Harald Saul

Peter, der Wolf im Schafspelz Nr. 40

Peter, der Wolf im Schafspelz, Nr. 40

Peter wachte mit einem schweren Kopf auf. Der Wecker gab unerbittliche Geräusche von sich, diese trieben ihn ins Bad. Er duschte mal kalt und heiß, dann ging es ihm wieder besser und rasierte sich sorgfältig. Auch über die Nase ging er und die Augenbrauen wurden nicht vergessen. Die Zähne putzte er besonders lange und nachdem ein teures Aftershave für einen guten Duft sorgte, war er mit sich zufrieden. Das Frühstück bestand aus zwei, dick mit Schinken belegten Toast und der Kaffee war auch sehr stark und duftete aromatisch. Nachdem er die häusliche Ordnung hergestellt hatte, den Aktenkoffer und das Laptop in der anderen Tasche verstaut hatte, ging es mit dem neuem Auto zur Arbeit. In der Bildungsstätte angekommen, wurde er sofort zum Chef gerufen. Zaghaft und mit klopfenden Herzen trat er in dessen Zimmer. Dieser ging sofort auf Peter und drehte ihn zu einem, mitten im Zimmer großen Mann zu. Dieser sei sein neuer Zimmergenosse, stellte er vor. Der Herr Naumann aus Erfurt, seines Zeichens Küchenmeister und ab sofort Ausbilder für die gastgewerbliche Ausbildung in der Nahrungszubereitung tätig. Er mache fachpraktischen Unterricht in Theorie und Praxis, er erhoffe sich dann immer ein gutes Mittagessen für die Belegschaft der Schule. Der Chef bat Peter, Herrn Naumann die Schule und sein Zimmer zu zeigen sowie ihm bei der Zimmersuche behilflich zu sein. Man habe ihn erst mal in einer Pension untergebracht.
Peter wechselte noch einige Nichtsagende Höflichkeiten mit dem Chef und ging dann, mit Naumann im Schlepptau wieder raus. Die Sekretärin sah den beiden hinterher und freute sich insgeheim, denn so hatte sie ihre bisher eigenen  Aufgaben auf den jungen Speichellecker Peter, wie ihn die Kollegen schon nannten, abgewälzt. Das dies ein Fehler war, erkannte sie erst hinterher, denn Peter sollte auch diese für ihn neue Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit seines Chefs erledigen. Peter setzte sich mit Naumann in das nun gemeinsame  Zimmer und man unterhielt sich erst mal über den Bildungsträger. So erfuhr Peter, dass Naumann viele Jahre an einem städtischen Bildungsinstitut gearbeitet hatte und Sparmaßnahmen engstirniger sowie nicht in die Zukunftsblickender Landespolitiker zum Opfer gefallen war. Man sparte halt ein, wo man konnte, Alibiveranstaltung eben. Man konnte sich dann gut hinstellen und sagen, wir haben eingespart, dass man den Schaden, der daraus entstand mit viel mehr Geld wieder gutmachen musste, dass wurde unter den Tisch gekehrt. Hauptsache, dass fette, schmarotzerische  Leben, der vom Volke gewählten  Politiker wurde weiter finanziert. Naumann hatte sich richtig in Rage geredet und nicht bemerkt, dass Peter ihn nur beobachtete. Peter merkte sehr schnell, dass Naumann genauso dachte, wie sein Vater und sehr frustriert war, dass er seinen bisher sicher geglaubten Arbeitsplatz verloren hatte. Peter setzte hielt es für richtig, sich nicht dazu zu äußern und nur hin und wieder ein mitfühlendes Gesicht zu machen. In Gedanken freute sich Peter, der Naumann war bestimmt eine gute Fachkraft, aber zu sich und zu anderen viel zu ehrlich. Diesen Mann hatte er bald in der Hand, er musste den nur gut bei Laune halten. Erstmal richtig anfüttern, ihn den Freund und Kameraden vorspielen und man hatte ihn in der Hand und in seiner dummguten, ehrlichen Art holt der Dir die Kastanien aus dem Feuer. Peter lächelte in sich hinein, das war so einer, der sich tatsächlich einbildete über den Dingen zu stehen. Es klopfte und der gemeinsame Chef kam herein. Er stelle Peter für diesen Tag frei, weil eine Kollegin aus der sozialpädagogischen Gruppe mit Peters Teilnehmerinnen eine Berufsfindungsmesse in der Landeshauptstadt besuchen könne. Der Chef lachte meckernd und sah seine jungen Mitarbeiter an, wir müssen mal den Seelenklempnern auch mal was zu tun geben. So könne er dem neuen Kollegen helfen, sich zurechtzufinden. Er drückte Peter einen Zettel in die Hand mit Anschriften von Zimmervermietungen, den Autoschlüssel vom Betriebsauto und die Zulassung dafür in die Hand. Tanken brauch er nicht, der Wagen sei voll getankt und sie könnten gleich das Gepäck des Herrn Küchenmeister ins künftige Zimmer bringen. Er klopfte Peter auf die Schulter und meinte wohlwollend, dass Peter das schon mache, er habe sein vollstes Vertrauen. Schwupp war der beleibte, teuer und gut angezogene Mann aus dem Zimmer und eine Wolke seines Rasierwassers schwebte nur noch im Raum. Sie holten erst mal gemeinsam die Kartons mit Bücher, Aktenordner und der Berufswäsche sowie sein persönliches Handwerkszeug aus dessen alten Wartburg – Kombi. Peter staunte, über den sehr guten und sowie gepflegten Zustand dieses, in der DDR Heißbegehrten, damals hochmodernen 4Taktwagen für gehobene Ansprüche des besser verdienenden DDR-Bürgers . Ja, sagte Naumann, das sei das Erbe seiner Frau von ihrer Oma. Die noch 1989 im August über die Grenze nach Österreich abgehauen sei. Er habe den Wagen vom Hotelparkplatz in Ungarn mit einem Zweitschlüssel gestohlen, unter den Augen der Stasi, die schon anfingen, die zurückgelassenen Autos der Flüchtlinge wieder in die DDR zurückzuführen und wovon sie dann die besten selbst behielten. Die anderen wurden den Angehörigen in Rechnung stellt, daran verdiente man noch mal. Auch das kleine Einfamilien-Wohnhaus mit riesigen Garten  in Erfurt, nahe der Autobahn hatte sie ihnen schon eine Woche vorher ganz offiziell geschenkt und keinem, war das aufgefallen. Flink waren sofort der damalige Küchenleiter mit seiner Frau und den beiden Kindern von der 4 Raumwohnung in der Erfurter Innenstadt in den grünen Außengürtel der thüringischen Bezirksstadt umgezogen. Ein Kollege, der Küchenwirtschaftsfahrer  hatte ihn in der Nacht noch, nachdem Telefonanruf der Großmutter, dass sie wohlbehalten über die ungarisch-österreichische Grenze sei und jetzt zwar ein paar uralte Goldmünzen ärmer sei,  nach Ungarn gefahren. Dessen Trabant ( Zweitaktauto für den Normalverbraucher in der DDR ) hatte sie mit Kanistern voller Benzin bestückt, um so wenig wie möglich aufzufallen und anzuhalten. Gebannt hörte Peter zu, wie Naumann erzählte. Das war ja ein Kerl hatte schon seinen Geschäftsinn entwickelt, alles wollte weg und viele hatten Untergangsstimmung und der hatte sich das aber voll zu Nutze gemacht. Mit seinem Kollegen, der gelernter Kraftfahrzeugmechaniker und sein Küchenfahrer war hatte er am helllichten Tage, gezielt zurückgelassene Autos zusammen gesucht und in einem Waldbauernhof, etwas weiter von der Grenze,  in der Scheune untergebracht. Mit dem Bauern war man sich schnell einig, dieser sollte Ersatzteile für seine Maschinen bekommen, die man auf der nächsten DDR-Ungarn-Tour mitbrachte. Man hatte einen neuen Lada ( PKW aus damals sowjetischer Produktion ) , inklusive Fahrzeugbrief und Zulassung sowie blanke Kaufvertrag, wo man nur noch Adresse des Käufers eintragen musste,  im Handschuhfach gefunden. Der schon weitsichtige Besitzer ein Karl-Marx-Städter ( heute Chemnitz ) Arzt, war ebenfalls am Vortag über die Grenze mit Familie abgehauen. So war sich dieser sicher, dass sein Auto nicht von den DDR-Behörden zurückgeführt wurde und seine Eltern noch alles bezahlen mussten. Beide Autos wurden mit dem Auto-Zubehör, welches man aus den zurückgebliebenen neueren Ladas und Wartburgs herausbaute und diese dann einfach in den riesigen Wäldern stehen ließ  für die „Eierköpfe“ von der Stasi, wie sie hämisch meinten. Dabei wären beide liebend gern bei diesem geheimen Ministerium beschäftigt gewesen, da konnte man Geld verdienen. Überdurchschnittliches Gehalt und viele Freizügigkeiten im Alltag der DDR. Am späten Abend fuhr man dann gen DDR wieder heim. In zwei alten Garagen richteten sich beide ein Lager ein und man suchte sich für das Wochenende noch zwei Verbündete. In einem Barkas ( Kleinster LKW in der DDR ) fuhr man zu viert wieder nach Ungarn. Dieses Mal hatten sie richtig Pech, die Stasi hatte schon Unmengen von Mitarbeiter nach Ungarn entsandt. Mit LKWs und Autotransporter holte man die besseren Autos in die DDR zurück und verscherbelte sie wieder. Noch war der Markt für diese Autos ja vorhanden. Nur einzelne Autos fand man noch und man musste sich gegenseitig absichern, denn die DDR-Geheimdienstleute fanden es nicht so gut, dass ihnen jemand das Geschäft versaute. Na ja , sagte Naumann schmunzelnd, man habe es dann trotzdem geschafft, den Barkas voll zu bekommen und zwei fast neues Trabanten hatte man auch noch im Schlepptau, die beiden anderen fuhren. So nahm das Schicksal seinen Lauf. Für seine Frau, die Krankenschwester in Schichten war, nahm sich Naumann die Limousine, der nicht mal ein viertel Jahr alt war. Mit diesem Wagen verunglückte seine Frau 14 Tage später tödlich. Auf der Heimfahrt von der Spätschicht wollte die Frau Naumann über die Autobahn fahren und da sie eine anstrengende Schicht hatte, übermannte sie der Sekundenschlaf. Sie fuhr ungebremst auf einen Tieflader auf und merkte nicht mehr, wie ihr Oberkörper in Zehntelsekunden  vom Unterkörper durch die scharfen Blechplatten, die der LKW transportierte, abgetrennt wurde. Der sonst so starke Naumann, machte den Fehler, darauf zu bestehen, trotz der Warnung des Arztes seine Frau noch mal zu sehen. Den Anblick bekam er jahrelang nicht mehr los. Die damals 13 jährigen Zwillinge, beide Jungens hatten plötzlich keine Mutter mehr und einen Vater, der über ein Jahr krank war. Er habe furchtbar gesoffen und wenn die zwei Jungs nicht gewesen wäre, hätte er sich was angetan. Während er das erzählte, kam er plötzlich eine belegte Stimme. Peter bekam in sehr kurzer Zeit die Stärken und Schwächen seines Kollegen aufgezeigt. Um abzulenken, fragte Peter wie es denn bei ihm weiter ging. Nun, der Schwermaschinenbaubetrieb, indem Naumann als Küchenleiter arbeitete wurde als einer der ersten abgewickelt, trotz voller Auftragsbücher. Ganz schnell wurde der Betrieb geschlossen, das heißt von der Konkurrenz aufgenommen. Alle flogen auf die Strasse und auf dem Firmengelände, erwarb eine Eigenheimbaugesellschaft. Heute stehen, da sehr feine Einfamilienhäuser für die neuen Ostbürger, die aus dem Westen kamen, um den armen Osten beizubringen, wie man richtig arbeitet. Naumann konnte reden und reden und Peter freute sich von Minute zu Minute mehr. Er heizte Naumann noch mehr an, zu erzählen. Ja, er habe Glück gehabt, war ja krankgeschrieben und seine Eltern und die von seiner toten Frau, nahmen ihm sehr viel ab, alle waren ja plötzlich zu Hause, wurden nicht mehr gebraucht. Ihm ging es in dieser Zeit sehr gut, Geld hatte man, die Jungens machten in der Schule keinerlei Schwierigkeiten und er war sich selbst überlassen, wuselte im Haus und dem Garten herum. Die beiden Jungs haben beide nach dem Abitur Betriebswirtschaft studiert und nach der Bundeswehr sind beide sofort aus Deutschland weg, für immer. Heute ist einer in den USA in Michigan, der hat in eine Hotelkettenfamilie eingeheiratet. Der andere ist in der Schweiz und arbeitet als Verwaltungsleiter in einem Edel-Seniorenheim, der lebt mit einem Mann zusammen ergänzt Naumann leiser. Und hast Du wieder eine Frau ? , fragt Peter.  Ja, hin und wieder eine mal fürs Bett. Aber so richtig mit einer zusammen leben, möchte ich nicht mehr, sagt Naumann ganz ernst. Hab Elke sehr geliebt und ein paar Mal, war ich schon wieder in richtig festen Händen. Aber dann kommt immer wieder die Erinnerung hoch und ich fange dann immer an zu vergleichen. In der Zeit, wo Naumann erzählt, hat er alles verstaut. Der Schreibtisch ist eingeräumt und seinen Stundenplan hat er auch schon nebenbei angeguckt. Das alles registrierte Peter, einer der reden kann und nebenbei noch was produktiv macht. Peter fährt mit  Naumann erst mal die 4 vorgeschlagenen Zimmer ab und für das letzte entscheidet sich dieser dann. Die Zimmerwirtin ist eine schwerhörige, steinalte Frau, die froh ist das Zimmer vermietet zu bekommen. Sie sagt auch sofort zu, als Naumann um den Zimmerpreis feilscht und um 50 Euro den Preis runterdrückt. Peter schmunzelt, der ist ok und ist von dem kann man noch was lernen.  

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.02.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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