Walter Günther

...und es war Sommer

 

......und es war Sommer !

(nach dem gleichnamigen Blues von Peter Moosleitner)


EINS



Am Abend, wenn die feuerfesten Frösche singen


Die Emscherhühner sich auf dem Phenolteppich dreh'n


Wenn zarte Säurenebel dir den Nasenfilter ätzen


und knallharte Käfer durch die Abflußrohre hetzen –


dann ist Sommer !


Lasset uns springen, pumpen und wringen


Blubb blubb, blubb blubb, ruft's aus dem Schlamm


Die Zeit der Frische. Zeit – für die Fische.


Die Zeit der Wonne, der unsichtbaren Sonne.....



Rußige Kinder mit Sicherheitshelmen spielen "tote Kanalratte". Drei lustige Wandersleut' pfeifen das Lied vom Smog. Steinalte Wasserhändler erzählen unglaubliche Geschichten von grünen Pflanzen, die angeblich einfach aus dem Boden wuchsen, Kraans oder Raas oder so......

Das Atemluftstudio an der Ecke schließt um halb zehn. Ich muß mich beeilen. Meine Flasche ist fast leer. Heute haben'se wieder feinsten Dünnsmog im Angebot. Nur elfeurofuffzich. Eine Garantie für nahezu schmerzfreies Atmen. Ich bahne mir den Weg durch die Horden luftsüchtiger Greise. Sie lernen es nie. Sauerstoff ist knapp in dieser Zeit, denn in China will man Auto fahren. Fanatische Anhänger der verbotenen Ozonsekte schwingen schnellatmend ihre Aspirinkreuze. Schon naht die Staatsmacht. Ordnung muß sein!

Junge Mädchen in gewagten Minimasken flanieren keuchend über die Rue de Deponie. Ja ja, die Mode! Ihre bunten Bleiröckchen flattern im Wind, der kurz mal auf 97 Atü auffrischt –

Wahrscheinlich haben'se gerade wieder 'ne Waserstoffbombe im Park entschärft.

Mein treuer Armband-Geigerzähler ist dem Ansturm nicht mehr gewachsen und ich tausche ihn gegen ein robusteres Modell aus Holz ein.

Bill, der Luftverkäufer ist mein bester Kumpel. Zusammen haben wir schon manche Bottle Schwarzluft reingesogen. Mit strahlendem Lächeln zeigt er mir eine kleine, grüne Ampulle: "Probier mal, Coal, erstklassier Stoff aus Athen, nur 1% Cyanwasserstoff!" Ich atme die reine Seeluft mit dem aromatischen Touch von bitteren Mandeln und bin nur ganz kurz ohnmächtig. Ein herrliches Gefühl! Solch gute Ware saugt man nicht alle Tage. Ich bedanke mich herzlich und verlasse den Laden.

Eine seltsame Vorahnung beschleicht mich, als ich durch meine Tantalbrille auf den brennenden Geigerzähler an meinem linken Handgelenk blicke. Irgend etwas muß da inzwischen geschehen sein?!

Die sechs Pilze hinter mir habe ich wegen der kurzen Entfernung gar nicht bemerkt. Diese jugendlichen Rabauken! Was hätte da nicht alles passieren können! Glücklicherweise haben sie sich mit 10 Megatonnen begnügt, eigentlich nur grober Unfug.

Nun, zumindest um die Luft brauchen wir uns nicht mehr zu sorgen – es gibt keine mehr!

Auf diese Weise hat man gleichzeitig das lästige Smogproblem gelöst und das zum vierten Mal in dieser Woche.

Ich hatte es satt und starb.....


.......und es war Sommer !


Die Zeit der Frische. Zeit, für die Fische. Die Zeit der Wonne, der unendlichen Sonne.



ZWEI


...der Tag danach


Nachdem mein Körper gestern abend durch eine leichtere Explosion in die wohlgeordneten Reihen des periodischen Systems der Elemente zurückfand, kam ich in den Himmel.

Beinahe wäre ich über das Jungengel gestolpert, das mir von oben direkt vor die Füße fiel. Seinem unordentlichen Gefieder zufolge, befand es sich wohl gerade in der Mauser. Gespannt trat ich näher. Schon immer interessierte ich mich für die primären Geschlechtsmerkmale dieser Neutra von Gottes Gnaden und siehe da, an der bewußten Stelle glänzte eine M12-er Sechskantmutter aus purem Gold. Verschämt deckte es einen seiner Flügel über die bewußte Stelle und ließ sich von mir aufhelfen. Dankbar zeigte es mir den Weg zum Himmelstor.

Irgendwie kam mir die äußere Form bekannt vor. Sie erinnerte schwach an eine affenförmige Tresortüre aus destilliertem Kalk. Der Öffnungsmechanismus war relativ leicht herauszufinden. Er reagierte ausschließlich auf einen telepatischen Impuls. Man brauchte sich nur ein Paar pyramidenförmige Boxerschuhe aus Pressluft vorzustellen und schon öffnet sich das Tor mit einem vernehmlichen Knacken so, als würde ein krankes Nashorn aus sechs Kilometern Höhe auf 300 Gramm Kitt fallen.

Verwundert betrachtete ich die vielen Zelte, Iglus, Jurten, Wohnwagen und Campingbusse, die sich rechts und links an der Himmelsmauer bis fast zum Horizont hinzogen. Tausende von Comedy-Autoren, Slapstick-Schreibern, Fantasy-Inkompentoren, Schlagertextern und anderen Kranken campierten dort teilweise schon seit Jahrhunderten und warteten auf die richtige Eingebung. Da sie schon zeitlebens über keine Unze Fantasie verfügten, machte ich ihnen wenig Hoffnung. Die berühmte Schriftstellerin Marion Zimmer-Bradley meinte, es wäre die Hölle.

Ohne Schwierigkeiten öffnete sich die große Türe vor mir und ich schwebte mühelos hindurch. Sogleich wurde ich von einer Schar minderjähriger Cherubim empfangen, die mich zu einem uralten Neger geleiteten. Er machte einen respekteinflößenden Eindruck wie er da so saß, in seiner heugefüllten Platinwanne. In der Hand hielt er meinen Lebenslauf, mit dem er sich den Schweiß aus dem Nacken wischte, ab und zu von heftigen Nasenkrämpfen geschüttelt. Lässig winkte er mich vorbei: "Go on Freak, heaven is waiting, yeah yeah!"

Halleluja, dachte ich, das ist ja astrein gelaufen, als plötzlich ein mächtiger Ton aus den Tiefen der Galxis meine Gedanken hinwegschwemmte. Es konnte A sein, aber auch As oder Ais, so genau konnte man das nicht sagen. "Armseliger Amateur!" sägte es, "hast du mir ein Stimmgerät mitgebracht?!"

...und Gott sprach es werde Licht und es ward Ton - für alle - die nicht weghören können.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.04.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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