Mario Hedemann
Die Insel der Verlorenen Teil 10
Ein leichter Wind fuhr mir durchs Haar, während ich so dastand und zur Insel sah. Meine Gedanken waren wieder bei Loren. Ich konnte mir richtig vorstellen, wie es wäre, wenn sie hier bei mir sein würde, und mit mir gemeinsam von hier aus auf die Insel sehen könnte, lachend, Arm in Arm würden wir hier stehen und uns auf die Insel freuen. Es war schon eigenartig. Ich brauchte einerseits einfach mal Abstand von allem, war aber andererseits deprimiert darüber, dass Loren nicht bei mir sein konnte.
Wahrscheinlich befand sie sich jetzt nicht mehr bei meiner Mutter, sondern bei uns im Garten, wo sie bei so einem strahlenden Sonnenschein wie heute, immer zu finden war. Entweder legte sie ein Beet neu an, zog Wildkräuter aus den Rabatten oder machte sonst irgend etwas.
Eine menge Geld haben wir schon in den Garten gesteckt. Geld und Arbeit.
Immer näher kam das Land, und bald konnte ich schon die einzelnen Strukturen der Insel erkennen. Bunte kleine Hügel und ein paar Häuser, die von hier aus klein aussahen.
Meine Gesprächspartnerin und Getränkespenderin stand nun auf und kam zu mir.
„Vielleicht sehen wir uns mal da drüben.“ Sie deutete mit dem Kopf zur Insel. „Ich muss nun mein Gepäck holen und werde mich dann den anderen anschließen und mit ihnen zum Ausgang gehen. Haben Sie vielen Dank für den kleinen Zeitvertreib hier.“
„ Ich werde auch gleich kommen, aber noch hat die Fähre nicht angelegt,“ sagte ich.
Das Mädchen lächelte mich noch einmal an und verschwand. Nun konnte ich die Häuser schon genauer erkennen und einige Menschen die dort hin und her liefen. Der Kai wurde immer sichtbarer und vor ihm lagen noch einige andere Schiffe.
Entschlossen mich nun zu den anderen zu stellen, nahm ich meinen Koffer und ging ebenfalls ins Innere der Fähre. Der Kiosk, an dem ich vorbeikam, hatte seine Jalousien heruntergelassen. Aus dem Speiseraum kamen einige Menschen mit ihrem Gepäck und begaben sich in Richtung Ausgang. Ich schloss mich ihnen an und sah in einem Gang eine Menge Leute stehen. Zwei von ihnen hatten einen Kinderwagen dabei. Ein Mann in einer verschlissenen Cordhose und zerrissenem Flanellhemd stand mir gegenüber und sah mich an. Er schwankte leicht hin und her, und ich stellte mir zwei Fragen: „Ob dieser Mensch erstens besoffen sei und zweitens sich keine andere Kleidung leisten konnte?“
Von hinten tippte mir jemand auf die Schulter. Als ich mich umdrehte, stand meine Colaspenderin hinter mir. „So schnell sieht man sich wieder“, lächelte sie.“
„Tja , letztendlich treffen sich alle am Ausgang“. Mein Tonfall erschien mir ein bisschen frech und so fügte ich schnell hinzu: „ Aber manchmal macht es Freude, bestimmte Leute immer wieder zu treffen.“
Ich weiß nicht genau, wie lange es dauerte, bis die Fähre anlegte, aber das Mädchen und ich standen da und sahen uns nur stumm an. Es erschien mir wie eine Ewigkeit. Ich fragte mich, was sie wohl jetzt von mir dachte. Sie hatte mich immerhin vor einem weiteren Übergeben bewahrt und mir ein Getränk spendiert, das auf dieser Fähre wohl auch nicht so ganz billig war. Und ich bin wahrscheinlich mit meinem blöden Tonfall ins Fettnäpfchen getreten. Irgendwie war es mir peinlich und so suchte ich krampfhaft nach einem Gesprächsthema, aber wie es dann so ist, in einem bestimmten Augenblick fällt einem nichts ein. Kindergeschrei unterbrach mich in meinen Gedanken. Das Mädchen sah mich immer noch an und langsam machte mich diese Lage nervös.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.05.2007.
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