Carrie Winter

Eine Bestie weniger...

"Liz? Sie meinen Liz?" fragte ich ungläubig und starrte den Mann vor mir an als hätte er ein Problem. Er nickte. Immer noch verwundert zog ich an meiner Zigarette.
"Wie gesagt. Ich würde gerne etwas mehr über sie erfahren. Wie war sie in der Schule?
Hatte sie viele Freunde? War sie eher Einzelgängerin?"
"Und das würde ihnen also weiterhelfen?" sagte ich skeptisch mit einem Blick auf seine Polizeimarke, die im Licht der hereinfallenden Sonne blitzte.
"Allerdings. Wir müssen untersuchen, ob es wirklich Selbstmord war." Erklärte er ruhig.
"Warum sollte es keiner gewesen sein? Sie war 15 Jahre alt. Ihr Freund hatte gerade mit ihr Schluss gemacht. Ist doch ganz logisch, das sie sich da umbringt." Meinte ich.
"Sie mögen es logisch nennen aber es gibt Anzeichen dafür, das es Mord war."
"Ach! Sie glauben, ihr Freund hat sie umgebracht! Ja, das kann ich mir gut vorstellen."
Überrascht sah er mich an und fragte aufgeregt: "Wirklich? Wieso?"
"Na ja...Wissen sie, ihre Beziehung war nicht gerade die beste...Sie haben ziemlich viel gestritten. Einmal hat er sie sogar geschlagen. Ich nehme sogar an, das er das öfters gemacht hat. Er war ein echter Mistkerl. Außerdem hat er Drogen genommen."
"Und sie denken wirklich, er könnte so was tun?" rief er freudig und sprang auf.
"Aber natürlich! Er ist ein skrupelloses Schwein!" sagte ich voller Überzeugung.
"Danke für ihre Hilfe!"
"Nichts zu danken."

Am nächsten Tag bekam ich einen Anruf von Lizs Freund. Er saß im Knast.
"Carrie! Du Miststück! Was hast du den Bullen erzählt! Ich sitz in Untersuchungshaft!"
"Ach, gefällt es dir dort etwa nicht?" fragte ich spöttisch.
"Du widerliche Schlampe! Was hast du getan? Sag mir sofort, was du dem Kerl erzählt hast!"
Seufzend warf ich einen Blick auf die zwei großen Koffer, die im Gang standen und antwortete: "Ich hab ihm nur die Wahrheit gesagt. Das du sie umgebracht haben könntest."
Eine Minute war Schweigen dann sagte er langsam: "Ist dir klar, das die Bullen mich verdächtigen? Mich für den Täter halten? Wiederruf deine Aussage!"
"Aber wieso denn?" fragte ich. "Es ist doch wahr. Du hast sie umgebracht."
"Du hast vergessen, eins zu erwähnen! Du hast dir das Ganze ausgedacht und mich praktisch dazu gezwungen, das zu tun!" brüllte er wütend. Ich schüttelte erschöpft den Kopf und schlüpfte in meinen Mantel. In Gedanken ging ich noch mal die Reiseliste durch.
"Carrie! Sag ihnen, das du sie umbringen wolltest! Das du es nur nicht getan hast, weil..."
"Weil ich kein Blut sehen kann." Unterbrach ich ihn und suchte nach meiner Handtasche.
"Wer wollte sie denn unbedingt loswerden? Wer hat denn gesagt, das ich sie töten soll?
Wer wollte denn mit einem Blutopfer unsere Liebe besiegeln? Du! Du allein!"
Geduldig hörte ich ihm zu, während ich den Inhalt meiner Tasche überprüfte.
"Rich, du darfst das alles nicht so ernst nehmen. Natürlich hab ich dich geliebt. Und wenn ich liebe, komme ich eben auf verrückte Ideen. Aber das heißt noch lange nicht, das ich immer bei dir bleiben werde. So darfst du das nicht verstehen." Erklärte ich ruhig.
"Das bedeutet...Du verlässt mich? Du hinterhältiges Miststück verlässt mich? Warum?"
"Es schadet meinem Ruf wenn ich mit dem Mörder meiner Freundin zusammen bin."
Der Reisepass, fiel es mir ein. Ich machte die Schreibtischschublade auf und wühlte darin herum. Aber er war unauffindbar. Das dürfte doch nicht wahr sein! Nicht jetzt!
"Für wen? Für wen verlässt du mich?" schrie er atemlos in mein Ohr.
Ich hielt den Hörer ein paar Zentimeter weg und kramte in den Koffern.
"Für niemanden..." sagte ich unwillig. Wo war dieser verdammte Pass?
"Weißt du was? Du bist nichts weiter als eine männerzerstörende Schlampe ohne Seele.
Jeder Kerl zerbricht an dir! Obwohl er dir gar nichts getan hat! Hör auf! Hör damit auf!"
Ah! Erleichtert zog ich den Pass aus meiner Manteltasche hervor.
"Tut mir leid, Rich. Ich habe dir gerade nicht zugehört. Was hast du gesagt?"
"Carrie! Ist dir klar, was du da tust? Du zerstörst Leben! Unschuldige Leben! Du bist eine Bestie! Ich bezweifle, das du überhaupt lieben kannst..."
Sollte mich das jetzt treffen? Langsam wurde er mir immer unsymphatischer.
"Und mein Vater ist Satan und regiert die Hölle!" fügte ich sarkastisch hinzu.
"Du begreifst es einfach nicht. Du wirst es nie begreifen. Aber irgendwann wird der Tag kommen, an dem die Männer sich das nicht mehr gefallen lassen. Sie werden sich nicht mehr benutzen lassen. Sie werden nicht mehr auf dich reinfallen. Dann nämlich wirst du das Opfer sein! Und du wirst die Demütigung und den Schmerz spüren." Sagte er mit Grabesstimme.
"Und wann wird das sein? Lass mich raten! Am Tag, wenn die Welt untergeht!"
Ich warf einen Blick in den Spiegel und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
"Übrigens, du hattest recht. Ich verlass dich wegen jemand anders. Er heißt Brad und ist ziemlich reich. Im Gegensatz zu dir. Ich werde mit ihm verreisen. Und nie mehr zurück kommen." Sagte ich lächelnd und schlüpfte in meine Stiefel.
"Du kannst nicht flüchten!" rief er entsetzt.
"Ich flüchte nicht. Du scheinst vergessen zu haben, wer hier wegen Mordes hinter Gittern sitzt. Außerdem hat mir die Polizei einen kleine Kurzurlaub erlaubt. Schließlich muss ich mich von diesem schockierendem Mord erst mal erholen."
"Wenn es noch eine Gerechtigkeit gibt, wirst du nicht so davon kommen."
"Das ist ja ganz nett aber ich muss jetzt los. Viel Spaß noch mit deinen Zellengenossen."
Ich legte auf, sperrte die Tür auf und nahm meine Koffer. Draußen wartete Brad schon in seinem Jaguar. Mit einem Lächeln stieg ich in den Wagen und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
"Fertig?" fragte er. "Fertig!" sagte ich und lehnte mich zufrieden zurück.
"Wir werden übrigens mit meinem Privatjet fliegen. Das heißt, wir sind ganz allein."
"Oh, ich liebe dich!" rief ich begeistert und versuchte mich zu erinnern, wie oft ich den Satz in den letzten 10 Jahren schon gesagt hatte. Viel zu oft. Aber es hatte sich immer ausgezahlt.
"Wir werden ein vollkommen neues Leben beginnen, mein Engel." Versprach er mir.

Mittwochmorgen sang ein Gefangener in seiner Zelle das Lied `She loves you yeah yeah yeah`. Die Polizei musste denselben Gefangenen eine Stunde später wegen Mangels an Beweisen gehen lassen. Ein Einsatzwagen wurde zu einem Feld gerufen, auf das ein Flugzeug vorige nacht abgestürzt war. An Bord wurden drei Leichen gefunden. Die des Piloten, dann die eines alten Mannes, der ein hohes Tier in der Computerindustrie gewesen war und die einer jungen Frau, schätzungsweise Ende 30, mit langen blonden Haare. Die Polizei ist immer noch mit ihrer Identifikation beschäftigt. Als Grund für den Absturz wird ein Motorschaden angegeben. Dabei versichert der Mechaniker, das sie vollkommen in Ordnung war, als er sie sich kurz vor dem Start noch einmal anschaute. Mord ist deswegen nicht ausgeschlossen.
Der Bauer, dem das Feld gehört, meint allerdings, es wäre etwas anders gewesen.
Das Wetter war nämlich sehr gut gewesen bis dieses Flugzeug kam. Auf einmal tauchten schwarze Wolken auf, Regen setzte ein und Blitze gingen auf die Erde nieder.
Er vertritt die Theorie, das eine höhere Gewalt an dem Absturz schuld war.
Die Polizei schenkte dieser Vermutung allerdings nicht viel Glauben. Bis heute ist der Tod der drei Menschen nicht genau aufgeklärt. Dafür konnte die Polizei eine Reihe mysteriöser Männermorde aufklären, als sie nach Freunden und Verwandten von der jungen Frau suchten.
So hatte der Absturz nicht nur für Rich etwas gutes...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.09.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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