Marlene Wolfback

Long hard road out of hell

In der Schule war er nie sonderlich beliebt gewesen. Nun war er Anfang 30 und alles was er sich wünschte, war eine liebe Frau und vielleicht noch ein guter Kumpel. Bald stellte er fest, dass beides zusammen doch nicht so funktionierte, wie er sich in seinen Träumen ausgemalt hatte. Die Frau betrog ihn mit dem besten Kumpel. Lange schaute er diesem hinterhältigen Spiel zu. Nur einmal erwischte er sie zusammen im Bett. Er konnte das nicht verkraften. Er zwang sie dazu sich anzuketten und schoss beiden in den Kopf. Es war eine feige Tat aber er konnte gar nicht anders.
Auch jetzt, nach ein paar Jahren bereute er dies nicht. Was hatte er damals für eine Wut in sich. Er überlegte sogar, sich selbst auch eine Kugel in den Kopf zu jagen. Später bereute er, dass er es nicht übers Herz gebracht hatte. Aber man macht sich eh viel zu viele Gedanken wenn man erst einmal im Knast sitzt. Der Richter war bei der Verhandlung nicht gnädig zu ihm. Aber das hatte er auch nicht verdient. Letztendlich legte er sogar das Geständnis ab. Leugnen hätte nichts gebracht.
Er saß oft stundenlang in seiner Zelle und überlegte, wie er am besten fliehen hätte können. Er arbeitete in der Wäscherei. Trotzdem sah er keine Chance von dort wegzukommen. Während der Arbeit wurde er von Wärtern bewacht, außerdem kam nicht, wie in anderen Gefängnissen, ein Auto das dreckige Wäsche abholte. In DIESEM Gefängnis wurde noch alles selbst gewaschen. Es war ausweglos. Warum hatte er sich das bloß alles eingebrockt? Hätte er die Beiden nicht einfach ihr Ding machen lassen können? Der Knast war die Hölle das wusste er vorher schon. Aber dass es so schlimm sein könnte, hätte er nicht gedacht.
Auch hier war er nicht beliebt. Ständig bekam er Ärger mit Wärtern oder Inhaftierten. Dabei versuchte er nicht aufzufallen und er tat alles was man ihm sagte. Warum wusste er nicht. Er war sogar schon ein paar Mal auf der Krankenstation. Nase gebrochen, Platzwunden die genäht werden mussten.schmerzhafte Kleinigkeiten. Krankenstation, Moment.

-
"Na du Penner hast du schon wieder ne Tracht Prügel bekommen? Sieht nicht gut aus, dein ."
-

Nun rannte er seit fast einer halben Stunde. Wieso musste das Gefängnis nur so weit abseits sein? Er hatte den Krankenpfleger nieder geschlagen und konnte sich durch einen Schacht befreien. Dass er durch die Kanalisation des ganzen Traktes musste störte ihn wenig. Er hatte sich ein paar Mal übergeben, Ratten strichen seinen Körper, einige versuchten auch auf ihn zu klettern, aber wenn er es schaffen würde, wäre er frei.
Irgendwo auf einer kleinen Waldstraße kam er wieder aus der Unterwelt ans Tageslicht-. Stinkend und dreckig. Jetzt war es nicht mehr weit! Er ging nicht auf dem Weg, aber einer Lichtung entlang. Dass er sich dafür eine Platzwunde am Kinn eingehandelt hatte, störte ich wenig. ,War ganz einfach' dachte er sich im Nachhinein. Aber das was er jetzt durchmachte war eine Qual. Andauernd hörte er Schritte, Autos, Stimmen. Manchmal drehte er sich um, einfach nur um sich zu vergewissern das niemand hinter ihm war.
Rechts! Da war etwas! Leise kroch er in einen Graben der sich an der Lichtung gebildet hatte. Hier fiel er nicht auf. Dreckig war er sowieso. Und der Gestank der ihn umgab könnte auch aus dem Graben sein. Vorsichtig sah er über den Hügel. Wieder raschelte es in den Büschen! Er schloss die Augen. 'Alles umsonst....alles....sie sind hier...sie kriegen mich...' seine Nerven waren am Ende. Er öffnete die Augen wieder und sah nach oben. Plötzlich raschelte es noch einmal, Äste knacksten, etwas kam näher und.....ein Reh rannte schnell an ihm vorbei in den Wald. "Du hast mich ganz schön verarscht!" lächelte er erleichtert. Er war sich nun sicher das kein Wächter in der Nähe war, also kam er aus seinem Versteck und ging weiter. Seine gedanken machten ihm übel zu schaffen. 'Was wenn alles umsonst ist. Was, wenn ich ankomme und sie warten mit ihren Streifenwagen auf mich. Was wenn...' In der Ferne hörte er in diesem Moment einen Hubschrauber. 'Der ist noch ein ganzes Stück weg.' Trotzdem verließ die Lichtung. Er ging im Schutz des Unterholzes weiter. Nach einer Weile war es geschafft. Endlich....Häuser!
Wo er jetzt hin sollte wusste er nicht. Seine Wohnung wurde einfach so verkauft, mit allem drum und dran. Alles was er sich damals hatte leisten können war futsch. Freunde hatte er auch nicht mehr. Die wenigen die er durch seine Frau kennen lernte, verabscheuten ihn jetzt. Vielleicht konnte er unbemerkt in ein anderes Land gehen. Dort eine neue Existenz aufbauen. Er war von den vielen Jahren im Knast zwar gekennzeichnet, aber so ist das wenn man durch die Hölle geht. Es würde noch lange dauern, der Vergangenheit endgültig davonzulaufen. Vielleicht würde er es schaffen, vielleicht auch nicht.

-
"Und wie geht es weiter?"
"Tja nach 6 Jahren - Gott sie haben mich lange gesucht - bin ich wieder hier. Ich war so dumm ein Geschäft zu eröffnen. Mit einem meiner neuen Freunde zusammen. Wie konnte ich!? Ich war ja nur Teilhaber aber eines Tages kam ein Polizist in unseren Lade, da wusste ich, dass es vorbei war.
Warum konnten sie mich nicht einfach gehen lassen? Es wäre niemanden aufgefallen, hätte sie sogar entlastet. Nein sie fingen mich ein und brachten mich wieder her."
"Du meinst, DU bist der Entflohene?"
"Der bin ich, ich habe es einmal geschafft hier raus zu gelangen und ich werde es wieder schaffen das schwöre ich euch!"
-

Und er hatte es wieder geschafft. Auf die gleiche Art, unter den gleichen Ängsten stehend. Diesmal hatte sich seine Spur irgendwann verloren. Keiner suchte mehr nach ihm.
Es war ein langer harter Weg aus der Hölle. Es war nie einfach. Er lebte arm, sein ganzes Leben lang, aber diesmal war er wirklich frei. Die Freiheit war von diesem Zeitpunkt an sein größter Reichtum.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.08.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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