Germaine Adelt

Gefälligkeiten

            Der Sonnenhut stand ihr nicht, so wie ihr vieles nicht stand. Aber es interessierte sie wenig, was man über ihren Geschmack sagte. Sie vertrat die Meinung, ihn einfach zu haben. Allerdings war es wohl eher das Bedürfnis, immer auf dem neuesten Stand zu sein, was die Mode betraf. Ob nun Stringtanga oder Caprihose und völlig egal, ob übergewichtig oder nicht.

            Manchmal tat sie mir direkt ein wenig leid. Obwohl man sonst an jedem Menschen etwas Schönes, Begehrenswertes finden konnte, war das bei ihr nicht der Fall. Ihre kleinen Schweinsaugen mit dem ewig unsteten Blick, der viel zu groß geratene Mund, der nicht einmal ansatzweise an Julia Roberts erinnerte, sondern nur noch abschreckend war. Oder die viel zu kurz geschnittenen Haare, die ihre Fettröllchen am Nacken eher zur Geltung brachten, als sie zu kaschieren. Und es war fast so, als würde alles nur noch schlimmer, je mehr sie sich bemühte, Schönheit zu kaufen.

            Was Männer betraf, lagen diese ihr nicht gerade zu Füßen. Aber sie war reich, unermesslich reich. Wenn Geld ins Spiel kam, waren die meisten der Männer dann doch plötzlich begeistert von ihr. Notfalls kaufte sie sich den einen oder anderen als Liebhaber.

            Bis diese dann ihren Blick auf mich richteten, ihre Assistentin. Mich widerten diese Typen an, die nicht den Schneid hatten, sich von ihr zu trennen. Die ihr doppeltes Spiel spielten und am liebsten beides haben wollten. Sie als Geldgeberin, mich als Geliebte. Am widerlichsten waren die, die dann beim Versuch mich zu betören, nicht aufhörten über sie herzuziehen. Sie eine fette, hässliche Sau nannten oder gar Schlimmeres.

            Zugegeben, Isabelle und ich waren nicht gerade Busenfreundinnen, obwohl sie es ganz gern so gehabt hätte. Ich jedoch mochte ihre naive Art nicht besonders, und mit herausragender Intelligenz war sie auch nicht gerade ausgestattet. Aber letztlich war sie mir völlig egal. Eine Tatsache, die die meisten dazu verführte, nicht aufzuhören sie in meiner Gegenwart mit Schimpfwörtern zu belegen, da alle davon ausgingen, ich erfreue mich daran. Aber in meinen Augen hatte jeder einen gewissen Respekt verdient. Auch sie.

            „Und?“, fragte sie. „Steht mir der?“

            „Warum fragst du mich? Du hörst ja doch nicht auf mich.“

            „Stimmt auch wieder.“ Dann wandte sie sich an eine der Verkäuferinnen. „Den nehme ich. Den da hinten auch.“

             „Welchen? Den roten oder den burgunderfarbenen?“

             „Beide! Packen Sie sie gleich ein. Ich habe es eilig.“

 

            Sie räusperte sich und fragte mich mit leiser Stimme. „Hat Richard sich bei dir gemeldet?“

            „Ja, klar.“

            „Der muss weg“, bemerkte sie knapp. „Ich ertrage das nicht mehr. Habt ihr beide auch ...?“

            „Sehe ich so aus?“

            „Natürlich nicht. Entschuldige. Aber er würde wohl ganz gern ... du weißt schon.“

            „Sicher, würde er sich sonst mit mir verabreden wollen?“

            „Soll ich davon wissen?“

            „Natürlich nicht.“

            „Und, was hatte er für Ausdrücke für mich?“

            „Geht so, diesmal nur ‚die Alte‘.“

            Sie seufzte leise und sah noch einmal in den Spiegel. Es war als würde ihr endgültig bewusst, dass nichts und niemand ihr Schönheit bringen konnte.

            „Wie viel?“, fragte sie.

            „Ich mag nicht mehr“, stöhnte ich. „Mir gehen schon langsam die Ideen aus.“

            „Einhundert wie immer?“, beharrte sie.

            „Isabelle, bitte. Hör mir doch zu. Ich will nicht mehr.“

            „Ist dir das Risiko zu groß?“

            „Nein, das ist es nicht. Man müsste sich schon äußerst dumm anstellen. Ich bin es einfach grundsätzlich leid, mich mit diesen Typen abzugeben.“

            „Okay, zweihundert.“

            „Hörst du nicht? Ich will nicht. Richard ist ein mieser Typ.“

            „Bitte, Lea, mir zu liebe“, bettelte sie. „Eine viertel Million, im Voraus. Einverstanden?“

            „Na gut“, seufzte ich. „dir zuliebe. Aber such dir beim nächsten Mal die Typen sorgfältiger aus.“

            „Mach ich“, flötete sie und beschloss ganz spontan, den Einkauf auf Schuhe auszudehnen.

 

            Die roten, hochhackigen Pumps, die sie anprobierte, passten so gar nicht zu ihren kurzen, dicken Beinen. Aber sie hörte ja doch nicht auf mich. Sollten sich doch die Verkäuferinnen damit abgeben.

            Meine Gedanken waren sowieso woanders. Dass die Liebhaber von Isabelle so oft verunglückten, war vielleicht noch ein Fluch des unermesslichen Reichtums. Dass sie sich aber neuerdings immer das Leben nahmen, nachdem sie von ihr verlassen wurden, fiel langsam auf.   

            Ich musste irgendwie meine Strategie ändern.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.02.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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