Mario Hedemann

Die Insel der Verlorenen - Teil 5

Loren kam ins Wohnzimmer und fragte mich, wo ich ihren BH gelassen hätte?
 Draußen regnete es in Strömen und die kleine Lampe im Wohnzimmer hinter der Fernsehecke spendete etwas gemütliches Licht. Auf den kleinen Tisch vor dem Sofa stand das Kaffeegeschirr und der restliche Kuchen, den ich am Morgen vom Becker geholt hatte. Loren kam gerade aus der Badewanne und lief nackt herum. Die Kerze, die in der Mitte des Tisches stand, verbrannte gerade ihren restlichen Wachs.
 „Ich habe dein BH doch nicht weggeräumt,“ sagte ich. „Den hast du doch vorhin mit ins Badezimmer genommen.“
 „Ich habe meine Strümpfe mit ins Badezimmer genommen und nicht meinen BH.“
 Loren ging ins Schlafzimmer und ich fragte mich, warum sie ihre Strümpfe mit ins Bad genommen hatte? Ich saß auf den Sofa und da Loren die Tür zum Schlafzimmer offen hatte, konnte ich sehen, wie sie sich ein paar Sachen aus den Schrank holte und anzog.
 „Wir müssen noch einkaufen,“ rief sie.
 „Ja ich weiß, aber ich warte ja mal wieder nur auf dich,“ sagte ich leicht verärgert.
 „Du kannst ja alleine fahren, wenn es dir zu lange dauert.“
 Ich stand auf, ging ins Schlafzimmer, legte mich aufs Bett und sah ihr beim anziehen zu.
 „Na, was ist? Macht dich das etwa an? “ fragte sie mich grinsend und drehte sich Nackt zu mir um. Ihre Brüste waren eine große Handvoll und ihre Brustwarzen standen wie spitze Berge empor. Natürlich machte mich das an und das wusste Loren ganz genau.
 „Du weißt ganz genau, dass mich das anmacht und du zögerst es nur mit dem Einkaufen hinaus.“ „Pü, dann eben nicht,“ sagte sie und wendete sich wieder den Kleiderschrank zu. Nach einigem hin und her überlegen holte sie endlich eine helle Bluse heraus und einen Slip. Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, aber im Supermarkt hatte ich richtig gute Laune und spazierte singend die Gänge auf und ab. Camon Everybody von Eddy Cochran sang ich.  Die anderen Leute guckten mich alle blöde an, aber das war mir egal. Loren ging neben mir und ab und zu lachte sie auch mal, wenn ich laut anfing zu pfeifen.
Mit vollem Elan schob ich den Einkaufswagen vor mir her und pfiff fröhlich den Song vom guten alten Eddy weiter. An der Kasse kam der Marktleiter vorbei und ich winkte wie wild und rief laut und deutlich „Hallo.“  Er beachtete mich nicht und Loren fragte mich: „Wo hast du nur deine gute Laune her?“
 „Die habe ich im Lotto gewonnen. Die anderen Leute sahen mich an, als ob ich ein Weltwunder wäre. Einige schüttelten mit den Kopf und andere grinsten einfach.  Als wir bezahlt hatten, tänzelte ich hinter der Kasse herum. 
 Zu Hause packten wir die Eingekauften Sachen aus und räumten sie gleich an Ort und Stelle. „Ich mach uns gleich was schönes zu Essen,“ sagte Loren.
 „Was soll’ s den geben?“ fragte ich.
 „Las dich überraschen.“ 
 
 
 
  

 

Das quietschen der Bremsen und das aufheulen des Motors vom Zug schreckte mich auf. Zuerst wusste ich nicht wo ich war, aber dann wurde mir schnell klar, dass ich leider nur Geträumt hatte und ich mich im Zug nach Kiel befand. Loren war zu Hause und ich wäre jetzt zu gerne bei ihr gewesen und hätte sie einfach so in meine Arme nehmen können.
 Der Zug erreichte irgendeinen Bahnhof und kam langsam zum stehen. Es war ein großer Bahnhof, denn er besaß, soweit ich aus dem Fenster sehen konnte einige Bahngleise, auf denen viele Menschen standen und auf ihren Zug warteten.
 Noch ziemlich verschlafen und an meinem Traum denkend, sah ich den Schaffner im anderen Abteil Fahrkarten kontrollieren. Ich dachte noch so bei mir, dass dies ein Mann sein muss, der seine Sache einfach zu genau nimmt. 
 Die Türen gingen auf, als der Zug zum stehen kam. Auf dem Bahnsteig sah ich eine Horde Menschen aus und einsteigen. Die Tür zu meinem Abteil wurde aufgeschoben und eine gut aussehende brünette Frau kam herein. Sie ging an mir vorbei und suchte sich einen freien Sitzplatz im Abteil. Ebenso kamen einige Jüngere Leute, die etwas herum lärmten, herein und setzten sich scheinbar auch irgendwo bei uns im Abteil, denn es war auf einmal viel lauter im Abteil geworden. Dann betrat jemand das Abteil, dessen Anblick mich schockierte. Es war ein großer Glatzköpfiger Mann ungefähr um die Mitte dreißig, mit weißen T-Shirt eine Jeanshose und  Springerstiefeln. Aber seine Kleidung war es nicht, die mich schockierte, es war sein Kopf. In seinem Gesicht durchzog sich quer eine lange Narbe, die Oben links an der Stirn anfing und unten rechts an seinem Kinn ende endete. Er ging an mir vorbei und ich hörte nur, wie er die Tür zum anderen Abteil öffnete und offenbar verschwand.
 Es kamen noch ein paar andere Leute durchs Abteil und gingen an mir vorbei. Einige blieben stehen und sahen sich im Abteil nach einen freien um und gingen dann letztendlich weiter.
 Von Draußen her hörte ich eine Lautsprecher durchsage, konnte aber nicht verstehen, was diese Stimme da von sich gab.
 Kurz darauf wurden die Türen des Zuges geschlossen und dann fuhr der Zug ab. Ich warf den Blick wieder aus dem Fenster und sah, dass die Sträucher und die Häuser dieser Stadt wieder schneller an mir vorbei zogen. Durch die Scheibe der Tür, die zum anderen Abteil führte, sah ich, dass immer noch einige Leute damit beschäftigt waren, einen Sitzplatz zu suchen. Dabei war der Zug doch so gut wie leer. Zumindest war er das, als ich eingestiegen bin. Manche Leute sind vielleicht wählerisch.
 Olaf lachte richtig laut hinter mir. „Hallo Sie, sind Sie am schlafen?“  Das müssen Sie sehen.“ Zuerst reagierte ich nicht, aber dann hob ich den Kopf und drehte ihn um neunzig Grad. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Olaf etwas in der Hand hielt. Zuerst konnte ich es nicht erkennen. Es war etwas hellblaues und sah aus, wie ein Strumpf.
 Dann erkannte ich es doch. Es war zwar ein Strumpf, aber er war zu einer Puppe geformt worden und ein kleines blaues Blatt Papier war zu einer Art Mütze gefaltet und saß auf den Kopf der Puppe.
 „Können Sie das erkennen?“ fragte Olaf.
 Das Mädchen saß mit einem leichten Grinsen daneben.
 „Das soll wohl den Schaffner darstellen?“ vermutete ich.
 „He, ja genau. Ich glaube ich gehe gleich zu ihm hin und schenke ihn die Puppe.“
 „Las das lieber, sonst wirft er euch wahrscheinlich wirklich noch raus.“
 „Las es wirklich lieber, Olaf,“ sagte das Mädchen.
 „He, wollen Sie nicht wirklich rüber kommen?“ fragte er erneut.
 „Weißt du, ich mache hier lieber ein Nickerchen und warte darauf, dass ich endlich ans Ziel komme,“ sagte ich und wendete meinen Blick wieder aus dem Fenster.
 „Wo wollen Sie denn hin?“ hörte ich Olaf fragen.
 „Das geht dich doch gar nichts an,“ sagte das Mädchen.   

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.04.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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