Bruno Rosetti

Heute bekomm ich Besuch von Maria !

Pochende Kopfschmerzen als ich die Augen aufschlage, die Zimmerleuchte, stoss- und bruchsicher
unter Panzerglas in die Decke eingelassen, brennt schon, also ist 7 Uhr durch, um 7 Uhr schalten sie
die Beleuchtung ein, jeden Tag, 7 mal in der Woche.
2 Stockbetten in dem 20 m² grossen Raum in der Mitte ein Sperrholztisch mit 4 Stühlen,
auf dem Tisch überfüllte Aschenbecher, Kaffeetassen, Spielkarten.
In die schmalen Wandseiten eingelassene Kleiderspinde, neben der massiven Zimmertür ein Vorhang,
dahinter die Kloschüssel, schräg gegenüber das Waschbecken mit Metallspiegel.
Alles ist genau konzipiert, die Einrichtung möglichst glatt und fugenlos, für die zwangsweise
Unterbringung von Menschen über einen gewissen Zeitraum hinweg.

Ich drehe vorsichtig den Kopf und blicke Richtung Fenster, mattes Licht fällt herein, vor dem Fenster
Gitter und davor noch eine Metalllochblende , der Tag kommt nicht mal in Streifen, er kommt in kleinen
Strahlenbündeln herein.....und den Himmel sieht man nicht.
Ich versuche hochzukommen, ich muss zur Tür, gleich ist Aufschluss, der Beamte hat die Morgenmedikamente dabei, wecken tut er niemand, wer nicht fragt, bekommt nichts.

Unter mir schnarcht noch Sven, ein 25jähriger Drogi, der Körper mit Narben und Tätowierungen
bedeckt , seit seinem 13. Lebensjahr i.v.Heroinabhängig , schon unzählige bewachte Aufenthalte,
jedes Mal mit Entzug und anschliessender Therapie jedes Mal wieder rückfällig, klaut und handelt mit
BTM, der Useralltag ist teuer, 200-500 Euro pro Tag, woher nehmen?..also stehlen heisst das Motto.

Das andere Stockbett ist oben leer, unten liegt Michail, ein Deutsch-Russe, spricht aber kein Wort deutsch,
singt den ganzen Tag, schreit nachts in Alpträumen, war angeblich beim Tschetschenienkrieg mit dabei,
hat Augen wie schwarze Perlen , die durch alles hindurchschauen, so meint man.

Schlüssel klirren draussen auf dem Gang, einer wird ins Schloss gesteckt...dreht sich, einmal, zweimal..
die Tür schwingt auf, es ist der dicke Beamte, der einen gerne spüren lässt, wo man ist, der einen duzt,
der lange nicht kommt, wenn man nach einer Kopfschmerztablette klingelt...ich sage "Guten Morgen",
er lächelt, reicht mir das Schälchen mit der Tablette und kippt es kurz bevor ich es erreiche...mein
leichtes Beruhigungsmittel, vom Arzt auf anraten der Psychologin verschrieben, weil ich heute Besuch
bekomme, weil Maria heute kommt, weil ich unruhig bin, weil sie was besprechen will...jetzt suche ich die
Tablette zwischen den Staubflocken auf dem Boden. Ohne ein Wort der Entschuldigung geht der Beamte
weiter, zur nächsten Zelle, zur nächsten Gemeinheit.
 
Mein Name ist Hans Hart, ich bin 35 Jahre alt, verheiratet, 3 Kinder.
Ich sitze seit 3 Wochen in der Justizvollzugsanstalt Überlang in Strafhaft.
Mein Vergehen: Vor zwei Jahren wurde ich wegen Steuerhinterziehung zu 2 Jahren mit Bewährung
verurteilt. Aktienboom ohne Ende, kaufen- verkaufen , es lief so gut, neue Wohnung, schneller
Sportwagen, Schmuck für Maria, wen interessierte die Steuererklärung.....die Bank wurde kontrolliert,
Kontrollmitteilung an das Finanzamt, ich fühlte mich immer noch wie der König, die Möglichkeit zur
Selbstanzeige habe ich grosszügig übersehen, es kam zur Verhandlung......peng.
Aber die Strafe war auf Bewährung, die Schulden konnte ich nach und nach bezahlen, wir fuhren sogar
noch nach Südfrankreich in den Ferien, die ganze Familie.
 
Dann ging es Schlag auf Schlag. Ein guter Freund kam vorbei, selbständiger Kaufmann, ein sicheres
Geschäft war am platzen, er brauchte nur eine Unterschrift, die kam von mir, dann noch eine, ich war
plötzlich Eigentümer einiger Eigentumswohnungen, bezahlen musste ich nichts, sie gehörten mir ja
auch nicht wirklich, aber irgendjemand hatte wohl doch Geld verdient, denn 2 Wochen später bekam
ich eine Vorladung von der Polizei, anschliessend gabs noch eine Hausdurchsuchung.
Ergebnis : Sie fanden Kopien der Verträge, ich versuchte zu erklären, mein Anwalt runzelte die Stirn,
als ich mit ihm sprach >..das kriegen wir schon hin..< sprachs und verschwand in den wohlverdienten
Urlaub....

Nach einem Monat bekam ich Post, von der Staatsanwaltschaft,..> ..widerrufen wir hiermit ihre
Bewährungsstrafe...haben Sie sich am ....in der JVA Überlang einzufinden...<, ein Blick auf den
Kalender, meinGott, in einer Woche, Panik, Telefonate mit dem Anwalt, Vorwürfe von Maria, es half
nichts, jetzt sitz ich hier, seit 3 Wochen, neue Erfahrungen, auf die ich gerne verzichtet hätte.

Heute Mittag kommt Maria zu Besuch, sie bringt nur den Kleinsten mit , der ist erst 6 Monate alt,
die anderen zwei sind schon zu alt, sie würden die Situation erkennen, Maria will das nicht, ich auch nicht,
...Mann, Mann wie ich sie vermisse, sie will was besprechen, ich bin sehr nervös, bad feelings...
 
Vor 2 Tagen hatte ich einen Traum: Maria, die Jungs und ich fuhren mit dem Boot raus auf den See, es
kam eine Windböe, wir fielen ins Wasser, ich half Maria und den Jungs ins Boot zurück, ich bin ein guter
Schwimmer...und plötzlich als auch ich zurück wollte spürte ich den Sog, es zog mich unter Wasser,
ich schaute nach oben, Maria und die Kids beobachteten mich, stumm, die Hände im Schoss gefaltet,
dann war ich weg, spürte Boden unter den Füssen, die Luft wurde knapp, ich blickte nach unten, suchte
meine Füsse, sie steckten in einem Felsblock, waren ganz darin verschwunden, ich drehte mich , zog
meine Lungen explodierten, zu spät...........................schweissüberströmt schreckte ich hoch, ein Traum,
nur ein Traum.

Heute kommt Maria, sie will etwas besprechen,....... ich liebe sie, ich habe Angst.........





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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.02.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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