Gaby Schumacher

Plüsch - Protest! (1. Teil)

Im Teddybärenregal des Spielzeuggeschäftes regte sich etwas. Die letzten Kunden waren gegangen, ein langer Stofftierarbeitstag mit Acht-Stunden-Stillsitzen und unentwegten Knopfaugen-Schmeichelblicken endlich zu ende.

"Brumm, wurd` aber auch Zeit!", quengelte Brummi und machte zur Probe erst einmal Spagat.
Gottlob, die Beine waren noch dran und fit war er auch noch.


"Gib` nicht so an!", meckerte Strubbel, das Bärenmädchen neben ihm und musterte fix ihr Spiegelbild in der Vitrinentür des Schrankes ihnen gegenüber.
Eine kleine Schönheit guckte ihr da entgegen. Strubbel wuchs innerlich um mindestens zwei Zentimeter und war sehr zufrieden mit sich.

"Eitle Ziege!", konterte Brummi.

"Halt dein Maul!", meinte Strubbel weinerlich. "I... ich bin k... keine Ziege!!"


Sie war kurz davor, ihm eins mit der Tatze zu versetzen, so gekränkt fühlte sie sich. Doch solche Aktionen verstießen eindeutig gegen den strengen Teddybären-Codex. Deshalb petzte sie sich stattdessen bei Mama Bär den Frust von der Seele:

"Der hat ´eitle Ziege` zu mir gesagt!"

"Bist` ja auch eine!", kam da ein zweites Mal noch gehässiger von Brummi.

Mama Bär grollte drohend in seine Richtung:

"Und du willst ein Teddy sein? Unerhört! Sofort hört ihr auf zu zanken. Heute Abend haben wir wahrlich ernstere Sorgen."

"Wieso??"

"Gleich findet hier eine wichtige Stofftierversammlung statt. Deutschland dreht nämlich anscheinend so langsam durch und wir müssen unbedingt etwas dagegen unternehmen!"


Die gesamte Teddyschar kletterte hinunter auf den Boden und setzte sich dort im Kreis zusammen. Papa Bär lobte:

"Dass ihr alle mit machen wollt, finde ich gut."

"Was ist denn eigentlich passiert?", löcherte ihn ein Bärenjunges.

"In unserem Heimatland wütet eine furchtbare Sucht. Die beginnt mit ´K`, hat quasi in der Mitte ein ´t` und endet mit ´itis`!"

"Diese verdammte Knuteritis – die einfach nicht mehr auszuhalten!", brauste einer der Bären zornig auf. "Wenn wir uns da nicht bald wehren, dann ... !"


"Genau! Die Ohren tun uns ja schon weh: ´Knut guckt süß, Knut frisst, spielt. tobt im Matsch, schmust mit seinem Menschen, schläft ... "

"Oder kriegt Zähne!", warf eine Bärin ein. "Hat sich, als ihr welche gekriegt habt, schon mal irgendein Mensch deshalb so angestellt?"

"A ... aber, wir kriegen solche Dinger doch gar nicht ... !", stellte ein Bär stirnrunzelnd richtig.
Ihm grauste es bei dieser Vorstellung. Teddys hatten keine Beißerchen zu haben. Falls doch, galten sie als beschämende Missgeburten und wurden zu Notfällen für den Puppenchirurg zwecks sofortiger Entfernung jener Schandzacken.


"Weshalb machen sie bloß so`n Theater um Kneif-Knut?", murrten alle.

"Kann mal gerade eben alleine rum laufen und beisst überall rein, sogar in die Schlabberbuxe seines Ziehpapas." 

"Der darf das alles und wir ... !"

Die Bärenkinder waren schwer sauer. Dieser Puschel-Milch-Pudding konnte ihnen mal ...

"Der schnappt uns unsere Fans weg!", empörte sich ein Bärenjunge im Teenageralter.

"Nun!", versuchte Papa Bär zu erklären. "Den haben die Menschen mit der Flasche großgezogen. Das klappt nur selten. Deshalb das Getue."

"Um den wird mehr Wind gemacht als um Lisa Bund bei DSDS. Bald gibt` s garantiert eine zweite, dann noch dämlichere Casting Show: ´Deutschland sucht den Super-Knut`!", frozzelte ein anderer Twen beleidigt und korrigierte sich gleich hastig: "Nee, die wäre ja überflüssig. Den haben se ja schon!"


Sie stimmten alle darin überein, dringendst musste etwas geschehen, bevor kein Mensch mehr sie überhaupt eines Blickes würdigte. Leider hatten sie ja das Pech, kein weißes Fell wie Knuts ihr Eigen zu nennen. Nein, sie waren stattdessen in Beige, Schlamm und Dunkelbraun gekleidet. Na ja, die Teddy-Punks von ihnen präsentierten sich immerhin doch sogar in Royalblau, Grellgrün und Barbie-Rosa.


"Wären wir doch weiß ... !", seufzte eine Bärin leise.

Alle merkten auf.

„Alsoo, ich könnte doch ...“, glitt ein Leuchten über Strubbels nachdenkliches Gesicht, „ein Puppenbrautkleid anziehen ...“

„Und raus guckten dein brauner Kopf und die Tatzen!“, höhnte Brummi.

Gerne hätte er noch mehr gemeckert, aber Papa Bärs tadelnder Blick verhieß nichts Gutes. Also verkniff er sich lieber den Rest. Anstatt weiterhin zu leuchten, färbte sich Strubbels Gesicht prompt schwarzbraun. Das kleine Möchtegern-Model starrte total frustriert vor sich hin. 


Jedoch war eine Idee geboren, die sich hartnäckig in den Teddyköpfen fest- und dann durchsetzte. Nur an der Umsetzung haperte es noch.

„Stellt euch mal vor ... “, brummelten die Bären ganz aufgeregt durcheinander, „wir würden alle ... !“

„Aber wie bloß?“, raunten sie.

Bedrückt begutachteten sie gegenseitig ihr Fell. Da saßen welche mit geschniegelt glattem, hoch glänzendem Pelz, der so stark schimmerte, als ob pfundweise Pomade hineingerieben worden wäre. Andere wiederum erinnerten stark an zerzauste Wischmopps. Die Fellsträhnen hingen ihnen kreuz und quer wie ein dichter Vorhang über die Augen. Irgendwie wirkten sie besonders klug, denn auf dem Kopf standen ihnen kleine Haarbüschel wie Geistesblitzantennen zu Berge. Vor lauter Klugkeit schwiegen sie denn auch nooch zu allem und überließen vorerst die Aufgeregtheit den anderen.


Ein kleines Bärenmädchen im Dirndlkleid schlug vor:

„Soll ich mal fix zum Puppenhaus traben und dort um Haarfärbemittel nachfragen?“

„Hääh??“

„Ja, die Puppen haben doch immer so tolle Haarfarben: Orange und sog ... “

„Haste schon mal eine von denen schlohweiß gesehen?“

Verdattertes Kopfschütteln ringsum. So eine verrückte Idee aber auch.

„Ich hab`s!“, triumphierte Brummi plötzlich.
Alles wandte sich ihm zu und stierte auf seinen Malerdress.
„Aus der Bastelabteilung besorgen wir uns Deckweiß-Tuben. Ihr werdet sehen, wie toll das wird!“

„Au ja, auf diese Weise stechen wir Knut aus. Der wird dann gar nicht mehr so doll beachtet, denn dann sitzen in allen Geschäften ganz viele weiße Bären.“

„Und das ewige Knut, Knut sind wir endgültig los!“, strahlten die Kinder.

Je länger die Teddys darüber nachdachten, umso toller fanden sie diesen Einfall.

 

 

 

 

             

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.04.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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