Peter, der Wolf im Schafspelz, Nr. 42
Peter sah noch einige Zeit
auf den dunklen See und schwang sich dann auf das kleine Rad, welches er ein
Stück über den sandigen Boden getragen hatte. Nur keine Spuren hinterlassen,
sagte er sich immer wieder. Jetzt konnte er die Handschuhe abziehen und steckte
sie in die Hosentaschen. Auf dem Verbindungsweg zur Stadt fahrend, kam er an
dem Häuschen vorbei, wo er auch schon einige Schäferstündchen mit Frau Ellen
genossen hatte. Er stieg langsam und vorsichtig ab, stieg über den niedrigen
Jägerzaun und schlich sich ans anheimelnd erleuchtete Fenster. Drinnen sah er
die ausgezogenen Couch und Frau Ellen ausgebreitet, darauf liegen. Ein
massiger, nackter Mann beugte sich über sie und küsste ihren Hals und
bearbeitete sie zwischen ihren Beinen. Man konnte sehen, dass der Mann enorm
schwitzte, denn seine Haut glänzte im Kerzenlicht und ab und sah man eine
breite, haarlose Männerbrust und muskellöse Oberarme. Deutlich konnte man eine
schwere, dicke, goldene Halskette um den fetten, kurzen Hals des nackten Mannes
sehen. Peter hörte ihre lauten
Lustschreie und sein tiefes unartikuliertes Gebrumme sogar durch das
geschlossene Fenster. Man fühlte sich wohl sehr sicher und das machte Peter
wütend, sogar fast ohnmächtig wütend. Langsam ging er um das Haus und fand im
Hinterhof einen dunklen, schwarzglänzenden Jaguar stehen. Das Fahrerfenster war
offen und er überlegte, was er machen könne. Rasch zog er seine Handschuhe
wieder an und öffnete leise die Fahrertür. Dem Jackett auf dem Rücksitz entnahm
er die dicke Brieftasche, die Seitentaschen der Autotüren waren leer. Im Handschuhfach entdeckte er
goldenes Zigarettenetui und ein dazu gehöriges Feuerzeug. Beides steckte er ein
und jetzt sah er erst die kleine Pistole. Hastig griff er danach und schlich
sich dann ganz schnell am Fenster vorbei, wo er im Vorbeigehen die nun zusammen
geschmolzenen Körper sah. Schnell war er beim Rad und strampelte in Windeseile
heim. Er kam an einem kleinen Bach vorbei und da hatte er eine grandiose Idee.
Er fuhr einige hundert Meter vorsichtig durch den flachen Bachlauf. Falls man einen Fährtenhund einsetzte, konnte
dieser keine Spur finden. Das Rad kam dann dahin, wo er es hergeholt hatte. In
der Scheune stellte er schnell das Diebesgut in eine Ecke und breitete einige
alte Decken darüber, er würde sich später darum kümmern. Das Beutegut aus dem
Jaguar untersuchte er, während er Wasser in die Wanne einlief. Die Pistole war gut gepflegt und scharf
geladen, mit vollem Magazin. Die Brieftasche war voller Karten für irgendwelche
Clubs und Großhandels-Einkaufsmärkte, eine Geldkarte und mehrere große Scheine
und viele kleinere Scheine. Insgesamt fast dreitausend Euro. Ein Familienbild
zeigte den Mann, der es jetzt bestimmt noch mit Frau Ellen trieb und eine
asiatisch ausehende, viel jüngere Frau mit einem kleinen Mädchen. Mehrere,
unbenutzte Vistitenkarten sagten, dass sich der Großhandelskaufmann Peer
Dräkert über die Kontaktaufnahme und Bekanntschaft mit neuen Kunden sehr freue.
Als Wohnort war die nicht weit entfernte Landeshauptstadt angegeben. Peter
packte alles gut in einen Plastebeutel weg. Während er in der Wanne lag, fiel
sein Blick durch die offenstehende Flurtür auf die Wanduhr. In ener Stunde
müsste er normalerweise aufstehen und sich zurechtmachen, um zur Arbeit zu
fahren. Noch einmal ging er alles durch und fand, dass er keine Spuren bzw.
Fehler gemacht haben kann. Um sich abzulenken, dachte er an Antje und hangelte
sich das Handy heran. Er wählte ihre Nummer und lauschte.Sie müsste auch schon
aufgestanden sein und schon beim Frühstück sitzen, ohne das ging sie ja nie aus
dem Haus. Nach bestimmt zwanzigmaligen Klingeln wurde angenommen und ihre Mutter
meldete sich. Peter war überrascht und hörte, dass Antje krank sei. Sofort
fragte er, was sie denn habe ? Peter wusste nicht, dass Antjes Vater mit am
Tisch sass und seiner Frau beschwörende Zeichen machte, nichts zu sagen. Sie
sagte dann.dass sie bald munter werde und ihm es selbst sagen werde. Peter war
zu sehr mit sich und den Geschehnissen der letzten Nacht beschäftigt, um hier
schon zu merken, dass etwas nicht stimmen konnte. Er verabschiedete sich mit
den Worten, dass er dann nochmal anrufen werde, denn er müsse jetzt zur Arbeit
fahren. Antjes Mutter hielt noch einige Minuten Antjes Handy in der Hand und
sah ihren Mann fragend an. Dieser zog die Schultern hoch und sagte zu seiner
Frau, dass Antje ihm das schon selbst sagen müsse. Peter ist ja schließlich
noch die Person, die vor ihren Eltern jetzt kommt. Antje war auf dem
abendlichen Heimweg von der Arbeit, sehr schwer gestürzt. Passanten fanden sie,
als sie ohnmächtig über eine Stunde da gelegen hatte. Man brachte sie sofort
ins Krankenhaus und sie wurde sofort untersucht. Dabei stellte man auch fest,
dass Antje im 4. Monat schwanger war und dass Kind schon mehrere Tage nicht mehr am Leben
war. Antjes Vater hatte diese Nacht
nicht geschlafen. Sofort nach dem Anruf aus dem Krankenhaus, waren sie beide
hingefahren und hatten ihrer unglücklichen Tochter Trost gespendet.
Der Vater haderte mit
sich, weil er nicht gemerkt hatte, in welchen Umständen seine Tochter war. Vor
einer halben Stunde hatte das Krankenhaus angerufen und den besorgten Eltern
mitgeteilt, dass die Tochter ihre Eltern sehen wolle und ständig weinen würde.
Antjes Vater hatte heute keinen Dienst und so wollten sie dann sofort hinfahren
zu ihrerem einzigen Kind.
Peter saß im BMW und
summte vor sich hin, im Radio hörte er andächtig auch noch einem Pfarrer zu.
Dieser sprach davon, dass man anderen, denen es nicht so gut gehen würde, auch
etwas abgeben müsse. Peter lächelte geringschätzig,
murmelte, was ihn denn fremdes Elend anginge und fuhr mit einem flotten Schwung
in den Schulhof ein. Mit schnellen Schritten eilte er durch das noch fast leere
Schulhaus. Betont salopp und kein Mensch konnte erkennen, dass er genauestens
seine Umwelt abscheckte. Im Gemeinschaftszimmer des Lehrpersonals saßen schon
alle da und unterhielten sich. Peter tart ein, wünschte einen guten Morgen,
wovon nur Naumann Kenntnis nahm und holte sich sein Klassenbuch aus dem Fach.
Also, war noch nichts bekannt und man hatte den Einbruch noch nicht bemerkt.
Peter setzte sich zu Naumann und sie unterhielten sich über die kleine Wohnung,
die Naumann gestern bezogen hatte. Es klopfte und eine der Reinigungskräfte
trat ein. Sie fragte, ob jemand das Schloß vom neuen EDV-Kabinett gewechselt
habe. Sie könne die Tür nicht öffnen und müsse doch es heute noch putzen für
den morgigen Besuch des Arbeitsamtprüfers. Einer der EDV-Dozenten stand
unwillig vor sich hinbrummelnd auf und ging mit der ratos dastehenden Frau
wieder ins Obergeschoß. Peter wurde es inder Magengegend flau und er bemühte
sich, seine Stimme trotzdem fest klingend hören zu lassen. Naumann und er
machten gerade Pläne für das kommende Wochenende, sie wollten nach Berlin
fahren und sich amüsieren. Da flog die Tür wieder auf und krachte laut an die Wand,
so dass sich ein Stück Putz von der Decke löste. Mit leichenblassen Gesicht
stürmte der EDV-Dozent herein und rief, dass alle neuen, noch verpackten
EDV-Unterrichtsmittel weg seien. Eisige Stille durchströmte den Raum und alle
rannten ins Obergeschoß. Da standen nun 15 Männer und bestaunten ein
EDV-Kabinett, dass fast leer war. Nur die alten PC, die zum Ausschlachten
bereitgestellt waren, standen aufgetürmt in einer Ecke.