Susanne Bruschke
Voraussage jederzeit für regen Floskelverkehr allerorts
Immer dort, wo Menschen zusammen kommen, kann man ein Phänomen beobachten, das, wenn man wenig soziale Einsichten besitzt, bizarr anmuten mag. Kaum treffen die Menschen zusammen, schnappen sie nach Luft wie Fische und stoßen hastig Floskeln und Redensarten aus, als ginge es um ihr Leben. Wahrscheinlich weil es ihnen als Kind mit dem Holzhammer eingetrichtert wurde. Denn dass man Spaß dabei hat, sich ständig zu wiederholen, bezweifle ich stark.
Die Liste der Floskeln ist sehr lang und besitzt mehr Einträge als das örtliche Telefonbuch als Berlin. Es beginnt beim "Guten Morgen!" und endet beim "Schönen Abend noch!" An Feiertagen sollte man denken, davor verschont zu bleiben, weil man sich ja nun erholen können muss. Aber nicht doch!
Gruppendynamik schläft nie. Denn dann sind halt andere Floskeln Pflicht. "Frohes Fest!", "Kommen Sie gut über die Feiertage!" (als wenn man morgen schon auf dem Friedhof läge) und natürlich "Guten Rutsch!" (auf was soll man denn ausrutschen, auf einer Bananenschale etwa?) Na ja, das vielleicht nicht, obwohl man das manchem unangenehmen Zeitgenossen sicher wünschen würde.
Nach dem jeweiligen Fest geht es dann weiter mit "Danke für den Pullover", "Ach das wäre doch nicht nötig gewesen" oder "Jetzt ist die schöne Zeit ja wieder vorüber". Als wenn die Zeit nur schön gewesen wäre, wenn man feiert, wo es doch genug Streitigkeiten um das letzte verbliebene Osterei gegeben hat.
Immer angebracht ist die Floskel: "Wie geht´s?" Damit kann man ja soviel anfangen. Und wen interessiert es eigentlich? Algebra zu verstehen ist sicher einfacher als den wirklich tiefgründigen Zweck dieser Redensart zu verstehen. Auch Bemerkungen zum Wetter erfreuen sich größter Beliebtheit. Als wenn es so wichtig wäre, anzumerken, dass es sich gerade bewölkt, wo doch jeder, der nicht das gelbe Zeichen mit den drei schwarzen Punkten trägt, dies eigentlich selber sehen müsste.
Aber irgend etwas muss man ja schließlich sagen, wenn einem schon nichts Besseres einfällt. Sonst wäre man kein Mensch in den Augen der anderen Herdentiere. Ich bin mir ziehmlich sicher, dass cirka achtzig Prozent des menschlichen Verstandes sich nur auf das übliche Bla Bla beschränken, weshalb Menschen, die sich um diesen Schrott nicht scheren, sich auf Spezialgebiete konzentrieren können und nur daher mehr wissen, als jene, die ihre ganze Kraft und Energie zum Finden der richtigen Worte zu verwenden. Aber das sind die Wenigsten. Wenn ein Normalsterblicher einmal vergisst seinen Nachbarn zu grüßen, weiß dies am nächsten Tag das ganze Haus und man gilt als unfreundlicher Zeitgenosse. Fragt man jemanden mal nicht, wie es ihm geht und dieser Jemand stirbt am nächsten Tag, wird man vielleicht auf dem Grabstein die Inschrift entdecken: "Ging an der Unfreundlichkeit seiner Umwelt zu Grunde".
Ja, Floskeln gehören dazu und hört man sie nicht, fehlt den meisten Menschen wohl etwas. Man kann ihnen so nur weiterhin "Alles Gute" und "Viel Glück" wünschen. Ob sie allerdings mit ihren Floskeln noch etwas anfangen können, wenn ein Atomkrieg oder der Weltuntergang ins Haus stehen, bleibt abzuwarten. Denn Worte allein lösen Probleme sicher nicht, man muss auch bereit sein im Falle eines Falles zu handeln.
Überhaupt sollten wir unsere Wahrnehmung nicht an netten, aber oft leeren Worthülsen ausrichten. Denn so mancher Mörder sagte zu seinem Opfer, bevor er ihm das Licht ausblies, vielleicht vorher auch schon mal "Alles Gute". Und auch Staatsfeinde lagen sich vorher vielleicht einmal mit Komplimenten in den Armen, die beim nächsten Krieg null und nichtig waren. Also aufgepasst!
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.03.2007.
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