Julia Spelter

Das Leben einer 18-jährigen

Es ist 10:00 morgens, Julia wacht auf. Allein in diesem großen Haus, neben
sich nicht ihr Freund, nein, nur seine Bettdecke und sonst nichts.
Ihr Freund, Dirk, ist schon lange auf der Arbeit. Um 7:30Uhr geht es bei ihm
schon immer los.
Sie erinnert sich an den gestrigen Abend... er kam nach Hause, war
eigentlich zu nichts zu gebrauchen, denn die Geburtstagsfete seiner Arbeitskollegin am
Montag hatte ihn zu sehr geschlaucht, zu wenig Schlaf hatte er in der Nacht
bekommen, und doch musste er wieder frühst zur Arbeit.
Heute ist Mittwoch, der 7. August 2002.
Julia sitzt, wie jeden Morgen, vor dem Computer und langweilt sich, schreibt
ihre Gedanken auf.
Erst am Nachmittag kommt ihr Freund wieder, so gegen 17:00Uhr. Bis dahin
muss sie ihre Zeit vertreiben.
Und das ist ne verdammt lange Zeit.
Gestern hatte sie es satt, den ganzen Tag in der Bude rumzuhocken, es wurde
ihr immer unheimlicher.
Es schien ihr, als ob das Haus leben würde, so viele undefinierbare
Geräusche gab es von sich. Der Wind striff an den Bäumen im Hof vorbei, die Katze
versuchte die Tür zu öffnen.
Sie traute sich kaum noch alleine ins Erdgeschoss zu gehen...dieses alte
Haus erinnerte sie immer an irgendwelche Gruselfilme, sie hatte schon fast
Warnvorstellungen.
Ging sie die Treppe herunter, so dachte sie immer irgendwelche Leichen
würden unten im Flur hängen. Auch im Bad erging es ihr nicht besser. Trat sie in
dieses ein und sah auf den Spiegel an der Tür, die von alleine zuging, so
dachte sie jeden Moment eine Blutlache in der Dusche zu erblicken.
Sie war unausgelastet, konnte wegen ihres Gipses, den sie hatte, weil sie
sich beim Fußballspielen den Fuß gebrochen hatte, sich nicht sportlich
betätigen. Ihr fiel förmlich die Decke auf den Kopf.
Am Montag endlich hat sie den Gips offiziell in die Ecke stellen dürfen.
Sie wollte irgendetwas tun, schlug ihrem Freund vor, inline-skaten zu gehen,
da dies eins seiner "Hobbies" war.
Sie hatte extra zuvor ihre Skates mit zu ihm genommen, die lange Reise mit
der Bahn.
Nunja, er war nicht sonderlich begeistert, stimmte aber nach einigen
Überredungsversuchen zu und so fuhren sie in ein abgelegenes Dorf und fuhren
gemeinsam mit ihren Inlinern.
Es tat ihr gut, sich zu bewegen.
Endlich war sie nach der langen Zeit wieder an der frischen Luft.
Vorher hatten sie kurz etwas eingekauft, wollten abends gemeinsam
kochen...Nein, er wollte mit ihr kochen, sie wurde nicht gefragt.
Als sie dann wieder zu Hause ankamen holte sie schnell das Rezept ihrer
Mutter für die Tomatensauce heraus und sie kochten.
Ihre Mutter.....Ihre Eltern, das war auch ein Thema für sich.
Diese akzeptierten ihren Freund, Dirk, nicht.
Immer wieder hatte sie sie belogen, gesagt, sie würde am Wochenende bei
Freunden übernachten, zeltete aber immer wieder mit ihrem Freund in einem
abgelegenen Dörfchen.
Warum ihre Eltern ihn nicht akzeptierten?
Das ist nicht schwer zu beantworten.
Sie war gerade mal 16, als sie sich kennenlernten, er bereits 33.
Außerdem ist er bereits einmal geschieden und in der zweiten Ehe noch nicht
getrennt.
Auch zwei Söhne hat er, den ersten mit seiner geschiedenen Frau, den zweiten
mit seiner "Noch"-Ehefrau.
Und dann war da noch die Entfernung.
Sie wohnt bei ihren Eltern in Nordrhein-Westfalen, er in Thüringen.
Ca. 400km mit dem Zug trennen sie voneinander.
Oft sehen konnten sie sich auch nicht, erst als sie 17 war haben sie sich
das erste Mal getroffen, dann etwa noch zwei oder dreimal, und dann kam eine
lange Pause.
Sie trennten sich mehr oder weniger voneinander, sie hatte immer wieder mal
irgendwelche Freunde in ihrer Stadt, er auch eine Freundin bei sich.
Jedoch brach der Kontakt nie ab, sie telefonierten immer wieder.
Und dann, eines Tages, war es so weit. Sie hielt es nciht mehr aus, sie
leihte sich Geld, fuhr zum Reisebüro und holte sich ein Zugticket nach Eisenach.
Sie verließ die Schule früher, reiste ab, ohne jemandem davon zu sagen.
Wie sie später erfuhr war ihr Freund davon nicht so begeistert, hatte es
geahnt, dass da noch einiges an Problemen auf sie zukommen würde.
Doch er dachte sich, wenn sie jetzt nicht von ihm aufgefangen wird, von wem
dann.
Also holte er sie vom Bahnhof ab und nahm sie mit nach Hause.
Das war ein schönes Wochenende für Beide, doch die Zeit danach brachte nur
Probleme.
Julia wurde von ihren Eltern zu Hause rausgeschmissen, kam vorübergehend bei
einem Freund unter.
An dem Wochenende, wo sie bei Dirk war, hatte sie ihr Mokick am Bahnhof
stehen lassen, sie hatte niemanden gefunden, der sie mit dem Auto dahin hätte
bringen können.
Und als sie wiederkam war es verschwunden.
Ein Fahrrad hatte sie auch nicht, musste sich also eins leihen.
Wie das Schicksal es aber wollte fuhr ihr ein älterer Herr mit seinem
Fahrrad darein und sie hatte eine riesen Acht im Vorderreifen, unmöglich damit noch
weiterzufahren. Beim Jugendamt erreichte sie auch nicht viel.
Von ihren Eltern hatte sie kein Geld bekommen, und sie konnte ja auch nicht
ewig bei ihrem Freund wohnen.
Ebenso stand auch ihre theoretische Führerscheinprüfung an, die auch Geld
kostete.
Angemeldet war sie schon, und es führte kein Weg zurück.
Dann suchte sie ihre Eltern auf, wollte etwas Geld haben, Geld, das
eigentlich sowieso ihr gehörte und nur von ihnen verwaltet wurde.
Sie überzwugte ihre Eltern und bekam erst einmal etwas Geld für den
restlichen Monat und auch das benötigte Geld für die Führerscheinprüfung.
Früh morgens musste sie dafür aufstehen, hatte sich am vorigen Abend
überreden lassen, sich ein Schlückchen zu genehmigen und kaum geschlafen in der
Nacht.
Sie setzte sich in den Bus und fuhr zu ihrer Fahrschule in der Nachbarstadt.
Völlig aufgeregt war sie, hatte die Fragebögen kaum angesehen, geschweige
denn sich damit beschäftigt.
Sie erinnerte sich an ihre letzte Prüfung, vor 2 Jahren, als sie den
Motorrad-Führerschein gemacht hat. Sie fiel durch, zu viele Fehlerpunkte.
Das durfte ihr dieses Mal nicht passieren, denn das hätte zuviel Geld
gekostet, Geld, dass sie nun nicht mehr besaß.
Aber zu ihrem Glück verlief alles reibungslos und sie bestand.
Später einigte sie sich doch wieder mit ihren Eltern, konnte unter gewissen
Voraussetzungen wieder zu Hause einziehen und das Verhältnis normalisierte
sich wieder.
Regelmäßig fuhr sie am Wochenende immer wieder zu ihrem Freund, sagte ihren
Eltern anfangs nicht die Wahrheit, doch dann irgendwann brachte sie auch das
übers Herz.
Ihre Eltern konnten ihr nichts mehr verbieten, zu eigensinnig war sie, und
ihr 18. Geburtstag stand auch vor der Tür.
Irgendwann holte sie sich dann die Bahn-Card, um Kosten zu sparen und trat
eigentlich jedes Wochenende die lange Fahrt zu ihrem Freund an.
Jedenfalls kochten sie dann gestern abend gemeinsam, aßen und schauten noch
Fernsehen.
Dann fiel er totmüde ins Bett und sie folgte ihm.
Sie unterhielten sich noch kurz, er sagte ihr, dass sie für ihn wie die Luft
zum Atmen sei. Sie wollte erwidern, dass er ihre Sonne sei, die Licht und
Wärme in ihre Einsamkeit bringe, aber sie ließ es und er schlief ein.
Heute morgen fühlte sie sich alleine, war so fernab von all ihren Freunden,
langweilte sich wie jeden Morgen.
Doch die Liebe hält sie immer bei ihm, sie würde jahrelang auf ihn warten.
So viele glückliche Momente hatte sie mit ihm.
Auch gemeinsam im Urlaub waren sie, an der Nordsee.
Das Wetter hatte ihnen einen Strich durch die Rechnung gezogen, doch sie
vergnügten sich trotzdem.
Doch in letzter Zeit waren da immer mehr Probleme, hatten sie sich anfangs
nur immer am Wochenende gesehen, so hockten sie sich nun jeden Tag "auf der
Pelle".
Die ganzen sechs Wochen ihrer Sommerferien wird sie bei ihm verbringen.
Tagsüber allein, gequält von der Langeweile. Doch all dies nimmt sie in
Kauf, um bei ihm zu sein.
Und es ist
schön.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.08.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Genau als ich aus der Tür trat, fuhr in gemütlichem Tempo mein Mercedes an mir vorbei. Mit meinem Hund auf dem Fahrersitz. Er sah wirklich lässig und souverän aus, fast wartete ich darauf, dass er grüßend die Pfote hob. Ich denke, ich habe in meinem ganzen Leben niemals verwirrter und dämlicher aus der Wäsche geguckt.

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