Jigoro Kano

Gedanken eines verwirrten Menschen



Geistiges Chaos! Ich muss mich sortieren. Doch weiß ich überhaupt was ich will – ich glaube schon… nein,… ich
weiß es nicht!
Bisher lebte es sich soo einfach.
Ich hatte meine Ziele, meine Träume, meinen Kummer und meine Sorgen. Ich hatte
moralische Wertvorstellungen, an denen ich mich immer orientieren konnte und
wollte.
Denn wenn ich so lebte und das
war nicht schwer, dann war ich ein guter Mensch… und darauf kommt es doch an.
Es war auch ganz leicht andere
Menschen zu verurteilen, die nicht nach diesen Wertvorstellungen lebten. Ich
dachte nur immer: Unvorstellbar, wie kann man SOWAS nur tun?! Es ist doch so
klar, dass DAS nun wirklich nicht in Ordnung ist. Freunde, Bekannte, jeder
Mensch auf Erden gab einem Recht.
Wohl wahr!
Doch was soll man tun, wenn man
erstmal selbst in einer solchen Situation steckt. In einer Situation, voller
Gefühle und trotzdem erfüllt von Kälte. In einer Situation, in der man seine
eigenen Wertvorstellungen von sich werfen müsste, um seinem Herzen folgen zu
können. Doch auch dann wäre man nicht glücklich, weil man ja weiß, dass DAS so
eigentlich nicht ok ist.
Verurteilt hat man es sogar… zutiefst.
Suche ich mir eigentlich aus wen ich liebe? Suche ich mir aus, wessen
Nähe ich brauche und wo ich mich wohl fühle. Entscheide all das ICH?
Wenn es denn so wäre, warum kann
ich dann nicht fühlen: „Nein, ich möchte deine Nähe nicht. Sie bedeutet mir gar
nichts!“ Irgendwas läuft hier doch falsch.
Ich habe eine Frau kennen gelernt – ist schon eine Weile her.
Als ich sie das erste Mal gesehen habe, dachte ich: Waaahhhhhooo, sieht nicht schlecht aus! Aber das Äußere ist nur die Schale und du kennst nicht den Kern.
Anfangs schien es mir so, dass sie mich nicht wirklich mag. Doch sympathisch war sie mir schon immer.
Na ja, was sollt ich auch machen. Es kann mich ja nicht Jeder mögen.
Im Laufe der Zeit wurde mir klar, dass sie mich eigentlich doch irgendwie zu mögen schien.
Das war ok.
So öffneten sich beide Seiten und lernten sich besser kennen. Eine Freundschaft ist entstanden – geschwisterlich irgendwie, verrückt und verspielt, - einzigartig und schön.
Zwischendurch kamen mir so Gedanken: „Lieber Gott im Himmel, so eine Frau wäre doch mal was für mich. Einfach nur genauso durchgedreht, super lieb und umwerfend schön.“
Aber gleich im nächsten Moment kam dann der Gedanke: „Selbst wenn es diese Frau für dich geben würde, müsstest du dich doch um 180° drehen, Ganzkörperstyling inklusive, um auch für sie interessant zu sein. Und selbst das ist seeehr unwahrscheinlich.“
Dann irgendwann dachte ich: „Verdammt,
jetzt fängst du an zu spinnen!!! Will sie was von dir? – So ein Schwachsinn!!!
Nie im Leben!!!“
Und dann kam es wie es kommen musste. Wir verbrachten einen heiteren Abend in gemütlicher Runde.
Alle waren leicht beschwips und ich war mit irgendetwas unzufrieden – nicht weiter tragisch, dennoch wollt ich allein sein. Ich ging raus und schlief irgendwo auf diesem Planeten, auf einem kleinen Tisch in eisiger Kälte ein.
Der Flasche Wodka, die ich intus hatte sei dank, dass ich nicht erfroren bin. Ich wurde wach und musste mich sammeln. Ging wieder rein und horchte an den Zimmertüren der Anderen, ob noch jemand wach ist. Ich wollte unbedingt mein schlechtes Gewissen loswerden und sagen: „Hey, das war nicht ok! Bitte nicht sauer sein! Es tut mir leid! Ich wollte das nicht!“
An ihrer Tür hörte ich Stimmen aus dem TV. „Puhhh, hoffentlich ist sie noch wach. Hoffentlich haben sie sich keine Sorgen gemacht.“
Ich klopfte.
„Komm rein! Lass uns erstmal eine rauchen!“
Man war ich froh, so schlimm kann die Stimmung ja gar nicht sein.
„Es tut mir leid!“ „Kein Problem!
– Man strahlst du eine Kälte aus!“
Mein Körper war schon zerfressen vom Wind. „Hol dir erstmal deine Decke. Das kann sich ja keiner angucken!“
Also holte ich meine Decke und ging wieder zu ihr mit dem Gedanken: „Zum Glück ist sie schon mal nicht sauer.
Dann werden die Anderen sicher auch drüber stehen und es mir verzeihen.

Jedenfalls kam ich irgendwie in ihrem Bett
zu liegen. Wir haben nichts Verbotenes gemacht – gekuschelt, wenn man so will.
Doch ich fühlte mich wohl bei ihr… so warm und sanft und zart. Diese
Zweisamkeit, welche ich schon lange unbewusst vermisst habe, war einfach nur
wunderschön.


Ich war viel zu voll, um wahrzunehmen,
dass der derzeitigen Situation im Regelfall gewisse Dinge folgen oder folgen
könnten. Ich war glücklich damit, dass ich mich an einen wirklich lieben
Menschen kuscheln konnte, den ich mag.


Natürlich gab es auch Blitzmomente,
als ich klarer wurde. Momente, in denen ich dachte: „jetzt nur nicht in IRGENDEINER
Form erregen, sonst ist ALLES zu spät.“


Nun ja, ich schlief ein und wurde
irgendwann von dieser Stimme geweckt:


„Du solltest rüber gehen, denke
ich!“


Schlaftrunken taumelte ich zur
Tür.


„Vergiss deine Socken nicht!“ - „Danke!“


„Hast du alles?“ - „Denke schon!“


Ich ging in mein Zimmer und
schlief.



Zwei Stunden später mit drehendem
Kopf aufgewacht, traf ich sie.


Wir beide hatten ein schlechtes
Gewissen.


Warum?


Weil sie ein Kind hat und verheiratet ist. Verdammt!!!!

Was hab ich getan?



Verdammt, warum haben wir es nicht
getan?


Verdammt, warum weiß ich nicht
mehr was ich will? Ich weiß doch was ich will!


Warum kann ich es mir nicht
nehmen?


Später haben wir uns dann dummer
Weise noch gestanden, dass das gegenseitige Verlangen noch nicht erloschen ist,
dass halt der Verstand eine Mauer zwischen uns zieht. Heimlich, ohne jegliche
Mitwisser, hielten wir den besonderen Kontakt. In der Öffentlichkeit spielten
wir unser Spiel – erst vorsichtig und unsicher doch dann die Situation
beherrschend und voll unter Kotrolle. Doch alles war nur gespielt. Keiner
durfte das erfahren.


Und wenn wir dann beide zu Hause
waren, gingen blitzartig die Bildschirme an und wir chatteten und chatteten und
chatteten… immer bis ihr Mann von der Arbeit kam.

Verdammt, ich will raus aus
meiner Haut! Verdammt, in der Haut ihres Mannes wollt ich auch nicht stecken und schon gar nicht in ihrer!

Verdammt, was mach ich hier nur?
Monatelang war ich so energielos
und seelisch erschöpft. Viele Menschen, welche mir sehr am Herzen liegen, sind
gestorben. Ich war einfach müde. Wo kommt diese Energie her, die mich antreibt,
Dinge tun zu wollen, die ich eigentlich gar nicht tun will. Dinge, die ich
verachte. Warum will ich das nun? Warum kann ich es nicht ausschalten?



Immer wieder gehe ich geistig in
einen Raum und suche dort nach der Lösung. Der Raum ist leer – nicht mal
Tapeten an der Wand. Aber immer und immer wieder gehe ich durch diese Tür und
suche und suche und finde nichts.


Zu wissen, dass ich nichts finde,
und trotzdem weitersuche, scheint paradox zu sein. Dessen bin ich mir bewusst.

Dennoch such ich weiter. Denn die
Hoffnung auf Hoffnung stirbt zuletzt.

Es muss doch einen Weg geben, - einen Weg, der ALLE Beteiligten glücklich
durch diese Sache bringt.


Ein Weg, der nicht gegen
moralische Wertvorstellungen verstößt.
Verdammt! Ich weiß nicht wohin!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.03.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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