Martin Peters

Geschichte wird von Wahnsinn geleitet

Geschichte wird von Wahnsinn geleitet
 

 
oder
 

 
„Die Geschichte lehrt die Menschen, dass die Geschichte die Menschen nichts lehrt.“
 
[Mahatma Gandhi]

 
Es war am späten Abend eines düsteren, von Wolken verhangenen, Samstag im Jahre 1347.
 
Der römische König und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Ludwig IV. weilte derzeit in einem Kloster nicht weit von Fürstenfeldbruck gelegen.
 
An diesem Tag wollte sich Ludwig von seinen Strapazen der vergangenen Wochen und das jahrelange Gezeter mit dem infernalen Papst Benedikt XII. erholen, der ihn nicht einmal seinen Frieden läßt, obwohl er schon seit fünf Jahren unter der Erde liegt.
 
Ludwig hatte letzen Monat seinen fünfundsechtigsten Geburtstag gefeiert und wurde es langsam müde, sich unter ständigem Beschuß seitens der Päpste zu befinden.  
 
Vor einem Jahr erst wurde der Böhmische Thronfolger Karl IV. zum päpstlichen Gegenkönig gewählt. Ludwig fühlte sich dadurch bedroht und bereitete sich schon seit einiger Zeit darauf vor, seinen Thron mit einer riesigen Streitmacht zu verteidigen. Im Gegensatz zu seinem Rivalen hatte Ludwig einiges in seiner Trickkiste, denn das ist nicht das erste Mal, daß er seinen Thron verteidigen mußte.
 
Als Ludwig 1314 neben Friedrich von Österreich zum König gekrönt wurde, wußte er, daß das kein Dauerzustand sein konnte. Wenn es zu dieser Zeit das Mehrheitsprinzip schon gegeben hätte, dann wäre Ludwig alleiniger König gewesen. Bei solch einer Wahl war es nun aber von Nöten, daß der gewählte König nur durch die Zustimmung des Papstes seine Macht bekommt. Doch da der letzte Papst Klemens V. schon seit einem halben Jahr verstorben war und es noch keinen neuen Papst gab, konnte auch keine richterliche Instanz den Ausgang der Wahlen klären. So kam es zu einer Königs-Doppelwahl.
 
1316, zwei Jahre, nachdem Papst Klemens V. starb, wurde Johannes XXII. zum Papst gewählt. Durch den Sieg über Friedrich von Österreich und dessen Gefangennahme, war die Macht für Ludwig zum Greifen nahe. Der Königsthron sollte durch die päpstliche Anerkennung besiegelt werden.
 
Der Papst war Ludwig aber nicht wohl gesonnen und verlangte von ihm, seinen Köigstitel nieder zu legen, weil dieser 1314 nicht päpstlich genehmigt wurde.
 
Ludwig wurde sehr zornig über diese Mißgunst und rief ein Konzil an, weil niemand wußte, ob die Zuständigkeit des Papstes auch für das deutsche Königtum reichte.
 
Ein Jahr später wurde Ludwig vom Papst in Avignon aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen.
 
Als Ludwigs Position durch etliche Angriffe anfing zu wackeln, überlegte er sich einen cleveren Schachzug. Er entließ den gefangenen Friedrich von Österreich mit der Bedingung, daß dieser auf seinen Thron verzichtet. Friedrich ging auf das Angebot ein und wurde nach seiner Freilassung als Mitregent von Ludwig eingesetzt. Dadurch wurde seine Macht in Deutschland gestärkt.
 
Als die Machtverhältnisse wieder hergestellt wurden, fing Ludwig an, sich um das Papst-Problem zu kümmern. Zum Anfang unterstützte er die Antipäpstliche Opposition in Italien und machte sich anschließend mit seinem Italienzug, der drei Jahre andauerte, zum König der Lombardei.
 
Der Papst schoß zurück, indem er Ludwig zu einer Anhörung nach Avignon vorlud. Nachdem Ludwig erst gar nicht erschien, wurde er vom Papst als Ketzer verurteilt.
 
Als zum Höhepunkt der Streitigkeiten der Kardinal Sciarra Colonna und einige städtische Beamte Ludwig zum römischen Kaiser krönten, rief der Papst schon vier Tage später zum Kreuzzug gegen Ludwig auf.
 
Ludwig nutze nun seine Macht als römische Kaiser den Papst abzusetzen. Als Begründung nannte Ludwig die ununterbrochene Abwesenheit von Rom, denn er war der Meinung, daß der Papst nach Rom gehört und nicht im Exil Avignon.
 
1334 stirbt Papst Johannes. Ludwig war froh über den Tod seines Gegners, denn durch ihn wurde der Krieg zwischen deutsche Könige und Papsttum erst richtig entfacht. Hatte dieser doch unsittlich gelebt und dreist den Kronverzicht der Könige in Deutschland gefordert.
 
Ludwig war schon ziemlich ausgelaugt.
 
Als der neue Papst Benedikt XII. ihn ebenfalls bekämpfte, schloß Ludwig ein Bündnis mit Edward III. von England gegen Frankreich und den Papst. Anschließend läßt Ludwig erklären, daß das Kaisertum keiner Zustimmung vom Papst bedurfte.
 
Ludwig stand nun im Kreuzgang des Klosters. Um nicht aufzufallen, hatte er sich eine Kutte besorgt und gibt sich als pilgernder Mönch aus. Der Kreuzgang ist der Ort der Ruhe. Jeder kann dort beten oder über Gott und die Welt nachdenken. Er stieß einen lauten Seufzer von sich. Ein anwesender Mönch fühlte sich dadurch in seiner Ruhe gestört und feuerte einen bösen Blick zu Ludwig. Der hob die Hand als Entschuldigung. Dieser Seufzer mußte aber sein. Denn mit seinen fünfundsechzig Jahren ist er nicht nur zum Entspannen und sammeln seiner Kräfte für den bevorstehenden Kampf um den Thron mit Karl gekommen. Ludwig kam auch in das Kloster um über sich nachzudenken, denn wer wurde zu seiner Zeit schon so alt? Er wußte, daß sein Ende bald kommen wird, deshalb hatte er sich die Zeit genommen um im Kreuzgang sein Leben noch einmal einem Resümee zu unterziehen. Er fragte sich wie alle alten Männer, ob sein Leben überhaupt einen Sinn hatte. Was er sich bis jetzt ins Gedächtnis rief, war schon genug für zwei Leben. Nur was stand ihm noch bevor? Konnte er den vierunddreißig Jahre jüngeren Karl Paroli bieten? Sollte er nicht einfach auf seinen Thron verzichten und sich auf seine alten Tage ausruhen? Er konnte sich keine Antwort geben. Stattdessen dachte er weiter über sein Leben nach.
 
            1341 gelang es Ludwig einen Pakt mit Philipp VI. von Frankreich gegen den Papst zu schließen. Ein Jahr später starb Papst Benedikt. Die Fürsten fingen an zu munkeln, daß er starb, weil er den ganzen Belastungen nicht mehr standhielt. Am meisten soll er sich über den Pakt Ludwigs mit dem französischen Philipp geärgert haben, so daß er daran zu Grunde ging.
 
Der päpstliche Nachfolger Clemens VI. schloß Ludwig ebenfalls von der Kirche aus. Ein Jahr später führte er gegen Ludwig einen Prozeß wegen Begünstigung der Ketzerei.
 
            Ludwig blieb stehen. Er sah sich um, und bemerkte, daß er den gesamten Kreuzgang für sich allein hatte. Er fing an zu schmunzeln und sagte leise zu sich: „Ein Gutes hat es zu der Zeit wenigstens gegeben.“
 
Ludwig meinte das 1344 fertig gestellte Kloster in Chorin. Er hatte immer zu seinem Vater gesagt, daß er, wenn das Kloster einmal fertig werden sollte, es besuchen werde. Dieser hatte den Bau, damals 1277 miterlebt.
 
            Die Mönche im Kloster mußten zum beten gegangen sein, denn Ludwig sah schon seit einer geraumen Zeit niemanden. Aber vielleicht versteckten sich die ängstlichen Mönche nur vor dem Unwetter, das gerade herrschte.
 
Ludwig wurde müde. Die Dunkelheit hatte auch schon vor einigen Stunden angefangen, und die Kerzen im Klosterhof würden nicht mehr lange brennen. Er beschloß also in seine Gästestube in der oberen Etage zu gehen. Doch oben angekommen, wollte sein Geist keine Ruhe geben. Um besser schlafen zu können, wollte Ludwig sich noch einen Wein genehmigen, in der Hoffnung, daß damit seine Gedanken blockiert werden würden. Also ging er wieder die Treppe hinab. Doch als in eine Windböe erfasste und ins Straucheln brachte, konnte er sich nicht mehr halten und stürzte die Treppe hinab. Der Sturz kam ihn endlos vor. Als  er mit vollem Schwung, und mit dem Kopf voran, gegen eine poröse Mauer krachte, breitete sich die Schwärze so schnell aus, daß er Ohnmächtig wurde, bevor es sein Gehirn registrierte.
 
            Der Sturm verebbte allmählich und die Wolkendecke riß auf, damit die Morgenröte sich über das Land verteilen konnte. Die Nacht war vorbei und Ludwig lag noch immer unverändert am Fuße der Treppe. Um seinen Kopf lag eine Blutlache, die sich schon längst verfestigt hat, als Ludwig langsam zu sich kam. Er hatte sehr viel Blut verloren und war deshalb etwas wacklig auf seinen Beinen. Ganz zu Schweigen von seinen Kopfschmerzen. Nur mit Mühe, und auf zittrigen Armen gestützt, konnte er sich aufrichten. Was war geschehen? Ludwig konnte keinen Laut vernehmen. Er sah keinen Mönch und die Tore des imposanten Klosters waren geschlossen. Wie konnte es also sein, daß ihn niemand während der nächtlichen Stundengebete Prim, Terz und Sext sah? Vielleicht lag es daran, daß die Mönche bei den Nachtgebeten oft so müde waren, daß sie beim beten einschliefen. Aber warum wollte ihn niemand wecken? Schließlich war Ludwig dem Schein nach ein Mönch.
 
Er beschloß sich auf Grund seiner enormen Schmerzen nicht noch mehr den Kopf zu zerbrechen. Er raffte sich am Geländer hoch und wollte sich die Treppe hinauf hieven, als er plötzlich wieder ins Straucheln geriet, weil er über etwas stolperte. In Gedanken, dachte er an die Steine die sich eventuell aus dem Gemäuer lösten. Doch als sein Blick an seinen Füßen vorbeischweifte, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. Zwischen den zertrümmerten Steinen lag ein Buch mit goldenen Insignien.
 
Da der Buchdruck erst einhundert Jahre später von Gutenberg erfunden worden war, hätte es Ludwig erstaunen müssen, daß es bedruckte Blätter gab, die zusammengebunden worden waren.
 
Aber, noch von seinem nächtlichen Sturz geschwächt, nahm er wie selbstverständlich das Buch in die Hand, und blätterte darin herum.
 
Noch wußte er nicht, um was für einen Schatz es sich handelte.
 
Die Einleitung übersprang er gekonnt, und widmete sich sogleich den ersten Seiten.
 
Die Schrift war etwas merkwürdig. Die Buchstaben sahen so rational aus und hatten kein Gefühl. Ludwig war es seit seiner Kindheit gewohnt, daß die Buchstaben gefühlvolle Schwünge aufwiesen.
 
Er sah darüber hinweg und blätterte einige Seiten weiter und konzentrierte sich auf den Inhalt. Er las etwas über Ägypter, die riesige Pyramiden bauten, nur um einen König zu bestatten, die Pharaonen hießen.
 
„Schon eine verworrene Geschichte“, sagte er sich und dachte an eine Geschichte, die ein Mönch aus lange Weile geschrieben habe mochte.
 
Nachdem Ludwig einige Seiten überblätterte, kam er zu einem Thema, das er kannte. Es ging um Jesu Kreuzigung. Als nächsten Gedanken drängte sich Ludwig auf, daß es sich bei diesem Buch um ein Geschichtsbuch handeln könnte, an welches die Mönche zwischen den Gebeten arbeiteten.
 
Plötzlich bekam Ludwig große Augen. Was er nun las, sollte sich von all seinem Wissen über die Kirche stark entfernen. So überwältigt von diesem brisanten Inhalt beschloß er, sich auf seiner Stube weiter damit zu beschäftigen. Trotz seiner Verletzung und seinem geschwächten Körper, trieb ihn sein Geist zu Höchstleistungen an. Er stürmte in seine Stube und versteckte das Buch unter seinem Bett. Dann rannte er in den Keller um sich eine Karaffe mit Wein zu holen. Als er wieder die Treppen hinauf lief, merkte er nicht, daß seine Kopfwunde wieder anfing zu Bluten und er eine Spur aus Bluttropfen hinter sich herzog. In der Stube angekommen, verbarrikadierte er seine Tür und hängte eine Decke vor seinem Fenster. Nachdem er sich an den Tisch setzte, dachte er: „Wenn ich schon als Ketzer verurteilt wurde, was würden die Inquisitoren dann mit dem Verfasser dieses Buches machen?“
 
Ludwig meinte den Text, den er zu Anfang am Fuße der Treppe las. Danach wurde Christus von Pontius Pilatus verurteilt, weil dieser durch seine Reden die Macht des römischen Statthalters von Judäa gefährdete.
 
Obwohl Jesu für unschuldig befunden worden war, wurde er zum Kreuztod auf dem Berg Golgatha verurteilt. Nachdem er dann in eine Höhle gelegt wurde, besuchte ihn Maria Magdalena mit dem ungeborenen Kind.
 
Maria war aber nicht allein. Sie brachte zwei Bettler mit, die den Leichnam von Jesu heraustragen sollten, um ihn in der Wüste zu vergraben. Nach einiger Zeit schickte man den Zwillingsbruder von Jesu wieder in die Stadt, um zu beweisen, daß über ihn die Hand Gottes steht, die ihm zur Auferstehung half. Da niemand wußte, daß Jesu einen Zwillingsbruder hatte, fiel alle Welt darauf herein.
 
            Hier machte Ludwig eine kurze Pause. Er nahm ein Schluck Wein und las sofort weiter. Er überblätterte gleich mehrere Seiten und kam zu dem Jahr 1096. Er fing an zu lesen, daß es insgesamt sieben Kreuzzüge gab. Der erste von 1096 – 1099 und der letzte 1270 bis zum Ende der Kreuzzüge 1291 durch die Einnahme der Stadt Akko durch die Muslime.
 
            Ludwig machte eine erneute aber deutlich kürzere Pause. Er schluckte einmal theatralisch und blätterte noch einige Seiten weiter. Ihm schoß währenddessen ein Gedanke durch den Kopf, als er von den Kreuzzügen las. Das Buch in seinen Händen war so dick, daß er trotz rund 3500 Jahre Geschichte nicht einmal die Hälfte des Buches erreichte. Ihn interessierte plötzlich nicht mehr die Vergangenheit, sondern die Zukunft. Es ist sicherlich dem Sturz auf dem Kopf zuzuschreiben, daß er sich nicht einen Gedanken darum kümmerte, wie es möglich war, daß er eines der ungewöhnlichsten Geschichtsbücher in der Hand hielt, welches sogar schon die nächsten zwei- bis dreitausend Jahre beschrieb.
Beim Durchblättern las er einige Atemberaubende Fakten. So soll es mehrere Kriege geben. Der hundertjährige Krieg, indem sich Ludwig zeitlich schon befand. Zu seiner Zeit konnte aber noch niemand wissen, daß sich dieser Krieg, mit Unterbrechungen, 116 Jahre hinziehen sollte und sein Ende erst in der Vertreibung der Engländer vom Festland finden sollte. Die erfolgreichen französischen Armbrustschützen waren damals, oder besser gesagt, werden die Geheimwaffe im Kampf gegen England sein.
 
Später soll ein genuesischer Seefahrer, der so genannte Cristóbal Colón, oder wie die Italiener sagen werden,  Cristoforo Colombo, im Dienste Spaniens den Weg nach Indien über den Atlantischen Ozean antreten, wobei er aber nicht wie vermutet, die Indianer antrifft, sondern gleich einen ganzen Kontinent entdeckt.
 
            Ludwig machte abermals eine kleine Pause, blickte mit kindlichen Augen auf die Seefahrerkarte, die zu dieser Geschichte abgebildet war, und fing an, seine Gedanken schweifen zu lassen: „Wie kann es sein, daß dieses Amerika erst 1492 entdeckt werden wird? Kennen die nicht die Geschichte von Leif Eriksson?“
 
Als Ludwig noch ein Kind war, hatte ihm seine Mutter oft Wikingergeschichten erzählt. So soll nach diesen Sagen Leif Eriksson um die Jahrtausendwende von Grönland gestartet sein um im späteren Neufundland zu landen. Wegen den vielen Trauben, die dort wuchsen, nannte Erik das Land, Vinland, was so viel bedeutet wie Weinland.
 
1121 besuchte sogar der in Grönland wirkende Bischof Erik, die in Nordamerika gelegene Wikingerkolonie.
 
Ludwig war aber zu wißbegierig, um sich daran aufhalten zu lassen, also blätterte er weiter. Seine Augen, die durch das schwache Licht einer Kerze schon leicht anfingen zu brennen, erblickten die Jahreszahl 1618. Darunter sah er, daß es einen dreißigjährigen Krieg geben wird, bestehend aus vier einzelnen Kriegen.
 
Die interessierten Ludwig aber nicht und er gelangte durch mehrmaliges umblättern zum siebenjährigen Krieg von 1756.
 
„Brachte die Zukunft nur noch Kriege?“, dachte sich Ludwig und blätterte solange, bis er nichts mehr von Krieg las.
 
Er brauchte sich auch nicht anstrengen, bis er etwas positives las. Er sah dieses merkwürdige Wort vor sich - Dampfmaschine. Am Anfang konnte Ludwig mit diesem Wort - Maschine – nichts anfangen. Als er sich aber die Informationen darüber durchlas, erschien ihm die Erfindung sonnenklar. Durch Wasserdampf entstand ein Druck, den man mit Hilfe dieser Maschine in Bewegung umwandeln konnte. Diese Erfindung merkte sich Ludwig, um sie nach seinem Sieg über Karl in die Tat umzusetzen.
 
Zu diesem Zeitpunkt konnte er noch nicht wissen, daß er diese Idee nicht mehr umsetzten wird.
 
Ludwig las sich gerade die Daten zu einem Land durch, welches 1815 komplett aufgeteilt wurde. Daß ein Staat unter den Siegesmächten aufgeteilt worden war, ist für Ludwig nichts neues. Aber, daß es fast einhundert Jahre später wieder neu gegründet worden war, so etwas hatte er in seinem Leben noch nie gehört.
 
Im gleichen Jahr sah Ludwig, daß es sogar zu einem Weltkrieg kommen wird.
 
„Was soll das sein? - ein Weltkrieg? Sind da alle Staaten der Welt beteiligt?“, fragte sich Ludwig und überflog den Text, bis er eine Antwort darauf hatte. Fast das gesamte Europa war darin verwickelt. Als er sah, daß es sogar zwei Weltkriege gab und das auch noch kurz hintereinander ließ ihn grübeln. Wie war das gleich mit dem hundertjährigen Krieg? Der ging doch auch nicht durchgängig ein einhundert Jahre, sondern hatte auch Unterbrechungen. Warum waren dann nicht der erste und zweite Weltkrieg auch nur ein großer Krieg mit Unterbrechung? Vermutlich waren es Kriege aus unterschiedlichem Anlaß.
 
            Ludwig wollte nichts mehr von Kriegen lesen, denn das erinnerte ihn immer an seinen bevorstehenden Krieg mit Karl. Also blätterte er weiter und las, daß die Menschen 1969 n. Chr. sogar auf dem Mond landen werden und circa sechzig Jahre danach auf dem so genannten Mars.
 
Was Ludwig mehr beschäftigte war, was er nun zu lesen bekam. Er legte das Buch auf den Tisch und ging in seiner Stube auf und ab. Das konnte nicht sein! Wie war das möglich? Ist die Menschheit wirklich zu so etwas fähig?
 
Er ging wieder zum Tisch, um erneut das Buch aufzuschlagen. Er blätterte zu dem Jahr 1945 n. Chr. und sah sich dieses grausame Ding an, was er auf eine Zeichnung sah. Er sah einen metallischen Körper neben dem ein Mann stand der in etwa die gleiche Größe hatte. Neben dem Bild war die Erklärung zu dem metallischen Körper: „Die Atombombe wird 200 000 Menschen mit einem Schlag vernichten und weitere 100 000 werden verletzt“
 
            Ludwig fragte sich, wie es möglich war, daß ein so kleiner Gegenstand so viele Leute tötet, und noch so viele Jahre lang die Atmosphäre mit Zerstörung heimsucht? Er blätterte hastig weiter. sein Puls schnellte in die Höhe und er fing an zu schwitzen, obwohl auf dem Klosterhof Schnee lag. Nach einigen Seiten las er mehr über Zerstörung und Gewalt. Diesmal waren die Zahlen noch größer. Konnte das wirklich sein, oder war dies nur ein schlechter Traum? Er zerbrach die Karaffe, die schon seit einiger Zeit leer war, nahm eine Scherbe und ritzte sich in die Hand. Ludwig verzog das Gesicht vor Schmerz und wickelte anschließend seine stark blutende Hand in ein Tuch, um die Blutung zu stoppen. Würden seine schlußfolgernden Gedanken wahr werden, oder ging es mit seiner Fantasie zu weit? Mit zitternden Händen blätterte er zum Ende des Buches. Was er dort zu lesen vermochte, brauchte man nicht selber zu lesen.
 
Ludwigs Gesicht selbst war in diesem Augenblick, wie ein offenes Buch. Das Adrenalin in seinem Körper erweiterte seine Pupillen noch mehr, als diese durch Dunkelheit fähig wären. Dem Weiß in seinen Augen mußte dem Rot der blutunterlaufenen Glaskörper weichen. Sein Körper zitterte und er konnte plötzlich nicht mehr sprechen. Er wollte laut fluchen, aber brachte keine Silbe heraus. Mit dem Buch in der Hand wollte er in den Klosterhof laufen, um das infernale Buch in den Brunnen zu werfen, damit es nie wieder seine grausamen Prophezeiungen verkünden kann. Auf dem Weg zum Ausgang, bemerkte Ludwig, daß seine Hose merkwürdig warm wurde. Er blickte an sich herunter und sah, daß sein Schritt naß war. Im ersten Augenblick schrieb er dies der Angst zu, welche er beim Lesen der letzten Seiten bekam. Denn das, was er dort las, überforderte sogar seine Fantasie. Nachdem er durch die Tür schritt, um die Treppe hinunter zu laufen bemerkte er, daß es nicht die Angst war, welche ihn zum Verlust der Blasenfunktion veranlasste. Er merkte erst jetzt, daß es mit ihm zu Ende ging. Plötzlich erlahmte die rechte Seite seines Körpers. Durch die Schwäche knickte sein Bein um und er brach vor seiner Tür zusammen.
 
Beim Sturz fiel ihm das Buch aus der Hand und schlug wie zufällig eine Seite im vorderen Teil auf. Der erste Eintrag, den man lesen konnte war:
 
    „Ludwig IV., römischer König und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, stirbt am Donnerstag        
    den 11.10.1347 im Kloster Fürstenfeldbruck an den Folgen eines Schlaganfalls, welcher durch    
    Gehirnblutungen der linken Gehirnhälfte verursacht wurde.“
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.03.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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