Claudia Elisabeta Stolz

Die Fahrt

Als er imstande war, sich wieder zu bewegen, schnappte er zuerst nach Luft, dann drehte rasch den Kopf, aber sah nur die LEERE. Alles was in jenem Moment geschah, war so real, daß er erstaunt blieb, als er Laura wieder am Boden liegen sah. Seine großen, grünen Augen starrten qualvoll in das Gesicht seiner Frau an, das mit einer tiefen Stille überzogen war. Das Heulen des Rettungswagens versetzt Eduard wieder in die Gegenwart. Er hörte kräftiges Klopfen an der Tür, und so rasch wie er konnte, machte er sie auf.
<<Kommen Sie schnell hier !....Hier liegt sie>>, sagte Eduard und machte eine desperate Geste mit der Hand in Richtung Küche deutend.
Durch blitzartige Bewegungen leistete einer der Rettungssanitäter die notwendigen Untersuchungen. Puls und Atmung wurden kontrolliert und Laura wurde auf die Trage gelegt.
Eduard betrachtete die ganze Szene mit fremdem Blick. Er konnte und wollte nicht wahr haben, daß die, die das alles durchmachen mußte, seine geliebte Frau war.
<<Sie lebt noch>>, stellte der Sanitäter mit einer rauhe Stimme fest.
<<Wir fahren zum Santa Maria Hospital>>, sagte der andere Assistent und verschwanden, alle drei im Rettungswagen.
Eduard nickte, obwohl niemand mehr da war, und als ihm das bewußt wurde, rannte er zu seinem Auto, ein weißer Dacia, das gegenüber dem Hochhaus, auf dem Stellplatz geparkt stand, stieg ein, und wollte hinter dem Rettungswagen her fahren, aber es war zu gefährlich und der Abstand wurde immer größer. Er blieb zurück mit einem tiefen ängstlichem Gespür. Er hatte Angst, Laura würde sterben! Er liebte sie so sehr, daß er ständig um ihr Leben fürchtete, und war dankbar für jeden Augenblick, den er mit ihr verbringen durfte. Er lebte und liebte Laura mit jener Intensität und Hingabe, die eigentlich nur durch die Gewißheit entstehen kann, daß man noch wenig Zeit zu leben hat. Die Fahrt bis zum Krankenhaus erschien ihm unendlich zu sein, und nur eine Frage quälte ihn, die immer wieder kehrte: "Warum? Warum sie?".
Eduard sah in der Ferne die Silhouette des Krankenhauses, das sich imposant in den Abendhimmel erhob. Auf einmal wurde sein Herz von einem makaberen, unheimlichen Gefühl durchbohrt. "Nein! Niemals werde ich zulassen, daß du stirbst!." Sein Gesicht zeigte Schmerz und Zorn zugleich.
Nachdem er einen Parkplatz gegenüber der Klinik fand, stieg er hastig aus dem Auto und mit der Kraft, die ihm noch geblieben war, lief er zum Eingang. Es war so viel Gewimmel. Ein Schrei hier, ein anderer dort, verängstigte Menschen voller Blut und Leid, Ärzte und Schwester in Bewegung.
Mit irreblickenden Augen suchte er nach Hilfe, und hinter einem Schalter sah er die kalten Gesichtszüge einer Sekretärin.
<<Meine Frau, Laura Dorn, wurde vor einigen Minuten mit dem Rettungswagen hierher gebracht. Sagen Sie mir bitte, wo ist sie?>>
<<Moment, ich schaue ganz schnell nach>>, antwortete sie mit Müdigkeit, und durchblätterte das Register, das vor ihr lag. <<Laura Dorn....... Ja... Sie liegt jetzt auf der Intensivstation im dritten Stock.>>
Er bedankte sich und wollte schon gehen:
<<Moment>>, hörte er die schläfrige Stimme erneut, <<ich brauche Ihre Anschrift und die Telefonnummer>>. Eduard drehte sich um und näherte sich wieder dem Schalter. Er gab die Auskunft, für die sich die schmale, dunkelhaarige Sekretärin interessierte, in der Hoffnung, daß er jetzt gehen konnte. Aber die Frau sagte ihm, er sollte noch zur Aufnahme um seine Frau zu registrieren. Er brauchte nicht lange dort zu warten, denn an der Tür stand nur eine Patientin, und die Krankenschwester, die ungeduldig darauf wartete ihren Kaffee zu trinken, erledigte alles so schnell, wie sie konnte.
Eduard lief zum Fahrstuhl und drückte auf die Taste, wartete ein paar Sekunden, aber als er sah, daß der Lift nicht kam, wendete er sich zum Treppenhaus und lief in den dritten Stock.
Oben angekommen - die Stille die hier herrschte war frappant - wollte er gleich wissen, was mit seiner Frau passierte, aber keiner war da. Mit energischen, großen Schritten lief Eduard den Gang entlang. "Was mache ich jetzt? Wo ist sie?". Sein muskulöser, angespannter Körper fiel auf einem von den Stühlen. Die Hände, das Gesicht, die Bewegungen der Augen und des Mundes verrieten seine Verzweiflung, und die Schmerzen seines Körpers. Er drückte fest mit der rechten Hand auf den Magen, um so sein Leiden zu lindern.
Als Eduard hörte, daß eine Tür endlich geöffnet wurde, drehte er rasch den Kopf und schaute zu dem Mann im weiß, der heraus kam. Sein sorgenvoller Blick ließ Eduard erschauern.
<<W..o, Wo... Was ist mit Laura? Lebt sie noch?>> Seine Hände packten den Mann in einer deprimierenden Geste beim Kragen.
<<Sind Sie Herr Dorn>>, fragte der Arzt.
<<Ja!>>
<<Mein Name ist Doktor Cristman! Beruhigen Sie sich>>, sagte er und versuchte sich zu befreien. <<Es ist alles nicht so schlimm. Wollen Sie mir einen Moment zuhören? Nehmen Sie Bitte hier Platz.>>
Eduard gab nach und setzte sich wieder auf dem Stuhl.
<<Ihre Frau und das Kind le....>>
<<Moment, Moment>>, sagte Eduard überstürzt, und er wurde blaß.
<<Fühlen Sie sich nicht wohl?>>
<<Doch! Nur mein Herz spielt mir manchmal einen Streich. Was... was für ein Kind?>>
<<Wußten Sie nicht>>, und er schaute kurz, fragend zu Eduard an. <<Ihre Frau ist im dritten Monat schwanger. Wir werden für die Beiden alles tun! Sie lebt, aber sie liegt in einem tiefen Koma. Momentan kann ich Ihnen nicht viel sagen! Wir werden weitere Untersuchungen durchführen, um den Auslöser für ihren Zustand festzustellen.>>
<<Wann wird sie aufwachen>>, fragte Eduard dessen Leiden schon die Schwellen der Unmöglichkeit berührten.
<<Auf dieser Frage gibt es keine Antwort, denn das Gehirn hat seine eigene Regel. Wir hatten Fällen, in den die Patienten nach vier oder fünf Tage wieder zu sich kamen, andere die nach Monaten das Bewußtsein wieder erlangten und auch andere die nach Jahren aus dem Koma aufwachten. Es wäre falsch, wenn ich Ihnen jetzt eine Zahl nennen würde.>> Der Arzt räusperte sich und versuchte seiner Stimme einen optimistischen Ton zu verleihen.
<<Es ist besser Sie fahren jetzt nach Hause, denn niemand weiß, was den nächsten Tag mit sich bringt! Und seien Sie unbesorgt, denn sobald sich ihr Zustand geändert hat, werden ich Sie benachrichtigen.>>
"Dr. Cristman in OP 1, Dr. Cristman in OP 1", wiederholte die Stimme, die aus einem Lautsprecher kam.
<<Ich muß jetzt gehen. Ich werde Sie anrufen>>, sagte er und verschwand mit einer rasche Bewegung hinter einer massiven Tür.
Eduard blieb noch eine Weile auf dem Stuhl sitzen. Er konnte nicht fassen, was alles passiert war: Laura lag in Koma und dazu die Nachricht, daß sie ein Kind erwartet. Ein Kind.....!!!! Es war viel zu viel für einen einzigen Tag. Er nahm sich zusammen, stand auf, schaute nach links und rechts, wieder links und rechts. Mit erschöpften Schritten ging er hinaus. Er bewegte sich wie ein Roboter und ihm war im Moment alles gleichgültig. Er wollte nur schnell an die frische Luft, denn er spürte, wie die Kraft ihn verließ. Er war müde und wollte gegen die Schicksalsschläge des Lebens nicht mehr kämpfen. Seit er sich erinnern konnte, hatte ihm das Leben übel mit gespielt. Erst vor sieben Jahren drehte sich das Rad des Schicksals. Er lernte Laura kennen!

Fortsetzung folgt !!!Claudia Elisabeta Stolz, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.08.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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