Svenja Osse

Der Traum wird wahr

 
Es ist Nacht. Ich träume wieder.
Ich hatte wirklich geschafft, einzuschlafen. So schwer war es gar nicht gewesen. Und es hat nicht mal lange gedauert.
Aber wie jede Nacht quält mich der Albtraum.
Ich träume von dem Knarren der Treppenstufen. Und dem quietschenden Geräusch meiner aufgehenden Tür. Dann höre ich die schweren Stiefel, die er immer trägt, wenn er von der Arbeit kommt.
Wenn er von der Arbeit kommt und Mutter nicht da ist.
Er kommt ganz nahe an mein Bett und flüstert. Ich verstehe ihn nicht. Er ist so verdammt leise. Die Stille macht mich wahnsinnig.
Mir wird immer kalt, wenn er da ist. Ich fange ganz plötzlich an zu frieren. Auch wenn meine Heizung an ist. Auch wenn meine Decke dick und warm ist. Auch wenn sich auf meiner Stirn kleine Schweißperlen bilden.
Dann spüre ich seinen Atem. Er verbreitet sich auf meinem Gesicht. Ich ekele mich und halte die Luft an.
Damals wehrte ich mich noch.
Jetzt nicht mehr.
Er fasst mit seiner Hand auf meinen Arm und schiebt langsam den Ärmel hoch. Als würde er sich langsam herantasten wollen.
Doch dann lässt er von meinem Arm ab und fasst an meinen Bauch. Seine Hand ist kalt. Sie schiebt sich unter mein Oberteil. Ich bekomme sofort Gänsehaut.
Ich liebe dich, sagt er. So sehr, mein Schatz.
Seine Worte hallen in meinem Kopf. Immer und immer wieder.
Ich kann nie sagen, wie lange er schon an meiner Bettkante sitzt, sich mit einem Arm abstützt und mich mit der anderen Hand berührt. Ich verliere das Zeitgefühl.
Die Zeiger auf meinem Wecker erkenne ich nicht. Es ist zu dunkel.
Seine Hand schiebt sich hoch. Immer weiter und quälend langsam. Er fasst an meine Brust. Grob und hart.
Es macht mich ängstlich, dass ich sein Gesicht nicht erkenne.
Ich sehe nur schwach die Umrisse.
Dann wache ich auf. Meine Träume hören immer an der gleichen Stelle auf. Ich träume nie, dass er wirklich mit mir Sex hat.
Dafür erlebe ich es.
Es tritt einfach ein und raubt mir meinen Schlaf. Er macht dann diese schrecklichen Dinge mit mir. Er tut es mir immer wieder aufs Neue an. Jede Nacht. Jede einzelne Nacht.
Jetzt hatte ich meine Ruhe gehabt, wenn auch nicht für lange.
Er war auf Geschäftsreise gewesen. Zwei ganze Wochen.
Ich hatte meine Träume zwar gehabt in dieser Zeit, aber ich schlief wenigstens durch.
Mein Wecker klingelt und ich bin sofort hellwach.
Es ist Samstag. Ich stelle mir samstags immer den Wecker.
Um halb sieben. Weil der Tag am schönsten ist.
Ich gehe aus meinem Zimmer und stapfe die Treppe hinunter.
Meine Mutter ist schon in der Küche. Sie rennt aufgeregt herum und als sie mich sieht, begrüßt sie mich fröhlich.
,,Los Kind, setz dich hin“ , sagt sie. ,,Ich habe ein tolles Frühstück gemacht für uns drei.”
Ich setze mich. Die ganze Küche riecht nach Pfannkuchen. Sie hat sogar heißen Kakao für mich gemacht.
,,Kind, du weißt doch, was heute ist, nicht?”
Ich weiß es. Natürlich weiß ich es.
,,Kind, freust du dich denn nicht? Immer leben dein Vater und ich aneinander vorbei. Wegen der Arbeit, weißt du? Wir geben uns ja die Türklinke in die Hand.”
Sie lacht. Jetzt schneidet sie die frisch gebackenen Brötchen auf.
Plötzlich höre ich, wie die Tür aufgeschlossen wird.
Ich höre die schweren Stiefel. Dann betritt er die Küche.
,,Hallo, hallo!” , ruft meine Mutter. ,,Hallo Schatz!”
Sie fällt ihm um den Hals und küsst ihn. Dann zieht sie ihm seine Jacke aus und legt
sie sorgfältig über eine Stuhllehne.
Er nimmt mir gegenüber Platz.
,,Gleich gibt’s Frühstück, ihr Lieben” , zwitschert meine Mutter und legt die noch dampfenden Brötchen in einen kleinen Korb.
,,Na” , sagt er zu mir. ,,Wie hast du geschlafen, Schatz?”
,,Wie immer, Papa.” 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.05.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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