Karl Bednarik

Der kleine Prinz, Ver.4.000

 
        (Version für das vierte Jahrtausend)
 
                     Titelbild:

http://members.chello.at/karl.bednarik/PB01.jpg

                     Vorwort:
 
Schon immer haben die Besten unter den Autoren versucht,
veraltete Märchen auf den neuesten Stand zu bringen.
Erinnern Sie sich nur an die Hänsel-und-Gretel-Geschichte,
die im vierten Jahrtausend als Schedir-Schlacht erzählt wurde.
Mit Graf Hombug als Hänsel, McFertig als Gretel, der großen
Dunkelwolke als Wald, der Lege-Mutter aller Mirgs als Hexe,
und nicht zuletzt der Schedir-Supernova als Backofen.
Und so, wie Saint Exupery das alte Ikarus-Thema wieder
aufgefrischt hatte, so wollen wir ihm die Hand über die
Jahrtausende reichen, und dafür sorgen, daß sich auch unser
hoffnungsvoller Nachwuchs der alten Märchen erfreuen kann.
 
                   Rahmenhandlung:
 
Auf dem Planetoiden Pallas befindet sich einer der größten
Raumhäfen des Planetoidengürtels. Junge Raumkadetten, die die
verrufenste Hafenkneipe dieses Planeten besuchen, bekommen
außer der dort üblichen Schlägereien, auch manchmal einen
alten Raumprospektor zu sehen. Vom Tabakqualm, Fuseldunst und
umher fliegenden Stühlen völlig unbeeindruckt, schlürft er
dort den grünen venusianischen Kräuterschnaps, Vurguzz genannt.
Wer denn dieser alte Mann mit dem langen weißen Bart, dort in
der Ecke sei, wollen die jungen Raumfahrer dann meist wissen.
"Das ist der kleine Prinz" bekommen sie als Antwort.
Solcherart aufgeklärt, wollen sie meistens auch die Herkunft
dieses Spitznamens erfahren. Wenn man dem Barkeeper mit dem
roten Wikingerbart vier bis fünf große Wodka zahlt, erfährt
man sie auch.
 
                  Planetenbesitzer:
 
Space Commander Jim Cool hatte als junger Kadett noch den
Krieg gegen die Uraniden miterlebt. In der ersten
interstellaren Auseinandersetzung, dem Krieg gegen die Orions,
konnte er sich in hervorragender Weise profilieren. Und schon
älter, aber nicht rostig geworden, machte er den ersten
Wruk-Krieg mit. Hier gründete er die berühmte Todeslegion.
Mit einer Truhe von Tapferkeitsmedaillen, und dem ersparten
Sold von Jahrzehnten bewaffnet, nahm er das zivile Leben in
Angriff, als er die Altersgrenze der Raumflotte überschritten
hatte. Zu dieser Zeit wurden einige vollständig ausgebeutete
Minen-Planetoiden billig zum Verkauf angeboten. Jim Cool erwarb
P. 5736 und taufte ihn "Cools Schrebergarten". Er richtete es
sich anschließend in dem aufgelassenen Bergwerk wohnlich ein,
und machte sich daran, die Planetenoberfläche von
Industrieabfällen zu säubern. Jim Cool war entschlossen,
seinen Planeten in ein Schmuckkästchen zu verwandeln.
Die Abgas-Schächte des Bergwerkes gestaltete er
daher mit etwas Knetmasse in Miniaturvulkane um, die gut auf
einen Miniatur-Planeten zu passen schienen. Er organisierte
auch einen ziemlich genauen Vierundzwanzig-Stunden-Tag, sowie
eine Achs-Neigung von dreiundzwanzig Grad, indem er das
Triebwerk seines kleinen Schiffes verwendete. Als er gerade
sinnierend den Planeten umrundet hatte, und überlegte, ob er
eine künstliche Lufthülle anlegen sollte, entdeckte er den
Baum. Auf den Planetoiden waren schon seit langem Silikon-Bäume
entdeckt worden. Sie assimilierten Kieselsäure mit Hilfe von
Sonnenlicht zu Silikonen, aus diesen bestanden sie natürlich
auch. Die Kieselsäure besorgten sie sich mit Hilfe ihrer
kräftigen Wurzeln aus den Felsen der Planetoiden, die von
den größeren Exemplaren dieser Pflanzen oft regelrecht in
Stücke gesprengt wurden. Spaßeshalber nannten die Prospektoren
sie daher auch Affenbrotbäume. Die Herkunft dieser Art war
allerdings noch ungeklärt, man vermutete Sporen aus dem
interstellaren Raum. Jim Cool sagte sich, daß ein paar kleine
Bäume als Verzierung recht hübsch wären. Er ließ den Baum also
noch stehen, nahm sich aber vor, von Zeit zu Zeit zu prüfen,
ob er nicht zu groß geworden sei. Später entwickelten sich
noch viele andere Affenbrotbäume, die größten kürzte Cool mit
seinem Handlaser auf die richtige Länge.
Eines beschaulichen Tages jedoch entdeckte Jim Cool, daß es
noch mindestens eine weitere Spezies Silicon-Wesen geben
mußte. Zwischen zwei gut gestutzten Affenbrotbäumen wuchs
etwas, das an eine riesige Rose erinnerte.
Er nahm sich vor, täglich nachzusehen, was noch weiter
passieren sollte, und ging mit dem Buch zu Bett:
"Silikon-Flora, Boten aus dem Kosmos".
 
               Planetenflüchtling:
 
Als Cool erwachte, war er gefesselt. Er trat nach dem
Lichtschalter, und bemerkte, daß ihn eine Art Liane umwickelt
hatte. Was er noch bemerkte, war die "Rose", die es sich
in seinem Lehnsessel bequem gemacht hatte. Außerdem waren zwei
kräftig aussehende Affenbrotbäume im Raum. "Und ich dachte,
die können sich keinen Millimeter bewegen !" seufzte er.
"Auf unsere Einsickerungsstrategie wird die gesamte Menschheit
hereinfallen," prophezeite die Rose. "Gestatten Sie: Plrqusch,
Admiral der Floralischen Raumflotte. Ich bin mit der
Eroberung ihres Sonnensystems beauftragt. Unsere Soldatenrasse
hat einen Großteil der entscheidenden Positionen bereits
besetzt."
Die Rose wies mit einem Blatt auf die Affenbrotbäume.
"Unsere Herrscherrasse," sie deutete mit einem Dorn auf sich,
"erweist Ihnen jedoch die Ehre, der Floralischen Flotte das
Hauptquartier zur Verfügung stellen zu dürfen."
Cools Begeisterung hielt sich dennoch in Grenzen.
Jim Cool fand es von Plrqusch ziemlich leichtsinnig,
ausgerechnet auf seinem Planeten eine Invasion anzufangen.
Er dankte aber höflich für diese Ehre, und bat um seine
Pfeife. Ein Baum stopfte sie recht ordentlich, und steckte
sie Cool in den Mund. Nachdem die Pfeife schön heiß
geworden war, tat Jim Cool etwas ungeschickt, und kippte die
ganze Glut auf die Liane die ihn gefesselt hielt. Sofort kam
Leben ins Bild. Die Liane zuckte wie eine Schlange zusammen,
und sprang davon. Cool, der das in etwa erwartet hatte, angelte
sich den massiven Briefbeschwerer vom Tisch, und knallte ihn
durch das Panoramafenster. Der schlagartig einsetzende Orkan
pustete die Rose anstandslos ins Freie. Cool schnappte
erfolglos nach Luft, dann hatte er den Raumhelm verankert und
gefüllt. Leider war einer der beiden Bäume quer beim Fenster
angekommen, und daher noch anwesend. Jim Cool besann sich auf
seinen Laserwerfer, und erledigte ihn. Plrqusch hatte jedoch
nicht ganz die Fluchtgeschwindigkeit des Planetoiden erreicht,
und so war draußen bereits die Hölle los. Cool schoß auf
einige Bäume, die gleichzeitig bei dem kaputten Fenster
hereindrängten, und zog sich in das Bergwerk zurück.
Dort angekommen, besann er sich auf seine gut gepflegten
Abgas-Schächte. Er schraubte den Luftdeckel ab, und kroch
einige Zeit später bei einem der Minivulkane heraus. Das
hatten die Floralier wahrscheinlich nicht erwartet, und so
gelang es ihm ohne nennenswerte floralische Verluste, sein
Raumboot zu kapern, und damit abzuhauen. "Wartet nur,"
knurrte er, "bis ich zurückkomme !"
Zuerst würde er den nächsten besiedelten Planetoiden
ansteuern müssen, und dann mit Hilfe der dort hoffentlich
vorhandenen Raumfunkstation die Flotte alarmieren. Denn Cools
Planetoidenhüpfer war recht langsam, und sein Funkgerät hatte
nur eine sehr geringe Reichweite.

                Ziel 1 :  P. 4225
 
Der Bordcomputer weckte Jim Cool mit den lieblichen Klängen
der Gruppe AC/DC. Schließlich war er Anhänger der klassischen
Musik, und mochte das moderne Gedudel nicht.
P. 4225 war als Lichtpunkt im Fadenkreuz des Zielsuchers zu
erkennen. Cool schwenkte sein Schiff um hundertachtzig Grad
um das Bremsmanöver einzuleiten. Sobald P.4225 im Fadenkreuz
des Heckbildschirms zu sehen war, drehte er das Heck seines
Schiffes um fünf Grad vom Zielplaneten weg. Auf diese
Weise wurde vermieden, daß der glühende Plasma-Strahl des
Kalium-Ionentriebwerks die Planetenoberfläche verbrannte.
Seitlich hinter dem Planeten zum relativen Stillstand
gekommen, setzte er mit dem chemischen Hilfstriebwerk zur
Landung an.
Dieser Planetoid bot einen beachtenswerten Anblick.
Jemand, der sehr reich sein mußte, hatte ihn mit einer
künstlichen Lufthülle versehen, und um diese zu behalten,
den ganzen Planeten mit einem halbtransparenten
Kunststoffballon umgeben. Damit der Plastikmantel aber durch
den Luftdruck nicht platzte, war er wie ein antiker Luftballon
in ein weitmaschiges Nylonnetz gehüllt. Von den Knotenpunkten
des Netzes führten Nylonseile nach innen, bzw. unten zur
Planetenoberfläche, wo sie verankert waren. So konnte der
Luftdruck eines Ballonbereiches von den Felsen als Zugkraft
aufgenommen werden.

Jim Cool parkte sein Schiff auf der Plattform des Landeturms,
der die Lufthülle noch um einiges überragte. So hoch zu bauen,
war nicht schwierig bei der hier herrschenden niedrigen
Schwerkraft. Er fuhr mit dem Lift nach unten, wobei er anfangs
das Gefühl hatte kopfzustehen.
Der Besitzer dieses Planeten hieß Alfredo Ribeira. Cool hatte
ihn noch von früher in Erinnerung. Vor fünfzehn Jahren war
Ribeira Gouverneur von Brasilien gewesen, dann hatte er sich
samt der Staatskasse abgesetzt. Die Systempolizei suchte ihn
seither vergebens.
"Guten Tag, Senhor Gouverneur!" rief er daher schon von
weitem, "darf ich mal kurz ihr Raumtelefon benutzen?"
"Guten Tag auch, Commander," entgegnete dieser, "wie Sie
sicher wissen, lebe ich seit meinem Rücktritt sehr
zurückgezogen. Daher habe ich auch keine Verwendung für ein
Raumfunkgerät. Es tut mir leid, aber Sie werden wohl nach
meinem marsianischen Stachelwurm mein zweiter Untertan werden
müssen."
"Stachelwurm?" wunderte sich Jim Cool.
"Ja, mein Haustier." Ribeira deutete auf die vielen
tellergroßen Löcher im Boden des Planetoiden. "Das Biest
unterwühlt mir dauernd die Fundamente für die Haltetaue.
Ich will es aber nicht abschießen, da es mein einziges
Haustier ist. Jetzt allerdings kommen noch Sie dazu."
Jim Cool bemerkte, daß sich unter Ribeiras schneeweißem
Smoking ein Schulterhalfter abzeichnete, wahrscheinlich ein
Souvenir aus seiner Regierungszeit. Der Stachelwurm blinzelte
Cool tückisch aus einem seiner Löcher an. Cool legte seine
Hand nachdrücklich auf den Kolben seiner Laserpistole. Patt.
"Ich denke wir können voneinander nichts verlangen," meinte
er. Dann retardierte er im Krebsgang zur Luftschleuse.
Ribeira legte offenbar keinen Wert darauf, seinen Luftballon
in ein Sieb zu verwandeln, so kam Jim Cool noch einmal lebend
davon.
 
               Ziel 2 :  P. 3897
 
Der nächste Planetoid war ebenfalls ein sehr schöner Anblick,
doch war Cool momentan nicht für schöne Anblicke aufgelegt.
Ein Springbrunnen sandte einen zweihundert Meter hohen
Wasserstrahl in den schwarzen Himmel. Dann zerperlte der
Strahl und seine Tropfen fielen majestätisch langsam in einen
großen runden Teich, auf dem auch Seerosen schwammen.
Drumherum war ein herrlicher Park angelegt, die Traumvilla
wartete im Hintergrund. Nur eine Kleinigkeit irritierte Cool:
hier gab es keine Luft.

Er tauchte die Fingerspitzen des Raumanzuges in das Wasser des
Teiches, dann sah er auf sein Armband-Barometer. Druck null,
Finger feucht, Cool schüttelte den Kopf.
Über einen verschlungen angelegten Kiesweg machte er sich auf
den Weg zur Villa. Vorbei an sorgfältig gestutztem giftgrünen
Plastikrasen, vorbei an sorgfältig gestutzten giftgrünen
Plastikhecken, und ebensolchen Bäumen. Hinter der
Säulenvorhalle war ein schmiedeeisernes Gitter, und dann
endlich die Luftschleuse. Cool war richtig beruhigt, daß es
hier doch noch etwas Luft gab.
Der stolze Besitzer dieser ganzen Pracht begrüßte Cool mit
den Worten: "Wie hat ihnen der Park gefallen?"
"Er war sehr grün" meinte Cool, "aber verraten Sie mir bitte
eines: wie, zum Teufel, hindern sie das Wasser des
Springbrunnens am verzischen?"
"Es ist kein Wasser," erklärte der Plastikparkbesitzer,
"es ist Silikonöl." Cool wurde alles klar. Mit Silikonen hatte
er allerdings kürzlich andere Erfahrungen gesammelt.
Er ersuchte daher um das Raumtelefon.
"Ich habe leider noch keines," sagte der Besitzer.
"Wie das?" fragte Cool.
"Sehen Sie, der Springbrunnen hat mir zwei Millionen gekostet,
der Park drei Millionen, und die Villa fünf. Ich konnte mir
nachher leider kein Funkgerät mehr leisten. Vielleicht später,
in zehn Jahren, wenn der Kredit abgezahlt ist."
Jim Cool schüttelte den Kopf und ging.
 
             Ziel 3 :  P. 3521
 
Der nächste Planetoid war Cool als "Sternfahrers Ruh" bekannt.
Dort stand nämlich die gleichnamige Kneipe eines alten
Raumveteranen. Cool trat an die Theke, bestellte einen großen
Vurguzz, und begann dem Barkeeper und Besitzer der Bar,
Mickey, seine Geschichte zu erzählen. Als er fertig war,
applaudierte Mickey begeistert, und brüllte: "Ja, ja, Jim Cool
spinnt das beste Raummannsgarn der Galaxis. Kommt her,
Kameraden, und hört euch Jims tolle Geschichte an!"
"Ich bitte dich, das alles ist mir wirklich passiert,"
versuchte Cool die Lage zu retten, doch er drang durch Mickeys
Whiskeyrausch überhaupt nicht durch.
"Schau doch," beschwichtigte Mickey, "unsere beiden
Affenbrotbäume sind doch ganz brav."
Cool blickte beim Fenster hinaus und sah nur einen Baum.
Der andere war offensichtlich ein Alkoholprodukt.
Er überlegte, ob eine Schlägerei angebracht wäre, jedoch waren
zu viele gute Freunde von Mickey anwesend.
Er suchte also das Weite, froh, dem Fuseldunst ohne
Leberschaden entkommen zu sein.
 
               Ziel 4 :  P. 3416
 
Cool steuerte den nächsten Planeten hoffnungsfroh an, denn er
dachte sich: "Pechsträhnen haben ja auch Enden." Der Planetoid
rotierte wahnsinnig rasch um seine Achse. Cool parkte sein
Schiff in sicherem Abstand, und schleuste sich zu Fuß ein.
Dabei bemerkte er, daß er auf dem früheren Plafond ging, denn
die Lampen waren auf dem derzeitigen Fußboden montiert.
Die hohe Drehzahl des Planetoiden, die diese Fliehkraft
erzeugte, war also offensichtlich Folge einer Panne. Cool
erreichte den Kontrollraum der Anlage. Auf dem Bildschirm,
der die Außenwelt wiedergab, wurde es in kurzen Abständen hell
und dunkel. An der Decke war ein Kontursitz befestigt, und in
diesem ein Mann angegurtet. Er war in hektisches Bedienen
seines Kommandopultes vertieft.
Cool blickte zu dem alten Fußboden der Station hinauf und
sagte: "Entschuldigen Sie die Störung, aber ich kann die
Situation noch nicht ganz einordnen."
"Ich bin froh, daß jemand kommt. Reaktor ein. Sergeant
Collins, Raumfunkdienst. Wir hatten einen tangentialen
Meteoritentreffer, daher der Drall. Reaktor aus. Ich versorge
den Funkpeilstrahl für das äußere Sonnensystem. Dieser darf
nur nach außen, also von der Nachtseite der Station,
abgestrahlt werden. Reaktor ein. Seit dem
Meteoritentreffer rotiert der Planet aber, daher werden
Abschalt-Intervalle eingelegt. Alle zwei Minuten ist ja Tag.
Reaktor aus. Ich breche bald zusammen." Er blickte kurz zu
Jim Cool hinunter. Seine Pupillen waren bereits ganz weit 
vom vielen Amphetamin.
Cool dachte zuerst an eine Korrektur mit dem Schiffstriebwerk,
aber dafür hatte er zu wenig Treibstoff.
"Dem Manne kann geholfen werden!" rief er. Er stürmte in den
Lagerraum für elektronische Ersatzteile. Dort erwartete ihn
ein Tohuwabohu erster Ordnung, denn alle Bauteile türmten sich
auf dem neuen Fußboden. Trotzdem hatte er bald gefunden, was
er gesucht hatte. Gut bestückt kehrte er zu Collins zurück.
Als erstes klebte er mit Hilfe von Isolierband einen
Photowiderstand auf den Außenbildschirm, genau auf das Bild
der Parabolantenne. Dann verlegte er ein zweipoliges Kabel zu
einem Relaisverstärker, und von dort zum Schaltpult hinauf.
Der Sergeant begriff auffallend rasch, schließlich war er ja
der Fachmann. Er klemmte die zwei freien Enden an den
Hauptschalter an, und öffnete dann denselben. "Genial,"
brüllte er zu Jim Cool hinunter, "immer wenn die Sendeantenne
im Sonnenlicht aufleuchtet, unterbricht das Relais automatisch
die Energiezufuhr. Ist es aber finster, ist die Antenne ja
nach außen gerichtet, überbrückt das Relais den Hauptschalter
einfach, und wir senden." Er sackte in den Gurten zusammen,
und war sofort eingeschlafen.
 
"So billig kommst Du mir nicht davon, Bursche !" knurrte Jim
Cool. Er besorgte aus der Abstellkammer eine Klappleiter, aus
dem Schlafraum ein paar Matratzen, und zuletzt noch aus dem
Waschraum einen Kübel kalten Wassers. Dann kletterte er zu dem
verkehrten Kontursitz hinauf, machte Collins los, und legte
ihn auf den Matratzen ab. Mit Hilfe des Wassers brachte er ihn
bald zu Bewußtsein. "Wo ist die Raumfunkanlage?" schrie Cool,
und schüttelte den Funker.
"Die ist beim Meteoritentreffer in Trümmer gegangen," lallte
der Sergeant. "Haben sie noch etwas Amphetamin für mich?"
fragte Cool. "Alles geschluckt, alles geschluckt..." murmelte
Collins, und schlief ein. Cool ließ ihn schlafen. Er kochte
sich noch einen starken Kaffee, dann flog er weiter.
 
                Ziel 5 :  P. 2870
 
Der nächste Planetoid trug die Aufschrift:
"Staatliches Statistisches Speicherzentrum, kurz SSS."
"Endlich eine offizielle Stelle !" seufzte Cool. Nach einiger
Wartezeit empfing ihn ein verschrumpeltes Männchen.
Cool stellte sich vor: "Space Commander a. D. Jim Cool."
"Ja, ja," sagte das Männchen, und tippte auf einem Terminal
herum, "13 bestätigte Abschüsse in der Nereide-Schlacht, 739
b. A. in der Schlacht um den Mars, 1054 b. A. in der Schlacht
um das Wegasystem. 46 Auszeichnungen..."
"Hören Sie..." begann Cool, und er erzählte dem Männchen von
der Invasion. "7432 Planetoiden," antwortete dieses, "32429
angemeldete Affenbrotbäume, null Rosen, null Invasionen. Für
Invasionen ist überdies das Verteidigungsministerium
zuständig."
"Haben Sie wenigstens einen Raumfunksender?" wollte Cool
schon recht heiß wissen.
"Natürlich haben wir einen. Dieser ist an unser Datenterminal
angeschlossen, ein stetiger Datenfluß strömt über ihn herein."
"Ich muß ein paar Minuten Sendezeit bekommen." legte sich
Jim Cool fest.
"Das geht nicht. Da könnte ja jeder kommen. Wenden sie sich an
die zuständigen Stellen. Am Besten Sie suchen die Erde auf."
waren die ein wenig bürokratisch klingenden Antworten.
Cool ermordete den Statistiker dann doch nicht, was ihm
einige Überwindung abverlangte. Dann flog er zur Erde.
 
                 Ziel 6 :  P. 0003
 
Cools Planetoidenschiff war nicht für atmosphärische Flüge
konstruiert. Es war in Skelettbauweise angefertigt worden,
mit freitragenden Tanks usw.. Außerdem hatte es zu wenig
Schub, um überhaupt auf einem großen Planeten landen zu können.
Cool erinnerte sich noch an seinen Großvater, der ihm immer
wieder vom Apolloprojekt erzählt hatte:
"Das waren noch Kerle !" pflegte dieser zu sagen,
"mit so einer Konservendose zu fliegen."
Cool war seinem Großvater ob dieser Anregung sehr dankbar.
Er schnitt mit seinem Handlaser aus einem leeren
Treibstofftank eine große gekrümmte Scheibe heraus.
Diese montierte er als Hitzeschild vor der Wohnkabine seines
Schiffes. Dann warf er alle Tanks bis auf einen vollen ab.
So gerüstet raste er in flachem Winkel in die Erdatmosphäre
hinein, hoffend, daß er den Sahara-Raumhafen gut eingepeilt
hatte.
Das rotglühende Raumschiffswrack jaulte durch die Lufthülle,
schrammte drei Kilometer weit über den Beton des Landeplatzes
und überschlug sich dann. Jim Cool raste ins Freie, hinter ihm
detonierte das Wrack.
"Tja, wer sagte, es geht nicht?" meinte er.
Der Platzkommandant war da allerdings ganz anderer Auffassung:
"Was fällt Ihnen ein, unangemeldet durch die Einflugschneise
zu zischen, und dann auch noch den Platzbelag zu beschädigen !"
Cool begann die Floraliergeschichte zu erzählen, aber der
Platzwart unterbrach ihn: "Erzählen Sie das dem
Untersuchungsrichter. Vielleicht glaubt der Ihre Ausreden.
Nur auf Grund Ihrer ehemaligen Berühmtheit setze ich Sie
einstweilen auf freien Fuß."
 
          Raumschlacht im Planetoidengürtel :
 
Jim Cool wanderte niedergeschlagen durch den Sand des
Sahara-Raumhafens.
Bis zur Verhandlung waren es noch einige Wochen.
Einige Wochen Vorsprung für Plrqusch. Oder Jahre, falls man
Cool als senil einstufte.
Irgendwie lief die Sache nicht ganz so wie er es geplant
hatte. Kein Schiff mehr, kein Planet mehr. Cool mußte
nachdenken. Dazu bot sich die Drei-Planeten-Bar geradezu an.
In der Kneipe traf er dann auch einen guten alten Bekannten.
Der Mann war so etwas ähnliches wie ein Mafia-Boß. Er wurde
von allen "Der Fuchs" genannt. Cool kannte ihn noch aus der
Zeit, als der Fuchs noch ein kleiner Raumpirat war. Damals
überredete ihn Cool zum Eintritt in die Todeslegion, mit dem
Argument: "Wenn die Wruks die Erde fertig gemacht haben, gibt
es weder Piraten noch die Raumpolizei." Der Fuchs und Jim Cool
waren alte Kampfgefährten, trotz ihrer unterschiedlichen
Motivation.
Cool erläuterte ihm die Problematik seiner Lage. Der Fuchs
meinte:
"Ja, das war schon immer der Unterschied zwischen uns. Du
glaubst grundsätzlich, daß Du zu allem fremde Hilfe brauchst.
Ich würde an Deiner Stelle eher ein individuelles Vorgehen
planen."
Cool wußte längst, daß es für den Fuchs zwischen individuell
und kriminell keine Unterschiede gab. Immerhin gab er zu,
daß er die legalen Wege restlos ausgeschöpft hatte.
Nach einigen weiteren Diskussionen machte sich Jim Cool auf
den Weg. In seiner Tasche hatte er eine der streng verbotenen
lautlosen Schockwaffen, ein beliebtes Spielzeug der Unterwelt.
Sein Ziel war der Hafen der Raumpolizei. Er betäubte die
beiden Posten am Gittertor. Während er über die Startpiste
rannte, begannen die Alarmsirenen zu heulen. Der Pilot des
leichten Kreuzers vor ihm sprang aus der Schleuse und schoß
auf ihn. Jim Cool spürte den Laserstrahl an seinem linken Ohr
vorbeizischen, und schockte den Schützen.
Der Kreuzer war startbereit, so daß Cool schon wenig später
durch die Stratosphäre donnerte.
Die Raumpolizei schien ihm das übelzunehmen, denn kurz danach
röhrte eine ganze Staffel von leichten Raumkreuzern über das
Startfeld. Die tolle Verfolgungsjagd stabilisierte sich im
freien Raum jedoch, denn auch zehn leichte Kreuzer können
nicht höher beschleunigen als einer. Cool konnte allerdings
den Kurs nicht mehr ändern, sonst hätte man ihn erwischt.
Das lag aber nicht in seiner Absicht, denn er flog ohnehin
genau auf P. 5736 zu. Das Funksprechsystem meldete sich:
"Geben Sie auf !" brüllte der Polizeikommandant, "ewig können
Sie nicht so weiterfliegen."
"Ewig nicht," entgegnete Cool, "aber bis P. 5736 auf jeden
Fall. Ich schlage Ihnen einen fairen Handel vor: Sie folgen
mir bis dorthin. Wenn dort alles in bester Ordnung ist, stelle
ich mich. Offizierswort. Sollte dort allerdings eine fremde
Raumflotte stehen, dann drehen Sie um Himmels Willen ab, und
rufen Sie unsere Flotte herbei."
Cool hoffte, daß Plrqusch arrogant genug war, an seinem
Hauptquartier festzuhalten, obwohl Cool ihm entkommen war.
Peinlich wäre es gewesen, wenn die Floralier sich einen
anderen Stützpunkt ausgesucht hätten. Deshalb war er richtig
erleichtert, als sich neben dem Ortungspunkt von
"Cools Schrebergarten" ein schwacher Schimmer zu zeigen
begann, der sich nach und nach in viele winzige Punkte
auflöste. Ein Teil dieser Punkte begann nun sichtlich der
Kreuzerstaffel entgegenzufliegen.
Jim Cool fand, daß nun der Zeitpunkt gekommen war, eine
persönliche Rechnung zu begleichen.
Bedauerlicherweise führten die Kreuzer der Raumpolizei im
Normalfall keine Nuklearwaffen mit sich, obwohl die Polizei
das Recht hatte diese einzusetzen, falls dies notwendig war.
Diese relativ schwache Bestückung rührte daher, daß die
Regierung kurz nach dem Ende des Wruk-Krieges den
Privatbesitz von Nuklearwaffen wieder verboten hatte.
Sehr zum Leidwesen von Jim Cool, der da immer sagte:
"Freie Waffen für freie Bürger."
Da aber Jim Cool auch die alte Raumsoldaten-Weisheit kannte:
"Die stärkste Waffe des Legionärs ist sein Raumschiff.",
machte er sich flugs daran die Außenverkleidung des
Bord-Computers abzumontieren.
Anschließend zog er jene Platine heraus, die für den
automatischen Kollisions-Schutz verantwortlich war.
Nach einigem Suchen entfernte er dann auch noch die Platine,
die im Falle einer Fehlfunktion die Sicherheits-Abschaltung
des Schiffs-Reaktors einleiten sollte.
Zwar gab eine Reaktor-Explosion nur lumpige vierhundert
Megatonnen TNT-Standard-Sprengkraft her, aber zur Not
würde es genügen.
Zuletzt justierte Jim Cool den Autopiloten exakt auf seinen
Planetoiden. Solcherart zum Torpedo geworden, würde der
Kreuzer weiterfliegen, selbst wenn man ihn durchsiebte.
Cool stieg in das Rettungsboot des Kreuzers und kurvte mit
dem kleinen Schiffchen schnell und unbemerkt davon.
Die Kreuzerstaffel bekam Feindberührung, und zog sich
tapfer kämpfend in Richtung Mars zurück. Kaum hatte Cools
Rettungsboot eine halbwegs sichere Distanz erreicht,
raste der unbemannte Kreuzer wie ein gigantisches Geschoß
in die Masse des Planetoiden.
Ein gewaltiger Nuklearblitz flammte auf, und der Planetoid
5736 ging in tausend Trümmer. Die Kommandozentrale der
Floralier war damit ausgeschaltet.
Indessen hoben von Mars-Port und von Port Ganymed die schweren
Kampfverbände ab, um den Gegner in die Zange zu nehmen.
Die Kreuzer der Raumpolizei lösten sich durch hohe
Beschleunigung vom Feind, der genau durch diese Maßnahme der
marsianischen Abfangflotte in die Arme lief.
Hintendrein jagten die Schlachtschiffe vom Ganymed,
sie sammelten nur mehr auf was übriggeblieben war.
Unter anderem ein Rettungsboot, in dem Jim Cool sich eifrig
Notizen über die Abschußquoten gemacht hatte.
"Für einen Kamikaze bin ich noch zu jung," meinte er.

Der Fuchs stand im Wüstensand und blickte auf seine Ringuhr.
Dann musterte er wieder die Ekliptik. Plötzlich glomm dort
ein winziges Lichtfünkchen auf und verlosch bald wieder.
Dicht daneben zeigte sich ebenso kurz ein weiteres, bald
wurden es mehr und mehr.
Er ging in die Drei-Planeten-Bar um seinen Saufkumpanen
dieses Schauspiel zu zeigen.
Dazu meinte er: "Es geht eben nichts über Privatinitiative."
Die Regierung entschädigte Jim Cool, indem sie ihm einen
gebrauchten Polizeikreuzer überließ.
"Damit Sie nicht wieder einen stehlen," sagte der Präsident
der Erde im Rahmen der Ordensverleihung.
Außerdem verschaffte sie ihm einen Ersatzplanetoiden.
Das kam ihr gar nicht so teuer, denn der Planet von Alfredo
Ribeira war gerade erst frei geworden.
Ribeira saß jetzt endlich hinter Gittern, und die
Ergreifungsprämie war vergleichsweise hoch gewesen.
Cools einziges Problem war:
"Wie fängt man einen marsianischen Stachelwurm?"
Er konnte den Fuchs doch nicht dauernd um Rat fragen.

 


Auch auf der Erde gibt es Lebensformen, die Kieselsäure sinnvoll verarbeiten können.

http://www.staff.uni-mainz.de/hobe/

http://de.wikipedia.org/wiki/Biomineralisation#Siliziumdioxid


Karl Bednarik, Anmerkung zur Geschichte

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Der Beitrag wurde von Karl Bednarik auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.04.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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