Günter Kienzle

Die größte Reise unseres Lebens (Kapitel 14)

Inhaltsangabe: Lernen Sie den achtzehnjährigen Alexander kennen, er ist Stricher auf Moskaus Straßen. Lernen Sie den siebenjährigen Sergej kennen, der ebenfalls auf der Straße lebt. Ihnen dienen Keller und die Moskauer Kanalisation als Schlafplatz.
Lernen Sie auch Jürgen kennen, der in Moskau ist und nach Ideen für ein neues Buch sucht. Alle drei Schicksale sind miteinander verknüpft.
Eine Geschichte von Freundschaft, aber auch dem menschlichen Elend. Der Gleichgültigkeit der Gesellschaft und der Menschlichkeit einiger weniger. Eine Reise, die in Moskau beginnt und Sie bis nach Sibirien führt. Leider ohne Happy End! (DRAMA) Bitte bei Kapitel 1 beginnen!

Lernen Sie den achtzehnjährigen Alexander kennen, er ist Stricher auf Moskaus Straßen. Lernen Sie den siebenjährigen Sergej kennen, der ebenfalls auf der Straße lebt. Ihnen dienen Keller und die Moskauer Kanalisation als Schlafplatz. Lernen Sie auch Jürgen kennen, der in Moskau ist und nach Ideen für ein neues Buch sucht. Alle drei Schicksale sind miteinander verknüpft. Eine Geschichte von Freundschaft, aber auch dem menschlichen Elend. Der Gleichgültigkeit der Gesellschaft und der Menschlichkeit einiger weniger. Eine Reise, die in Moskau beginnt und Sie bis nach Sibirien führt. Leider ohne Happy End! (DRAMA) Bitte bei Kapitel 1 beginnen!

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Kapitel 14

Sibirien 1 (Teil 2)

Der Fremde ist übrigens gut zu Hause angekommen. Seiner Frau erzählte er, dass er länger habe arbeiten müssen. Dafür hat er seinen beiden Kinder Geschenke mitgebracht. Er ist eben ein fürsorglicher Familienvater und liebt Kinder über alles!

 

Lachen drang aus dem Abteil, als Alexander die Tür öffnete und mit drei Gläsern Tee eintrat. >>Wir haben Glück, die Zugbegleiterin hat frischen Tee aufgebrüht!<<

>>Vielen Dank, dass sie mir auch welchen gebracht haben.<<

1>>Marcel, sie brauchen nicht Sie zu sagen. Wir kennen uns ja bereits mit Vornamen, da wäre das Du besser angebracht!<< Sein Freund nickte zustimmend.

>>Ja, sie, ähm ich meine du hast recht. Manchen ist das ja nicht so recht, ich bin daher immer vorsichtiger.<<

>>Wie weit reist du?<< ,wollte Alexander wissen.

>>Ich weiß nicht, ich habe ja nichts groß geplant. Noch ein paar Stationen, dann steig ich aus und unternehme eine mehrtägige Wanderung durch die Taiga. Jedenfalls werde ich viel zu erzählen haben, wenn ich wieder Zuhause bin.<<

>>Ist der Tee heiß!<< ,stellte Jürgen fest, doch leider zu spät, die Zunge war schon verbrannt.

Sein Freund musste lachen. >>Ich wollte es gerade sagen. Jetzt kann ich es mir ja sparen.<<

>>Wie witzig, verbrenn du dir einmal die Zunge.<<

>>Du wirst es kaum glauben, ist mir schon passiert, und nicht nur einmal!<<

>>Ich gehe einmal austreten!<<

>>Ihr scheint euch gut zu vertragen, du und Jürgen.<<

>>Ja, er ist ein netter Mensch, und eigentlich kann jeder gut mit ihm auskommen.<<

>>Das glaube ich dir gern. Was wollt ihr denn in Sibirien machen, wenn ich fragen darf?<<

>>Jürgen will da sein neues Buch schreiben.<<

>>Oh, Jürgen ist Schriftsteller!<<

Alexander nickte. >>Und einer meiner besten Freunde. Ich habe ja nur ihn. Sergej ist sicher tot.<<

>>Sergej?<<

>>Ja, ein kleiner Junge. Er war ebenfalls ein guter Freund und hat mir sogar einmal das Leben gerettet und jetzt ist er selbst nicht mehr da. Du würdest ihn mögen, man muss ihn einfach lieb haben.<<

>>Geh ich recht in der Annahme.<< Marcel machte eine kleine Pause, denn die Frage war ihm nicht so recht, trotzdem wollte er es wissen. >>Damit du vorher auf der Straße gelebt hast?<<

>>Ja, merkt man es mir an?<<

>>Nein, aber es war so ein Gefühl aus dem Bauch heraus. Es muss bestimmt hart sein auf der Straße.<<

>>Es ist nicht einfach. Man ist oft allein, schläft in Kellern und in anderen Behausungen, die du sicher nicht wissen willst. Manchmal hat man Geld, manchmal keins. Jeder Tag ist ein Kampf.<<

>>Hast du denn keine Eltern mehr?<<

>>Die meisten, die auf der Straße leben, haben Eltern. Ich ebenfalls! Aber unsere Eltern sind nicht so gut wie deine. Sie besaufen sich und wenn sie dann besoffen sind, verprügeln sie ihre Kinder.<<

>>Aber es gibt doch Heime!<<

Alexander lächelte. >>Mein Freund Sergej kann dir davon ein Lied singen. Die meisten Heime sind zum Kotzen. Deswegen lief er von da weg.<<

>>Das sind ja Missstände in diesem Land, furchtbar! Ich habe in St.Petersburg einige Straßenkinder gesehen. Die waren vielleicht dreckig.<<

>>Das ist klar, lebe du einmal auf der Straße und schlafe in dreckigen, alten Häusern, da siehst du dann auch so aus.<<

>>Bei uns in Frankreich wäre das unvorstellbar und ich denke in Jürgens Land ebenfalls.<<

>>Hier ist das normal, es kümmert keinen. Manchmal wird man beschimpft und nicht überall kannst du rein, wenn du auf der Straße lebst. Es gibt welche, die schließen sich einer Gruppe an, das ist das leichteste, so kann man am besten überleben. Dann gibt es andere, die versuchen es allein, die schwerere Art zu überleben.<<

>>Ich nehme an, du gehörtest zur zweiten Art!<<

>>Ja, bis ich Sergej traf. Wir haben eine schöne Zeit zusammen verbracht, bis zu dieser Razzia. Da haben sie meinen Freund erwischt und ihn in ein Heim gebracht. Ich habe versucht ihn da rauszuholen, aber als ich ankam, war er nicht mehr da. In Moskau ist er aber nie aufgetaucht. Also muss ich annehmen, dass er nicht mehr lebt.<<

>>Da kannst du froh sein Jürgen getroffen zu haben.<<

>>Stimmt! Er hat niemanden und ich niemand, so hat es gepasst!<<

 

Anton brühte ebenfalls Tee auf, weniger allerdings für sich, sondern viel mehr für seinen Besucher. Dieser saß da und starrte weiterhin auf die Wand. >>Der Tee ist gleich fertig!<<

>>Warum ist mir das passiert?<< ,fragte sich sein Kollege.

>>Es hätte jedem passieren können. Jeder wünscht sich natürlich, dass es ihn nicht trifft.<<

>>Ich hab zu spät gebremst.<<

>>Unsinn, woher solltest du wissen, dass da jemand steht.<<

>>Der Junge war erst sechzehn Jahre alt und ich hab ihn umgebracht!<<

Anton war mit seinem Latein am Ende. Gestern Nacht gegen zweiundzwanzig Uhr war es passiert. Er musste dann die Lok bis zum nächsten Bahnhof steuern, sein Kollege war so geschockt, dass er gar nicht ansprechbar war. Deswegen ließ er ihn heute Nacht hier schlafen. Es war nicht gut, wenn man in einer solchen Situation alleine war. Der Teekessel fing zu pfeifen an. Nachdem der Tee überbrüht war, setzte er sich wieder zu seinem Kollegen.

>>Ich werde nie mehr eine Lok fahren.<<

>>Unsinn! Jetzt lasse einmal ein paar Tage vergehen, dann bekommst du Abstand zur Sache.<< Innerlich wusste er, dass man so etwas nie vergessen konnte. Zwei seiner Kollegen, gaben ihren Job deswegen auf. Als Außenstehender war es leicht abzutun, aber wenn man selber betroffen war. Er wusste nicht, wie er reagieren würde. >>Ich gehe schnell in den Keller und hole eine Flasche Wein, die ich letzte Woche gekauft habe<< ,meine Anton und klopfte seinem Kollegen mitfühlend auf die Schulter. Als er mit der Flasche wieder zurückkam war sein Kollege weg!

 

Jürgen wollte gerade die Klinke zum WC drücken, als er Stimmen vernahm. An sich nichts besonderes, nur diese Stimmen sprachen Deutsch. Er schaute durch das Fenster ins Abteil, es waren vier Jugendliche. Vorsichtig öffnete er die Tür. >>Hallo, es ist schön hier Landsleute zu treffen.<<

Überrascht sahen ihn die Jugendlichen an, bevor sie ihn ebenfalls grüßten. >>Ja, wir sind aber nicht freiwillig hier.<< Die vier kicherten.

>>Wie viel seid ihr denn?<<

>>Sieben Leute und der Sozialarbeiter. Die sitzen ein Abteil weiter vorne. <<

Im gleichen Augenblick kam jemand aus dem anderen Abteil. Ein Mann mit Bart, ungefähr Mitte dreißig. >>Machen sie wieder Probleme?<< ,fragte er in gebrochenem russisch.

>>Nein, ich habe nur gehört, dass sie deutsch sprachen. Ich bin ja ebenfalls Deutscher<< ,antwortete der Autor auf Deutsch.

Der Mann reichte ihm die Hand. >>Freut mich sie hier zu treffen!<<

>>Danke, mich ebenfalls. Die Jungs sagten mir, dass sie nicht freiwillig hier sind.<<

>>Stimmt, eben Leute aus sozial benachteiligten Familien. Bisher hat nichts geholfen. Das Sibirien Projekt ist ihre letzte Chance. Wenn sie das nicht schaffen, werden sie wohl öfter im Knast als in Freiheit sein.<<

>>Verstehe! Was ist das denn für ein Projekt?<<

>>Die Jugendlichen arbeiten hier auf einer Art Bauernhof. So lernen sie wieder ein geregeltes Leben kennen. Erfahrungen haben wir bis jetzt nicht, das hier sind die ersten.<<

>>Das ist sicher eine Herausforderung für sie.<<

Der Sozialarbeiter nickte. >>Es ist nicht so ganz einfach mit ihnen. Ich habe gleich beim ersten Haufen die schwersten Fälle mitbekommen.<<

>>Dann setzt man ja großes Vertrauen in sie.<<

Der Mann lächelte. >>Sagen wir lieber so, sie haben keinen anderen Dummen gefunden, der es macht. Sie sind sicher als Tourist hier?<<

>>Nein, ich schreib einen neuen Roman hier. Bisher hat mir nur das Thema gefehlt, aber was reden wir eigentlich im Gang, kommen sie doch einfach in unser Abteil, wenn sie hier abkömmlich sind.<<

>>Ja, ich hoffe die stellen hier nichts an. Gerald du passt mir auf, dass hier kein Scheiß gemacht wird, während ich weg bin!<<

>>Ja, Meister!<<

>>Respekt haben die ja nicht gerade!<< ,stellte Jürgen fest.

>>Ich habe es mir abgewöhnt darüber nachzudenken. Sie haben bedauerlicherweise vor nichts Respekt.<<

 

Dieser neue Anführer war jedenfalls ein Arschloch. Nachdem er ihm die Leviten gelesen hatte, ist er wieder gegangen. Hoffentlich würden sie jetzt auf den kleinen Knirps besser aufpassen. Keiner von der Bande konnte ihm jedoch etwas über Alexander sagen. Sein Freund war wie vom Erdboden verschwunden. In dem Keller hier war er schön öfter, aber das erste mal allein. Es war so ruhig und keiner mehr da mit dem er sich unterhalten konnte. >>Ach, mein lieber Alexander, wo bist du nur?<< ,seufzte er. Heute Morgen konnte er durchs Betteln etwas Geld einnehmen, wovon er sich ein Brötchen und eine Tube Klebstoff geleistet hat. Wo sein Freund noch hier war, nahm er das Zeug nie, aber das war jetzt egal. Gerade wollte er Klebstoff in die Tüte füllen als die Tür geöffnet wurde. Ein Mann betrat den Keller. Schnell verkroch sich Sergej in der hinterste Ecke, dabei trat er versehentlich auf ein Stück Glas. Der Mann kam näher und jetzt hatte er ihn entdeckt! Ohne zu zögern packte er ihn an den Ohren. >>Schon wieder dieses Straßenpack in meinem Keller. Du warst vor ein paar Wochen bestimmt dabei, als mir die Äpfel gestohlen wurden!<<

>>Ich habe ihnen nie was geklaut, außerdem sind in dem Keller nie Äpfel gewesen.<<

>>Jetzt hast du dich verraten!<<

>>Lassen sie mich gefälligst los!<< ,schrie Sergej.

>>Natürlich lasse ich dich los, sobald die Miliz da ist!<<

Miliz, das fehlte ihm gerade noch. So fest er konnte trat er ihm mit dem Fuß ins Knie. Der Mann schrie auf und ließ einen Moment ab. Diesen nutzte Sergej und rannte die Treppen hoch. Der Schlüssel steckte von außen. Der Kleine ließ die Tür ins Schloss fallen und drehte den Schlüssel herum. Wenige Sekunden später fing der Mann zu brüllen an. >>Lass mich sofort raus!<<

>>Da müsste ich ja schön blöd sein!<< ,meinte Sergej. Eigentlich konnte er ja jetzt gehen, aber es gefiel ihm, den Mann etwas zu ärgern. >>Wenn du mich lieb bittest, könnte ich es mir vielleicht überlegen.<<

Eine Pause entstand. Der Mann zögerte, dann kam aber die Bitte. >>Würdest du mich bitte raus lassen?<<

>>Nein, nicht so, du musst sagen, lieber Sergej, würdest du mich bitte rauslassen!<<

Der Mann würde bestimmt schon kochen vor Wut. Trotzdem sagte er dann den gewünschten Satz.

>>Das geht leider nicht!<<

>>Warum?<<

>>Der Schlüssel ist abgebrochen!<< ,log er.

Das war zu viel. Der Mann pochte wütend gegen die Tür und schimpfte ihn alles zusammen.

>>Ich wünsche dir einen schönen Aufenthalt in deinem Keller!<< Blöd war nur, dass der Klebstoff im Keller lag. Blieb ihm nur, nochmals auf Betteltour zu gehen. Als er aus dem Haus kam fing es zu regnen an.

 

Alexander wunderte sich bereits, wo Jürgen so lange blieb. In dem Augenblick ging die Schiebetür auf. Jürgen und ein anderer Mann traten ein. >>Es sind noch Landsleute von mir im Zug, das ist ..<< Jetzt fiel ihm erst auf, damit er seinen Namen gar nicht wusste.

>>Ihr könnt mich Bernd nennen!<<

>>Mein Name ist Jürgen, das ist ein Freund, Alexander und dieser Herr ist Marcel, er ist Franzose.<<

Bernd schüttelte allen die Hände, während der Autor kurz zusammenfasste, weswegen Jürgen hier war. Der Sozialarbeiter setzte sich neben Marcel. >>Was schreiben sie denn, also das Thema?<<

>>Über mich und Alexander und über ein Straßenkind.<<

>>Das ist aber ein sehr ernstes Thema. Da wird sich die Leserschaft in Grenzen halten.<<

>>Da haben sie sicher recht, aber ich halte es für wichtig, einmal darüber zu schreiben. Die meisten in dem Land sehen ja lieber weg, anstatt was zu tun.<<

>>Was sollte man denn ihrer Meinung nach tun?<<

>>Das frage ich mich auch?<< ,mischte sich nun auch Marcel in die Unterhaltung ein.

>>Heime sind jedenfalls nicht die Lösung. Zudem, bei einer Million Straßenkindern überhaupt nicht machbar. Wenn nur einige ein Kind aufnehmen würden, wäre das Problem gelöst.<<

Leider verstand Alexander nicht worüber sie sich unterhielten, da sie nun in englisch sprachen. Jürgen bemerkte seinen Fehler jetzt und übersetzte hin und wieder.

>>Sergej war ja im Heim, er hat mir erzählt, dass die Leute da nur Babys wollen, keine älteren Kinder!<<

>>Das Problem haben wir in Deutschen Heimen ebenfalls. Niemand will die älteren Kinder, das ist eben das Problem, und jetzt kommen sie und sagen jeder soll ein Kind aufnehmen. Noch dazu ein Straßenkind, welches vielleicht jahrelang auf der Straße gelebt hat, was Probleme mit sich bringen kann<< ,gab Bernd zu bedenken.

>>Es ist aber die beste Lösung!<<

Marcel musste grinsen. >>Sie sind wohl kein Realist. Niemand wird solche Kinder aufnehmen, fast niemand. Sie vielleicht und ein paar andere, das war es dann aber schon. Wie Bernd schon gesagt hat, diese Kinder bringen auch Probleme mit. Ich gebe zu, ich würde keins aufnehmen und du Bernd?<<

Der Sozialarbeiter überlegte einen Moment. >>Ich habe ja beruflich schon viel mit so Leuten zu tun, also tue ich mir das privat nicht auch noch an.<<

Marcel wandte sich an Alexander. >>Würdest du denn eins aufnehmen.<< Dies Frage hätte er sich aber sparen können, denn die Antwort war bereits klar.

1>>Ich würde nicht nur eins aufnehmen, sondern ganz viele. Ich finde das was Jürgen sagte schon richtig. Der Vorschlag ist gut, nur die Leute sind alle zu egoistisch.<<

>>Genau, jeder findet eine andere Ausrede um keins aufnehmen zu müssen. Der eine hat zu wenig Zeit, der andere kennt sich mit Kindern nicht aus, wieder ein anderer hat zu kleine Wohnung. Ausreden lassen sich schnell finden. Ich persönlich finde es nur traurig.<<

Bernd mischte sich wieder ein. >>Meinen sie ihr Buch wird etwas an der Lage oder der Einstellung der Gesellschaft ändern?<<

Jürgen sah ihn an und wurde nachdenklich. >>Ich weiß worauf sie hinaus wollen, sie haben sicherlich recht, es wird sich nichts verändern. Deshalb schreib ich es trotzdem.<<

 

 

 

 

>>Bald sind wir in Omsk!<< ,stellte Marcel fest. >>Da werde ich euch beiden verlassen. Es war aber eine Interessante Zeit mit euch.<<

Jürgen erhob sich. >>Ich muss ebenfalls raus, eine Zeitung besorgen. Man muss ja auf dem laufenden bleiben.<<

>>Wie weit fahrt ihr noch?<<

>>Bis Irkutsk Pass<< ,antworte Jürgen. >>Bleibst du drin Alexander?<<

>>Nein, ich vertrete mir draußen etwas die Füße!<<

>>Dann seid ihr noch einen Tag unterwegs!<<

>>Ja, dann Ausrüstung besorgen und weiter geht's.<<

Draußen gab Marcel den beiden schnell die Hand. >>So Leute, ich verabschiede mich kurz, ich hasse Abschiede. Euch beiden eine angenehme weiterreise und viel Erfolg mit deinem Buch Jürgen!<<

>>Danke, das kann ich brauchen.<< Eigentlich wollte der Autor mehr sagen, aber Marcel drehte sich bereits um.

>>Ich hole mir jetzt meine Zeitung, wir haben ja länger Aufenthalt, da brauch ich mich nicht zu beeilen. Lauf nur nicht zu weit vom Zug weg, in zwanzig Minuten geht es weiter!<<

>>Nein, ich bleib hier!<<

Die vordere Lok wurde abgekoppelt. Diese fuhr jetzt auf ein Nebengleis. Die hinteren Wagen wurden ebenfalls abgehängt. Wenn der Zug nachher weiterfuhr, würde die Lok vom Nebengleis zurück kommen und mit den restlichen Wagen in die Mongolei weiterfahren.

Hier waren ebenfalls viele Frauen, die Sachen anboten. Alexander kaufte ein paar selbstgebackene Kekse und ein Liter Milch, damit wollte er nachher Jürgen überraschen.

 

Gegen Abend und am zweiten Tag, saßen sie endlich das erste mal im Speisewagen. Den ersten Abend hatten sie verpennt.

Der Speisewagen war schon besser besucht gewesen, aber da wenig Touristen da waren, hielten sich die Besucherzahlen heute in Grenzen. >>Such dir aus was du essen möchtest. Ich sehe gerade auf der Karte, dass die Schnitzel haben, das werde ich nehmen!<<

>>Man merkt das du Deutscher bist!<< ,stellte sein Freund fest.

Jürgen musste grinsen. >>Und was nimmst du?<<

>>Ich nehme Fisch!<<

>>Man merkt das du Russe bist!<< Nun mussten beide lachen. Die Bedienung kam bereits. Lange warten musste man wenigstens nicht.

>>Haben sie sich schon entschieden?<< ,fragte sie.

Als sie ihre Bestellung aufgenommen hatte, lief sie zum nächsten Tisch.

>>Das wird für lange Zeit wohl das letzte mal sein, dass wir so nobel speisen.<<

Alexander wurde fast ein wenig verlegen. >>Ich freue mich, dass du da bist und auf so viel Luxus leg ich keinen Wert. Ich wollte nur mal sehen, wie so ein Speisewagen aussieht.<<

>>Warst du nie in einem?<<

>>Nein, als ich klein war sind wir nie weggefahren und mit meiner Oma konnte ich nicht, sie hatte nicht viel Geld. Da war selbst Zugfahren Luxus.<<

>>Deine Fahrkarte war übrigens billiger, ich musste ja Touristenzuschlag zahlen. Die nehmen es auch von den Lebenden.<<

>>Danke, dass du meine bezahlt hast!<<

>>Das musste ich ja, sonst könntest du nicht mitkommen. Zudem hab ich keine Lust die Abende in Sibirien allein zu verbringen.<<

>>Musst du jetzt nicht mehr. Ich bin ja da!<<

>>Wenn ich über mein Leben nachdenke, war ich eigentlich die meiste Zeit allein. Ich hab mir immer eingeredet, als Autor wäre das gut. Aber in Wirklichkeit hätte ich mich über ein bisschen Gesellschaft gefreut.<<

>>Ich war bis auf Sergej immer allein, auch als ich Zuhause gewohnt habe. Meine Eltern haben nur gesoffen, es war nicht schön da.<<

>>Das kann ich mir vorstellen. Wurdest du oft geschlagen?<<

>>Es ging. Wenn er zu viel trank kam es schon vor. Dann irgendwann bin ich abgehauen. In meinen Träumen stellte ich mir immer vor ihn umzubringen. Das kannst du dir jetzt nicht vorstellen?<<

>>Dann muss es schlimm für dich gewesen sein.<<

>>Ja, auf der Straße brauchte ich wenigstens keine Angst mehr vor ihm haben. Dafür vor anderen Dingen.<<

>>Wir haben viel Zeit in Sibirien und du wirst auch einiges von mir erfahren. Der Gesprächsstoff wird uns jedenfalls nicht so schnell ausgehen.<<

In dem Moment kam die Bedienung mit dem Essen.

>>Das sieht ja schon gut aus!<< ,stellte Jürgen fest. Dann besah er sich Alexanders Teller. >>Ich glaub Fisch wäre besser gewesen, das sieht richtig lecker aus.<<

>>Und ich wollte lieber doch Schnitzel!<<

>>Das trifft sich ja gut, dann tauschen wir einfach!<< Beide mussten lachen. So wanderten die Teller herum. >>Wusstest du eigentlich, dass die in diesem Zug alles frisch zubreiten.<<

>>Echt, das wusste ich nicht!<<

Nach dem Essen bestellte Jürgen zwei Gläser Sekt. >>Zur Feier des Tages können wir uns das schon mal gönnen!<< ,meinte er.

>>Schau mal nach draußen! Ein wunderschöner Sonnenuntergang!<<

Beide waren sie fasziniert. >>Eine schöne Landschaft und dieser herrliche Sonnenuntergang, das passt! Lass und anstoßen!<<

>>Auf was?<<

>>Auf dich und mich und auf Sibirien!<<

 

Zwanzig Minuten später waren sie wieder in ihrem Abteil.

>>Nochmals Danke Jürgen, für diesen schönen Abend!<<

>>Ja, hoffen wir, dass wir in unserem neuen Zuhause ebenfalls viele schöne Abende verbringen werden. Aber da bin ich mir ziemlich sicher!<<

>>Ich hab vorher Milch und Kekse gekauft, so als Snack für die Nacht.<<

>>Das war eine gute Idee, nur darf ich leider keine Milch trinken. Nun ja ein Glas, aber mehr nicht.<<

>>Warum?<<

>>Weil ich sonst dauernd aufs Klo rennen muss!<<

>>Entschuldige, das wusste ich nicht!<<

>>Du musst dich nicht dauernd bedanken und entschuldigen. Was mir gehört, gehört auch dir. Wir teilen einfach alles. Das mit der Milch konntest du ja nicht wissen, also gibt es nichts zu entschuldigen!<<

>>Ich habe ja leider nichts, was ich mit dir teilen kann.<<

>>Deine Gesellschaft, ist mir wert als alles Geld der Welt.<<

In diesem Moment klopfte es und die Zugbegleiterin übergab das Nachtzeug. Gestern hatten sie es nicht benutzt, aber heute würden sie die Betten aufklappen.

 

Als Alexander später im Bett lag, dachte er über viele Dinge nach. Was würde sie in Sibirien alles erwarten? Wie sah ihr neues Zuhause aus? Es war alles so aufregend und neu für ihn. Bald würde er schon mehr wissen. Aber eins bereute er nicht, Jürgen getroffen zu haben!

 

Sergej konnte nicht einschlafen. Irgendwie dröhnte ihm noch der Kopf vom Klebstoff schnüffeln, Er war das einfach nicht mehr gewohnt. >>Alexander, schläfst du schon?<<

Jetzt erst fiel ihm ein, dass er ja alleine war. Vielleicht geschah ein Wunder und er würde seinen Freund noch finden. Man sollte die Hoffnung nie aufgeben! Es war so still, kein Geräusch war zu hören. Jemand anderer war ebenfalls wach. Es war dieser streunende Hund, er dreht wieder seine Runde!

 

Kapitel 15 Sibirien 2 am Mi.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.04.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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