Ein kleiner
Kobold baumelt vom Innenrückspiegel, ein Plüschmaskottchen. Herr B. drückt das
Gaspedal durch und starrt mit schweißnassem Gesicht auf die ihm
entgegenstürzende Straße. Zwei Autos sind ihm seitdem begegnet, doch man wird
sich bestimmt nicht sein Kennzeichen gemerkt haben - hofft er.
Die Puppe, groß
wie ein Kinderfäustling, schaukelt bedächtig hin und her. Herr B. zieht zum
wiederholten Mal ein Tuch aus der Hemdtasche und wischt sich damit über die
Stirn. Geräuschlos öffnen sich nach einem Knopfdruck die Fenster. Auch die Lüftung
bläst frischen Wind ins Wageninnere. So bekommt Herr B. langsam wieder klaren
Kopf.
Die Straße glüht
fast im mittäglichen Sonnenlicht. Ein unwirkliches Flimmern wirft sie in
Falten. Bäume entlang der Böschung spenden nur gelegentlichen Schatten.
B. angelt nach
einer Zigarette, findet das Feuerzeug nicht. ``Auch das noch!´´ stöhnt er, läßt
die Schachtel zu Boden fallen. ``Dann eben nicht.´´
Die Puppe
pendelt hin und her, dreht sich dabei um die eigene Achse und beginnt zu
vibrieren. ``Blödes Ding!´´ faucht Herr B, der den grinsenden Gnom nicht länger
ertragen kann. ``Weg mit dir!´´ Rüde reißt er an der Gummischnur und verstellt
dabei seinen Rückspiegel. Der Kobold landet auf dem Beifahrersitz.
``Au!´´
Herr B. zuckt
kurz zusammen. Hatte da nicht eben einer ``Au´´ geschrien? ``Es müssen wohl
meine überspannten Nerven gewesen sein´´, redet er sich ein, während sein Blick
wieder nach vorne auf die Straße gerichtet ist.
``Behandelt man
so seinen Glücksbringer?´´
Herr B.
erschrickt abermals, verreißt kurz den Lenker und hat Mühe, die Spur zu halten.
``Wer spricht
da?´´
``Na, wer wohl?
Meinen Namen kann ich dir nicht nennen. Du hast mir schließlich nie einen
gegeben.´´
B. wagt einen
kurzen Blick nach rechts. Das Autoradio - ist es eingeschaltet? Kommen die Töne
etwa von dort?
``Hat´s dir
jetzt die Sprache verschlagen?´´
Die krächzende
Stimme ertönt neben ihm am Beifahrersitz. Der Kobold liegt immer noch dort, wo
ihn Herr B. hingeworfen hat, scheint aber seine Lippen zu bewegen.
``Auf ein Wort!
Findest du das richtig?´´
``Bin ich
verrückt? Puppen können nicht sprechen´´, ächzt Herr B. verwirrt.
``Offensichtlich
doch. Also gib jetzt endlich Antwort auf meine Frage!´´ tönt es leise, aber
bestimmt. B. zittert. Wieder lugt er über seine Schulter. Traum oder
Wirklichkeit? ``Das Ding ist lebendig geworden´´, murmelt er.
``Als
Glücksbringer hab ich versagt, aber ich wurde auch arg strapaziert von dir. Ich
warte immer noch auf eine Antwort.´´
``Welche
Antwort?´´
``Ob du das
richtig findest.´´
``Was?´´
``Das vorhin.´´
In einer anderen
Situation würde Herr B. jetzt über seine Nervenschwäche lachen. Er spricht mit
einer leblosen Puppe aus Stoff. Seine Angst ist schuld daran, daß er das Ding
nicht einfach aus dem Fenster wirft und dem Spuk damit ein schnelles,
finanziell unerhebliches Ende bereitet.
``Ich bilde mir
das alles nur ein.´´
Der Kobold
beginnt zu kichern: ``Das andere vielleicht auch? Schau dir doch die Delle in
der Kühlerhaube an! Kein schöner Anblick für ein neues Auto. Noch viel weniger
schön aber ist das, was du zurückgelassen hast.´´
``Hör auf, hör
endlich auf!´´ schreit Herr B. haltlos und kommt nach der nächsten Kurve fast
ins Schleudern.
``Ruhig Blut! Du
wirst mich nicht zum Schweigen bringen.´´
``Halt dich da
raus!´´ Wieder wagt Herr B. einen kurzen Blick nach rechts. Die Puppe hat sich
aufgerichtet und schaut ihn nun mit verschränkten Armen herausfordernd an.
``Der Junge lebt
noch. Er könnte gerettet werden.´´
``Ein Auto wird
schon anhalten.´´
``Welches? Ist
dir aufgefallen, daß der Kleine mitsamt seinem Fahrrad über die Böschung
gestoßen wurde, die zu allem Unglück noch mit hohem Gras bewachsen ist? Bis ihn
dort jemand entdeckt, ist es zu spät. Er verblutet!´´
Herr B. greift
erneut nach seinem Taschentuch.
``Der Kleine hat
nicht aufgepaßt´´, versucht er sich herauszureden.
``Du auch
nicht!´´
``Stimmt.
Konsequenz wäre ein Führerscheinentzug. Was das bedeutet, dürfte dir klar sein.
Aber die Chance ist groß, daß sie mich nicht ermitteln. Ich kenne einen guten
Mechaniker, der...´´
``Ich nenne das
Mord! Kehr sofort um!´´ faucht die Puppe und klingt nun bedeutend bedrohlicher.
Herr B. steigt ins Gas. ``Nie und nimmer! Was bildest du dir ein, mir Vorschriften
zu machen!´´ ``Man hat mich auch nicht gefragt, ob ich bei so einem Arschloch
als Glücksbringer im Auto baumeln will. Kehr endlich um oder ruf zumindest den
Krankenwagen!´´
Herr B. schweigt
und ignoriert die gutgemeinten Forderungen des Gnoms.
``Na gut, ich
kann dich auch zwingen!´´ droht der Kleine nun.
``Und ich dich
an die frische Luft setzen´´, droht Herr B. seinerseits.
``Probier´s
doch! Du wirst mich nicht fassen.´´
``Dann bleib, wo
der Pfeffer wächst!´´
``Ich beiß dir
in die Halsschlagader, kratz dir die Augen aus.´´
``Wie eine
Fliege zerschlag ich dich.´´
``Also paß auf!´´
Und mit einem schnellen Satz landet er schon auf den Schultern von Herrn B. und
kreischt: ``Mörder!´´ Sämtliche Versuche, den wendigen Kobold abzuschütteln,
scheitern kläglich.
Jener klettert
behend höher, krallt sich in den Haaren fest und reißt an den Augenlidern, die
Herr B. verzweifelt zudrückt.
``Schau mich
noch einmal an, bevor ich dir die Glotzer aushacke!´´ schreit der aufgebrachte
Winzling wie eine Furie. Herr B. spürt, daß der Wagen die Straße verläßt. Er
öffnet die Augen - doch nur für eine kurze, eine sehr kurze Zeit, denn ein
mächtiger Baumstamm quetscht sich wie durch Schaum in seine Frontpartie.
Durch die Wucht des Aufpralls reißt der Gurt aus seiner Verankerung. Sein Kopf scheint sich vom Rumpf zu lösen, während er gegen den Rückspiegel knallt. Dort baumelt wieder das Maskottchen. Freundlich lächelnd mit der Aufschrift: ``Denk an die Lieben zu Hause.´´
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.07.2001.
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