als er sah
dass er versagt hatte, unternahm er alles um wenigstens euch zu retten. Ihr
habt selber gesehen wie er sich tapfer dem Feind entgegenstellte.“
„Das ändert nichts an der Tatsache dass er ein Feind ist!“, antwortete der
Lord. „Er wird am Galgen oder durch die Axt zu Tode kommen, daran könnt ihr
nichts ändern.“
„Ihr setzt den Frieden bereits wieder leichtfertig aufs Spiel, mein Herr“,
sagte Opalauge kühl. „Vergesst nicht dass meine Truppen noch draußen lagern.
Und ich sage, dass dieser
Feind mit
uns kommen wird. Ob es Euch nun passt oder nicht.“
Trotzdem schritten einige Ritter mit gezogenen Schwertern herbei. Daraufhin
spannten die Begleiter von Opalauge ihre Bogen.
„Es wird ein Blutbad geben wenn auch nur einer der Euren meinen Freund
anrührt“, drohte Opalauge und griff selber zum Schwert.
„Nun ist dieser Illusionskrieger auch noch euer Freund?“
„Ich stehe in seiner Schuld wie er in meiner“, fügte Mäx hinzu.
„Ruhe! Die Elben haben das Gastrecht hier, und wenn dieser Mann ihr Freund ist
genießt er dasselbe Recht. So steckt eure Waffen weg“, mischte sich schließlich
der König ein. Die Ritter zogen sich sofort zurück und auch der Lord steckte
dann zögernd seine Waffe wieder weg.
„Wir werden, um weitere Zusammenstöße zu verhindern, die Stadt sofort
verlassen“, sagte Opalauge und gab seinen Leuten dann einen Wink. Sofort
verließen sie die Hallen. Nur Mäx und Opalauge blieben zurück.
„Wir kehren in die Sicherheit des Waldes zurück und feiern dort unseren Sieg.
Und gedenken den Toten des heutigen Tages“, sagte Opalauge zu Mäx.
„Ich bin vielleicht schuldig, meine Herren, aber nun auch nur mehr sterblich.
So manchen Oger habe ich erschlagen, so manchen Gobelin enthauptet. Das alles
um euch zu retten. Da ihr mir meine Hilfe aber so dankt werde ich nie
zurückkehren und vergessen, dass ich heute euren Erzfeind erschlug als er
bereits beinahe euren Kopf in Händen hielt.“
Die nächsten Tage verbrachte Mäx
bei den Elben. Es waren erholsame Tage, mit vielen zurückhaltenden Festen und
vielen Begräbnissen. Es waren mehr Elben nicht mehr zurückgekehrt, als er
wahrgenommen hatte.
Das Artefakt, dessen Suche die Vernichtung des ganzen Volkes nach sich gezogen
hatte, war niemals im Besitz der Menschen gewesen. Zumindest nicht in den
letzten Jahren. Unzählige Tempel waren errichtet, und wie in Rosenburg als der
Artefakt sie verließ, versiegelt worden. Die wahren Besitzer waren die Elben,
die den mächtigen Stein in ihrer größten Tempelanlage eingemauert hatten.
Niemand wusste hinter welcher Mauer der Stein verborgen war. Die Baumeister
hatten nach getaner Arbeit ihre Aufzeichnungen vernichtet und dann den Tod gewählt.
Unzählige Späher hatten die Wälder durchsucht und schließlich den
zerschmetterten Körper von Knick gefunden. Der Oger hatte ihn gegen einen Baum
geschleudert und getötet. Doch statt ihn zu begraben hatten die Elben ihn in
einen Lichtschrein gebracht und ihm diesen Schrein gestiftet. Als Krieger mit
reinem Herzen wurde er dort verehrt, einbalsamiert um die Ewigkeit zu
überdauern.
Die Spuren der namenlosen Späherin verloren sich irgendwo im Wald. Vom einen
Moment auf den anderen endeten sie. Vielleicht war sie dem Zauberspruch des
Meisters zum Opfer gefallen, vielleicht auch nur verschwunden. Ein Geheimnis,
dass nie gelüftet werden würde.
Somit war Mäx der letzte einer einst mächtigen und stolzen Rasse von Kriegern.
Mäx verlor nie die Hoffnung und
zog danach jahrelang durch alle Lande auf der Suche nach einem Fünkchen
Hoffnung. Vielleicht war die Späherin doch der dunklen Magie entgangen und
versteckte sich irgendwo.
Der General, mittlerweile etwas ergraut, folgte jeder auch nur so kleinen Spur.
Die meisten Hinweise waren jedoch falsch, der Versuch schnell Gold zu machen.
Mäx bezahlte seine Informanten gut, tötete aber auch die, die ihn belogen.
Als er schließlich fast die Hoffnung verloren hatte, gab ihm überraschend ein
Betrunkener in einer billigen Kneipe einen
sehr preisgünstigen Hinweis. In den Bergen würde es einen Schatten geben, der
alle Wanderer von einer bestimmten Höhle fernhalten würde. Beschrieben wurde
der Schatten als Frau, die sehr geschickt im Umgang mit der Waffe sei und aus
dem Nichts auftauchen könne.
Mäx rüstete erneut aus und begann dann die beschwerliche Reise zu dem
beschriebenen Gebiet. Die Straßen waren schlecht und wimmelten von
Wegelagerern, die sich jedoch aus gutem Grund von ihm fernhielten. Sein Ruf
eilte Mäx schon lange voraus.
Nach vier Tagen und Nächten erreichte er dann erschöpft die Höhle ohne auf
Widerstand gestoßen zu sein.
Mit blankem Schwert und einer Fackel betrat er dann die dunkle Höhle. Sie war
eindeutig bewohnt, denn die Fackeln, die nach einem Knick alle paar Meter an
den Wänden hingen, waren ganz frisch. In einem Alkoven fand er dann ein Kissen
und eine Decke, in einem anderen Alkoven lagen Kleider und Waffen. Ein Feuer
knisterte und darüber brodelte eine Suppe.
„Hast du mich endlich gefunden?“ hörte Mäx schließlich die bekannte Stimme aus
dem Schatten. Langsam drehte er sich um, konnte die Quelle jedoch zuerst nicht
ausmachen bis er einen Schatten an der Wand sah.
„Du hast es mir ja schwer genug gemacht.“
„Lange dachte ich alles wäre verloren, nur ich wäre entkommen. Als ich dann die
Gerüchte hörte von dem Letzten, der suchend durch alle Lande zieht, wusste ich
sofort, dass du es sein musst. Denn Knick hätte niemals so viel auf sich
genommen.“
„Knick hat den damaligen Tag nicht überlebt. Jetzt ist er Wallfahrtsstätte für
die Elben geworden. Der Krieger mit dem reinen Herzen. Meinem Herzen“,
antwortete Mäx leise. „Er trägt noch immer mein Herz in der Brust.“
„Und in deiner schlägt eines aus Stahl. Doch perfekt geschaffen für einen
harten Krieger wie dich. Mäx, General der Verdammten. Gestürzt von einem
untalentierten Tropf, der sein Blut gab um sein Volk auszulöschen. Welch Ironie.“
„Es wundert mich, dass du noch das Zwielicht nutzen kannst. Ich habe die Gabe
verloren, bin nur noch normal sterblich.“
„Ach“, spottete die Späherin. „Da wird der Meister aber enttäuscht sein wenn
ich ihm das stählerne Herz eines Normalsterblichen bringe.“
„Wovon sprichst du? Der Meister ist besiegt, ich selbst habe sein Herz
durchstoßen und seinen Körper zerschmettert.“
„Ein anderer ist an seinen Platz getreten und hat die Fäden lang genug aus dem
Dunkel heraus gezogen. Nun ist es an der Zeit zurückzukehren. Nur dafür braucht
er noch etwas.“
Mäx fühlte sich nicht mehr wohl hier drin. Die Schatten wirkten plötzlich
länger, die Dunkelheit schien zu wachsen.
„Um meine Ehre zurückzubekommen und an seiner Seite zu sein bin ich gekommen.
Es war schwierig genug die Spuren ausreichend zu legen. Dich hier her zu
locken“, kicherte die Späherin.
„Wir sind vom selben Blut, die letzten von unserem Blut. Willst du die letzte
Chance unser Volk zu erhalten gegen deine Ehre eintauschen?“ fragte Mäx
verzweifelt und drehte sich langsam um die eigenen Achse, das Schwert halb
erhoben.
„Ein bereits totes Volk erhalten? Das kläglich geschlagen wurde“, vernahm Mäx
plötzlich die Stimme in seinem Ohr. „Wofür?“
Eine Klinge legte sich kalt an seinen Hals. „Wofür?“ flüsterte die Späherin und
zog die Klinge dann durch. Mäx bekam keine Luft mehr und sank in die Knie.
„Dein Herz ist meine Ehre. Wenigstens einer von uns allen soll mit Ehre sterben
wenn seine Zeit gekommen ist. Dich wird man aber vergessen, wie alle anderen
auch.“ Die Stimme sprach zwar weiter, aber sie wurde immer leiser und leiser.
Die Dunkelheit nahm ihren Platz ein und das stählerne Herz blieb schließlich
stehen.