Joachim Schulz

Benzmanns Amazonen: Die Zeugin

Vorbemerkung:


Martina ist Bänkerin
Anne ist Jungpolizistin
Spatz ist Lebenskünstlerin

Kennengelernt haben sie sich über einen Internet-Chat.
Seitdem meistern sie gemeinsam die schwierigsten
Situationen. Da sie ab und zu Hilfe von Annes Kollegen
Benzmann brauchen, nennt man sie auch:
BENZMANNS AMAZONEN



1.
Fritz Bäuler sah genauso aus, wie man sich jemanden
vorstellte, der im organisierten Verbrechen zu
Wohlstand gekommen war. Er stand vor seiner
luxuriösen Hausbar und goß viel Whisky in ein Glas.
Dann öffnete er ein unbeschriftetes Papiertütchen und
schüttete weißes Pulver in den Wisky. Das Ganze rührte
er mit dem Finger um.
"Wartet auf mich", sagte er, als er an drei Männern
vorbeiging.
Einer der Männer war geknebelt und an einen Stuhl
gefesselt. Er hatte angstgeweitete Augen. Die beiden
anderen Männer standen links und rechts von ihm. Sie
trugen Handschuhe und beobachteten ihn mit kaltem,
verächtlichem Blick.
Der Gefangene zuckte zusammen, als er eine Tür ins
Schloß fallen hörte.

2.
"Da bin ich wieder", sagte Fritz Bäuler, als er die Tür zum
Schlafzimmer hinter sich ins Schloß warf.
"Haben wir noch Besuch gekriegt?", fragte seine viel
jüngere Freundin Nina, die im Negligé vor dem Spiegel
stand und ihr Haar kämmte.
"Nur zwei alte Kumpel von mir, die mit mir noch eine
kleine Runde UNREAL spielen wollen", sagte er. "Ich
mache die mal eben fertig, schmeiße sie raus und
komme zu dir. Hier hast du was zu trinken!"
Sie nahm den Whisky.
"Letztesmal habe ich Schmerzenslaute gehört", sagte
sie.
"Das ist das Spiel", sagte er. "Trink, das beruhigt!"
Er drehte sich um und ging.
Sie watschelte mit dem Glas in der Hand zum Fenster
und öffnete es. Dann zog sie die Jalousien hoch und
schüttete den Whisky aus dem Fenster.
Unter sich hörte sie ein Fluchen.

3.
"Nun zu uns", sagte Fritz Bäuler. Er zog sich
Handschuhe an.
"Du hast kein Schutzgeld bezahlt und jetzt wirst du
sehen, was einem dann alles zustoßen kann."
Der Gefangene bäumte sich auf.
"Haltet ihn besser fest!", rief Bäuler. "Wafür bezahle ich
euch!
Und wo ist der Lieferwagen, mit dem wir ihn nacher
wegschaffen?"
"Unter dem Balkon", sagte einer der beiden
Helfershelfer.
Er holte mit der rechten Faust aus.

4.
Martina hatte ihre Freundinnen Anne und Spatz in ihr
eigenes, komplett ausgestattetes Fitness-Studio
eingeladen. Sie und Anne strampelten auf Ergometern,
während Spatz mit Händen und Füßen auf einen
Sandsack eindrosch.
"Du machst das ganz falsch", kritisierte Anne.
"Laß sie doch", sagte Martina. "Ist doch nur Spaß!"
Spatz baute sich vor den beiden auf und stemmte ihre
Hände in die Hüften.
"Ihr habt beide Unrecht! Meine Technik ist genial und
darum bin ich im Nebenberuf neuerdings Türsteherin!"
"Türsteherin?", fragte Anne. "Kriegt man da nicht leicht
Streit? Sieh dich bloß vor! Du bist noch auf Bewährung!"
"Seit wann gibt es denn weibliche Türsteher", sagte
Martina mit aufkommenden Atemschwierigkeiten.
"Seit es Mädels gibt, die Stunk machen wollen", sagte
Spatz.
"Aha, solche wie dich", sagte Anne.

5.
Bäuler wischte sich mit den Unterarmen Schweiß von
der Stirn. Dabei fiel sein Blick auf die einen Spalt
offenstehende Tür.
"Nina!", brüllte er. "Komm sofort her!"
Ruckartig wurde die Tür geschlossen. Dahinter ertönte
Getrappel.
"Schnappt sie euch!", brüllte Bäuler. "Sie weiß zuviel!
Den Rest hier kann ich alleine machen!"
Die beiden Helfershelfer spurteten zur Tür

6.
Anne, Spatz und Martina saßen gemeinsam schwitzend
in der Sauna.
"Nicht schlecht, wenn man die Kohle hat, sich eine
eigene Sauna zu bauen", sagte Spatz.
"Trotzdem schwitzt sie genauso wie wir", sagte Anne.
Spatz warf Martina eine langen, prüfenden Blick zu.
"Jo", sagte Spatz, "ist wahr. Früher dachte ich, sie würde
Geld ausschwitzen..."
"Ganz im Gegenteil", sagte Martina, "ich muß oft
schwitzen, wenn ich mein Geld verdiene. Aber dann ist
es kalter Schweiß."

7.
Der Raucher stand an den Lieferwagen gelehnt unter
dem Balkon. Als er vom Dach des Wagens ein dumpfes
Geräusch hörte, sah er sich um.
Nina sprang vom Dach auf die kurze Motorhaube. Der
Raucher warf seine Zigarette fort und griff nach seiner
Pistole. Ehe er sie ziehen konnte, trat Nina von oben
nach ihm und erwischte ihn voll. Er fiel der Länge nach
um.
"Das hat mir Spatz beigebracht", sagte sie, als sie von
der Motorhaube sprang.
Nina lief zu dem Bewußtlosen, um sich von seinem
Zustand zu überzeugen. Dann öffnete sie die Fahrertür
des Wagens, um zu sehen, ob der Schlüssel steckte.
Sie seuzte und ging noch einmal zu dem Bewußtlosen.
Als sie ihn seinen Taschen nach dem Schlüssel für den
Lieferwagen suchte, kam er kichernd wieder zu sich. Sie
nahm seine Pistole und schlug ihm den Griff an den
Kopf. Sofort wurde er wieder bewußtlos. Dann hörte sie
laute Geräusche aus dem Haus. Die beiden
Helfershelfer hatten die Tür zum Schlafzimmer
aufgebrochen und randalierten auf der Suche nach ihr.
Es hörte sich an, als würden sie das Bett umwerfen und
die Schranktüren eintreten. Nina stürmte mit dem
Autoschlüssel in der einen und der Pistole in der
anderen Hand zum Wagen. Sie legte einen Kavalierstart
hin. Die beiden Helfershelfer hatten inzwischen ihren
Fluchtweg entdeckt und sprangen ebenfalls aus dem
Fenster, um auf dem Wagendach zu landen. Nina fuhr
aber so flott an, daß die Männer den Wagen verfehlten
und hart auf dem Boden landeten.
"Ihr Pfeifen!", rief Bäuler ihnen durch das offene Fenster
nach.

8.
Martina, Anne und Spatz waren inzwischen wieder
angezogen und saßen in Ledersesseln vor
Vitamin-Drinks.
Spatz erzählrte plötzlich: "Ich hatte mal eine Freundin,
die hat nie richtig lesen oder schreiben gelernt, aber sie
hat noch Männern angefangen. Um gut auszusehen, hat
sie sich andauernd aus Katalogen Sachen auf Pump
bestellt und nie bezahlt. Dann wurde sie wegen
Kreditbetrug oder so polizeilich gesucht. Da geriet sie
an einen Luden, der sie bei sich versteckt und sie
ausgehalten hat. Immer wenn er was von ihr wollte,
drohte er ihr mit der Polizei. Irgendwann hat er sie an
Fritz Bäuler verkauft."
"Fritz Bäuler?", wiederholte Anne staunend. "War das
nicht mal ein richtiger Gangsterboß?"
"War?" Spatz lachte bitter.

9.
Nina wartete mit dem Lieferwagen an einer Ampel und
durchsuchte die Fahrerkabine.
"Verdammt", fluchte sie, "warum habe ich dem Typen
nicht auch sein Handy abgenommen! Dann könnte ich
Rabe anrufen!"
Schließlich hielt sie eine Telefonkarte hoch.
"Super Beute!", murmelte sie.
Hinter ihr wurde immer mehr gehupt. Sie versuchte
loszufahren, aber nichts passierte. Sie legte sie einen
anderen Gang ein und verursachte damit unschöne
Geräusche.
"Schönen Gruß vom Getriebe!", rief jemand hinter ihr.

10.
"Nina sollte sich stellen", sagte Anne. "Anders kommt
sie da nicht raus. Sie muß für ihre Fehler geradestehen,
dann wird ihr auch geholfen werden."
"Du redest wie ein Pfarrer", sagte Spatz.
"Sie hat aber Recht", sagte Martina nachdenklich. "Das
ist doch kein Leben, praktisch die Sklavin von so einem
Mistkerl wie Bäuler zu sein."
"Du kennst ihn?", fragten Anne und Spatz fast
gleichzeitig.
Martina zuckte mit den Schultern.
"Nur geschäftlich." Sie räusperte sich und fügte rasch
hinzu: "Beinahe!"
"Beinahe?", wiederholte Anne.
"Wie- beinahe!", rief Spatz.
"Tja... " Martina zuckte erneut mit den Schultern. "Er
wollte Kunde meiner Bank werden. Aber ich kann mir
die Kunden aussuchen und lebe von meinem guten
Ruf. Was er mir erzählte, stank nach Geldwäsche."
Anne und Spatz starrten sie schweigend an.

11.
Bäuler begutachtete den Ersatz-Lieferwagen.
"Ist das eine häßliche Karre! Unglaublich!", schimpfte er.
"Wehe, ihr holt den anderen Wagen nicht zurück!"
Er sah sich zu seinen drei Helfershelfern um. Sie trugen
einen Teppich. Der Mann in der Mitte stolperte und
brachte die beiden anderen ebenfalls aus dem Tritt. Sie
ließen den Teppich fallen, der sofort ein Stück wegrollte
und eine Leiche enthüllte. Es handelte sich um den
Mann, den Nina vor ihrer Flucht noch lebend gesehen
hatte.
"Ihr Idioten! Maximaldeppen! Telekom-Aktionäre!", schrie
Bäuler.

12.
Nina fluchte und schlug die Hände über dem Kopf
zusammen, als sie in der Telefonzelle sah, wie gering
das Restguthaben auf der im Auto gefundenen
Telefonkarte war.
"Oh nein!", rief sie. "Ausgerechnet wenn ich Spatz
anrufen will, der man immer alles so langatmig erklären
muß!"
Erschrocken drehte sie sich um, als hinter ihr ein
ungepflegter, bierbäuchiger Endzwanziger die Tür
öffnete. Er musterte sie und zwängte sich ebenfalls in
die Zelle. Nach wie vor trug Nina nur ihr schwarzes
Negligé.
"Hast du eine volle Telefonkarte?", fragte sie.
"Ich habe etwas, das man in einen Schlitz schieben
kann, aber das ist keine Telefonkarte, hähähä..."
Nina griff hinter sich in das Telefonbuch. Dort hatte sie
die Waffe versteckt. Mit einer raschen Drehung stieß sie
ihm die Mündung in die Bekleidung.
"Hast du nicht vielleicht doch eine Telefonkarte?"
"Äh..."

13.
Spatz sah auf ihre Armbanduhr.
"Oh!", rief sie, "jetzt muß ich aber los!"
"Wo mußt du denn so spät noch hin?", fragte Anne.
"Ist das jetzt ein Verhör?", fragte Spatz.
"Wo mußt du denn so spät noch hin?", fragte Martina.
"Zur Arbeit", antwortete Spatz wie aus der Pistole
geschossen, "und vorher muß ich mich noch ein
bischen umziehen!"
"Ist das etwa ein Nachtclub?", fragte Anne.
Spatz sah demonstrativ noch einmal auf ihre
Armbanduhr und stand schweigend auf.
"Ist das etwa ein Nachtclub?", fragte Martina.
"Sowas ähnliches", antwortete Spatz rasch, "jedenfalls
ist das HOT HEAVEN keine Teenie-Disco oder sowas.
Sonst hätte man nicht mich, sondern eine
Kindergärtnerin oder Anne als Türsteherin eingestellt."
"Denk nochmal darüber nach, ob wir nicht deiner
Freundin Nina helfen sollten", sagte Martina.
"Ja, genau", sagte Anne.
Spatz zuckte mit den Schultern.
"Vielleicht sehe ich sie ja heute abend. Ihr Macker
kommt oft mit ihr zu uns..."
"Ja?", rief Martina fragend. "Kann ich dann mal
mitkommen?"
Spatz überlegte und murmelte schließlich: "Na gut!"
Anne erkundigte sich. "Und ich? Darf ich auch mit?"
Spatz musterte sie abschätzig und sagte: "Also, ob Du
bei uns reinkommst, bezweifle ich aber!"
Anne stand auf und legte ihren Arm um Spatz.
"Wieso? Du als Türsteherin kannst das doch
entscheiden, oder?"
Spatz stieß Annes Arm fort und fauchte: "Eben darum!"

14.
Nina steckte die Scheine in ihren Pushup-BH und sagte:
"Jetzt wirst du noch was für mich tun."
"Alles was du willst", sagte er.
"Laß die Hosen runter."
Er sah sich um.
"Und wenn das Leute sehen, die vorbeikommen?"
"Duck dich, dann fällst du nicht so auf."
Sie stellte sich in die Tür. Der Fremde begann geduckt
seine Hose runterzulassen. Nina hielt sich mit der freien
Hand die Nase zu.
"Eigentlich wollte ich deine Klamotten haben, um meine
Blöße zu bedecken, aber wer weiß, was für eine Seuche
ich mir dann hole!"
Er lächlelte unsicher und fragte: "Dannn kann ich meine
Hose anbehalten?"
"Runter damit!", brüllte sie und richtete die Pistole mit
beiden Händen auf ihn. "Alles runter!"
Zitternd zog der Mann sich weiter aus. Als er fertig war,
versuchte er sich auf dem Boden der Telefonzelle ganz
klein zu machen. Nina beugte sich vor, um seine
Sachen zusammen zu raffen. Als er ihm dabei ein tiefer
Einblick zuteil wurde, lächelte er kurz.
"Bilde dir bloß nichts ein", fauchte sie. Dann trat sie
einen Schritt zurück, stieß mit der Schulter die Tür auf
und warf die Anziehsachen ins Gebüsch.
"Du kannst mich doch hier nicht so zurücklassen!",
jammerte er.
"Doch", widersprach sie."So läufst du mir nicht nach!"
"Oh Gott!", rief er. "Da kommen schon drei Kerle!"
Sie sah sich rasch um. Der von ihr entliehene und in
einiger Entfernung zur Telefonzelle abgestellte
Transporter wurde von den drei dunkel gekleideten
Männern inspiziert, die Bäuler dienten und ihr an
diesem Abend alle drei schon eher negativ aufgefallen
waren.
"Immer postiv denken!", rief sie in die Telefonzelle, ehe
sie sich mit einem langen Sprung entfernte und quer
durch die Büsche zu einer anderen Fahrbahn
durchschlug.

15.
Martina und Anne sahen Spatz nach, als die das Haus
verließ.
Franziska taxierte Anne und sagte: "Vielleicht habe ich
ein paar Sachen, die dir passen könnten."
"Ich bin so wie ich bin", sagte Anne.
"Aber auch aus dir kann man was machen", sagte
Martina.
"Was soll das? Ich bin Polizistin!"
Anne verschränkt die Arme vor der Brust und zog die
Nase kraus.

16.
Nina ging zur nächsten Telefonzelle. Die Tür stand weit
offen. Schon von weitem konnte man erkennen, daß der
Münzfernsprecher stark beschädigt war.
"Willst du telefonieren?", fragte eine fremde
Männerstimme von der Seite.
Ein offensichtlich betrunkener Twen schwenkte wie zur
Begrüßung einen abgerissenen Telefonhörer in
Magenta.
Nina verbarg die Waffe hinter ihrem Rück und trat näher
auf ihn zu.
"Komm schön!", prustete er. "Du bist lange genug hier
draußen im Negligé rumgelatscht." Er warf den Hörer
weg und fischte einen Autoschlüssel aus der
Hosentasche. "Von mir kannst du kriegen, was du am
nötigsten brauchst!"
Sie zückte die Pistole.
"Dann mal her mit dem Autoschlüssel!"

17.
Zwei von Bäulers Helfershelfern standen vor Ninas
Fluchtwagen. Der ältere der beiden horchte an seinem
Handy.
"Chef?", fragte er.
Anschließend machte er ein schmerzverzerrtes Gesicht
und hielt das Handy mit ausgestrecktem Arm. Erst nach
einer Weile winkelte er den Arm wieder an.
"Ja, sie war hier, aber wir können sie nicht finden. Nein,
sie kann sich hier nirgendwo verstecken.Sie muß schon
weg sein. Die ist bestimmt per Anhalter gefahren.
Ein hoher Schrei erklang aus der Richtung der
Telefonzelle.
"Nein, das ist sie nicht", erklärte der Mann seinem Chef
Bäuler. "Das ist bloß so ein Idiot, den wir nackt in einer
Telefonzelle hockend vorgefunden haben. Wir wußten
garnicht, daß Müller so einer ist, der..."
Er wurde unterbrochen.
"Ja, verstanden, wir fahren jetzt zu ihrer Freundin."

18.
Spatz schloß gerade ihr Auto auf, als sie hinter sich
Geräusche hörte und sich umdrehte.
"Nina!", rief sie. "Wie siehst du denn aus!"
Nina rannte auf Spatz zu und umarmte sie.
"Was ist denn los?", fragte Spatz. "Wozu hast du die
Pistole?"
Nina löste sich von Spatz und wischte mit der freien
Hand ihre Tränen weg.
"Ich..."
Weiter kam Nina mit ihren Erklärungen nicht. Sie zuckte
und fiel zu Boden. Entsetzt sah Spatz den Fremden und
dessen Waffe. Dann fühlte auch sie einen heftigen
Stromschlag und ging in die Knie.
Bäulers Leute sahen auf die Frauen herab.
"Tja, Spatz". sagte der Älteste des Trios, "dagegen hilft
auch dein blödes Kung-Fu-Kickboxen nix. Jetzt bist du
ein Spatz mit gebrochenen Flügeln."


19.
Als Spatz erwachte, fand sie sich auf einen Stuhl
gefesselt in einem schummrigen Kellerraum. Alles tat
ihr weh. Sie öffnete die Augen und sah Nina. Sie war in
derselben Lage.
"Tut mir leid, daß ich dir schon wieder Ärger mitgebracht
habe", sagte Nina.
"Du bist eben ein Pechvogel", sagte Spatz.

20.
Während Spatz und Nina sich im Keller von Bäulers Villa
an ihren Fesseln zerrten, erreichten Martina und Lena
den Eingang des HOT HEAVEN. Außer etlichen Gästen
warteten dort auch Personal vor der verschlossenen
Tür.
Ein glatzköpfiger, schwergewichtiger Mann steckte sein
Handy weg und rief: "Alle herhören! Das HOT HEAVEN
bleibt heute dicht!"
"Und warum?", rief jemand aus der wartenden Menge.
"Normalerweise schließt der Chef immer selber auf. Er
hätte schon längst hier sein müssen. Keiner weiß, wo
er ist. Wir kommen auch nicht rein! Hoffentlich hatte er
keinen Unfall!"
Die Gäste gingen murrend davon. Dann
verabscheideten sich die Kellnerinnen von dem
Barhäuptigen.
Anne zeigte dem Glatzkopf ihren Dienstausweis. Er
zuckte mit den Schultern.
"Hat ihr Chef Feinde?", fragte Anne.
"Nee", sagte der Glatzkopf, "er hatte ab und zu Streß mit
Spatz, aber wer hat das nicht."
Martina fragte mit Blick auf ihre Armbanduhr: "War Spatz
heute schon hier?"
"Nö", sagte er.
In diesem Augenblick vibrierte Martinas Handy. Sie
meldete sich mit "Ja" und wurde blaß. "Was? Wo soll
ich jetzt soviel Geld hernehmen?"

21.
Bäuler mit zwei Helfern den Keller. Er ging zu Nina,
während die Männer sich vor dem Eingang postierten.
"Du undankbare dumme Gans!", schimpfte Bäuler und
ohrpfeigte Nina. " Du brauchtest nur loyal zu sein..."
"Jetzt halt mal die Luft an!", rief Spatz. "Du bist doch bloß
ein geiler alter Sack, der die finanzielle Notlage dieser
Frau ausgenutzt hat, um..."
Bäuler ohrpfeigte sie. Ihre Augen funkelten vor Zorn. Sie
kniff die Lippen zusammen.
"Hast du sonst noch was zu sagen, ehe du stirbst?",
fragte er.
"Ja", sagte sie. "Bind mich los, ehe ich deinetwegen zu
spät zur Arbeit komme. Dann vergesse ich vielleicht den
ganzen Quatsch und lasse dich leben!"
"Du brauchst heute abend nicht mehr zu arbeiten", sagte
Bäuler mit einem dreckigen Grinsen. "Dein Chef ist tot.
Nina hat es gesehen. Jetzt seid ihr auch tot.Aber erstmal
wird deine Freundin Martina noch eine hübsche Summe
bezahlen."
"Woher hast du ihre Telefonnummer?", fragte Spatz.
"Die ist in deinem Handy einprogrammiert", sagte
Bäuler, "und ich habe dich schon mal beerbt."

22.
"Schon wieder umziehen!", murrte Anne in Martinas
begehbarem Kleiderschrank.
"Jetzt stell dich mal nicht so an!", schimpfte Martina und
sah mit Mißvergnügen, wie Anne sich wieder in Jeans
und T-Shirt hüllte.
Anne roch an ihren Achselhöhlen.
"Ich sollte wohl auch duschen. Wenn ich dir helfen soll,
muß ich mich vielleicht an jemanden anschleichen,
aber so wittern die mich ja auf zehn Kilometer gegen
den Wind!"
"Ach was, Männer nehmen sowas höchstens
unterbewußt wahr", sagte Martina. "Die müßten schon
einen Schwulen dabei haben..."

23.
Bäuler verließ den Raum. Seine beiden Helfer machten
ihm artig Platz und öffneten ihm die Tür.
"Ich kontrolliere noch mal ihre Fesseln", sagte der Mann,
der die Türklinke festhielt.
"Na gut. Aber mach mit den beiden Tussis keinen..."
"Häh?", machte Müller.
"Ach ja..." Der andere winkte ab. "Du stehst ja garnicht
auf Frauen. Habe ich ganz vergessen. Okay, bis gleich,
ich muß mal pinkeln." Er drehte sich um 90 Grad und
ging rückwärts aus dem Keller, wobei er Müller im Auge
behielt.
Müller schloß die Tür. Er grinste, als er seinen Kollegen
stolpern hörte. Dann ging er zu Nina.
"Du hast bei mir was gut, Schwester", sagte er.
"Ja?", fragte sie mißtrauisch. "Ich kann mich nicht
erinnern, dir jemals was Gutes getan zu haben.
Nachdem was der andere Kerl gerade flüsterte, wäre
das bei dir ja auch kaum möglich."
"Oh doch", sagte er mit einem warmen Lächeln.
"Erinnere dich mal an diesen Burschen in der
Telefonzelle, den du gezwungen hast, sich auszuziehen,
damit er dir nicht folgen kann."
"Hätte ich den erschießen sollen?", fragte Nina gereizt.
"Auf keinen Fall", sagte Müller erschrocken. "Sonst wäre
ich immer noch solo und er wäre gestorben, ohne
jemals seine wahre Bestimmung erfahren zu haben..."
Müller steckte Nina ein Taschenmesser zu. "Wir werde
Bäuler den Stinkefinger zeigen und in Holland heiraten."
Müller winkte ihnen zu, ehe er die Tür öffnete und sie
allein ließ.

24.
"LUSTIGE MUSIKANTEN?", wiederholte Anne fragend.
"Das ist egal, hier ist es auch lustig! Laß den Fernseher
und komm her, ich brauche Verstärkung! Und komm
allein!"
Martina stand neben ihr und sah auf eine Wanduhr.
"Benzman!", brüllte Anne, "dein Überstundenkonto
interessiert mich null! Das ist ein Notfall! Schwing dich
rüber! Ich habe was bei dir gut! Ohne mich hätte man dir
die Rübe weggeblasen und nicht nur den Bommel
abgeschossen!"
Martina wurde beim Zuhören blaß und sagte: "Seine
arme Frau- ihrem Mann hat man den Bommel
weggeschossen..."

25.
"Fertig", rief Nina freudig. Sie riß ihre Hände los, säbelte
die Stricke an ihren Beinen durch und befreite ihre
Freundin. Spatz rieb sich die Hände.
"Die nächste Aufgabe ist jetzt, durch die Tür zu
kommen!", sagte Spatz.
"Das ist nicht nur die nächste Aufgabe", stöhnte Nina,
"sondern auch schon das nächste Level!"

26.
Anne lachte.
"Nicht, was du denkst! Der trägt immer so eine
Schlägermütze wie früher die Arbeiter... Und obendrauf
ist so ein roter Puschel... Sieht total blöd aus!"
"Wat?", dröhnte eine melodische Männerstimme.
Anne und Martina wirbelten herum. Anne zog während
der Drehung eine Pistole aus dem Hosenbund.
Benzmann ließ sich davon nicht beeindrucken, sondern
nahm seine Mütze ab und tippte den roten Bommel an.
"Wieso ist dat wat lächerlich?", fragte er beleidigt. "Soll
ich so´n gräues Mäusken sein wie unser Klein Anne
oder wat!"
Anne steckte ihrer Pistole wieder ein und fragte: "Wie
hast du es so schnell geschafft, hierhin zu kommen?"
"Mit dem Auto", sagte er.
"Und wie sind sie hier reingekommen?", fragte Anne.
"Durch die Tür", sagte Benzmann.
"Die war abgeschlossen!"
Benzmann setzte seine Mütze wieder auf und richtete
sie anhand des Bommels ordentlich aus.
"Ja, die habe ich aufgemacht."

27.
Spatz fummelte noch mit dem Taschenmesser am
Türschloß herum, als sie Schritte hörte.
Rasch versteckte sie sich hinter der Tür. Nina preßte
sich an sie. Spatz warf ihr einen bösen Blick zu.
"Wo soll ich denn hin?", flüsterte Nina.
Zwei Männer stießen die Tür auf. Sie prallte gegen die
beiden Frauen, die dort gemeinsam zuwenig Platz
fanden.
"Himmel, die dämliche Tür muß endlich mal wieder
geölt werden", schimpfte der Ältere."
"Das sollte doch Müller immer machen", sagte der
Jüngere.
"Jetzt müssen wir es wohl selber machen", sagte der
Ältere.
Zusammen zerrten sie Müllers Leiche in den Keller.
"Verdammter Deserteur!", schimpfte der Ältere. "Und
dann auch noch wegen so einer Tucke..."
"Seinen Freund müssen wir gleich auch noch hier
reinschleppen", stöhnte der Jüngere. "Den können wir ja
nicht im Garten liegen lassen."
"Den sollten wir einfach dort verbuddeln", sagte der
Ältere.
Sie zogen die Leiche in die Mitte des Kellers. Dann
sahen sie sich an.
"Hier fehlt doch irgendwas", murmelte der Jüngere.
"Die Frauen!", rief der Ältere.
"Die Frauen?", fragte der Jüngere.
Sie sahen sich gegenseitig an und riefen im Chor: "Die
Weiber!"
Als sie den Blick voneinander abwandten, sahen sie
jeder einen dunklen Blitz auf sich zukommen und fielen
k.O. genau rechts und links neben Müller zu Boden.

28.
Benzmann zuckte mit den Schultern. In diesem Moment
klingelte Martinas Handy.
"Ja", sagte sie, "ich bin´s. Hören sie, ich bin jetzt
zuhause. Sie können mich auch übers Festnetz anrufen.
Das ist billiger."
Sie zuckte zusammen.
Anne steckte ihre Pistole ein und fischte für Benzmann
ein Feuerzeug aus ihren Jeans. Beide beobachteten
schweigend, wie Martina weiter per Handy telefonierte.
"Ja, ich habe das Geld", sagte Martina. "Aber ich
verlange ein Lebenszeichen!"

29.
Bäuler stand telefonierend vor seinem Schreibtisch und
knurrte: "Ein Lebenzeichen? Soll ich denen die Ohren
abschneiden und sie dir schicken, oder was! Treib mich
nicht zum äußersten! Ich sage dir jetzt, wo wir die
Geldübergabe machen!"
"Ja, das würde mich auch interessieren", sagte Spatz.
"Und mich erst", sagte Nina.
Erschrocken drehte Bäuler sich um.
"Aber du warst doch gerade noch gefesselt!", sagte er zu
Spatz.
"Ja", sagte sie, "meine Hände und Füße sind ganz taub!
Ich muß mich dringend bewegen!"
Bäuler starrte sie an. Dann ging er k.o. und fiel der
Länge nach vor seinen Schreibtisch.
Nina fing den Telefonhörer auf.
"Jetzt sieht es hier gleich viel ordentlicher aus", sagte
Spatz und rieb sich die Hände. "Wir Frauen haben eben
mehr Sinn für Ordnung als Männer!"
"Hallo?", sagte Nina in den Hörer. "Wer ist da? Können
sie mir die Polizei geben?" Sie stutzte.
"Wer ist denn dran?", fragte Spatz.
Nina winkte ab und horchte in den Hörer.
"Ein Herr Benzmann von der der Polizei", flüsterte sie.
"Und was sagt der?", fragte Spatz.
Nina guckte verwundert.
"Er fragt, ob wir LUSTIGE MUSIKANTEN auf Video
aufgenommen haben, denn die hätte er wegen uns
verpaßt!"

30.
Martina, Anne, Spatz, Nina und Benzmann saßen
zusammen in einer Eisdiele. Benzmann saß vor dem
"Giga-Monster-Früchtebecher" und schaufelte sich das
Eis ungefähr doppelt so schnell wie jede der Frauen
rein.
"Wenigstens bin ich diesmal nicht umsonst
gekommen", murmelte er mit vollem Mund.
Martina starrte auf seine Mütze und fragte: "Warum trägst
du eigentlich so eine Mütze mit so einem albernen
Bommel?"
"Weil ich immer gerufen werde, wenn wirklich Not am
Mann... äh. oder an der Frau ist."
"Ja", sagte Anne, "das ist der Alarmknopf!"
Sie haute Benzmann leicht auf die Mütze. Prompt fiel die
Mütze in sein Eis.
"Und obendrein verhindert die Mütze, daß er zu dick
wird!", rief Nina.
Benzmann verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte
sich zurück und sagte beleidigt: "Weiber!"
Jetzt mußte sogar Spatz lachen.


ENDE

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Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Joachim Schulz).
Der Beitrag wurde von Joachim Schulz auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.09.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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