Mario Hedemann

Die Insel der Verlorenen Teil 16

Ist ja auch nicht verkehrt, denn Fremden gegenüber sollte man immer Vorsichtig sein. Scheiß Weisheit, die mir meine Eltern beigebracht hatten.
 Ich wollte die Verbindungstür gerade wieder schließen, als erneut ein Schlüssel in einer Tür herumgedreht wurde. Die Tür zu Hermanns Zimmer war es diesmal nicht. Es war die gegenüberliegende Tür. Sie wurde geöffnet und wieder fiel etwas Licht auf dem Gang und diesmal sah ich Amalia in der Tür stehen. Von ihr waren nur ein paar Gesichtszüge  in dem fahlen Licht zu erkennen und ich konnte sehen, dass sie mich wieder angrinste.
 „Ja, haben Sie mich gerufen?“
 „Hermann hatte Sie gerufen, aber ich wollte Sie eigentlich etwas fragen.“
 Mit ihr zu reden, fiel mir - zumindest bis jetzt - leichter als mit ihrem Sohn Hermann zu reden. „Fragen Sie nur,“ sagte Amalia freundlich.
 „Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich einige Lebensmittel bei ihnen im Kühlschrank lagern würde?“ 
 „Aber nein, nur haben wir keinen Kühlschrank, sondern eine Vorratskammer, die richtig kühl ist.“ „Das wäre auch ok.,“ rief ich.
 „Soll ich Ihnen die Kammer jetzt zeigen oder etwas später?“
 „Machen Sie sich keine Mühe, Sie können sie mir auch später zeigen.“
 Dann schloss sie wieder ihre Tür ohne noch etwas zu sagen und das Licht im Gang verschwand wieder. Ich hörte, wie auch hier ein Schlüssel im Schloss herumgedreht wurde. Demnach schloss die Familie also ihre Türen ab. Man kann auch nie vorsichtig genug sein.
 Dann schloss ich diese Verbindungstür und ging wieder zum Laden der alten Frau zurück. Sie schien mich schon zu erwarten. Mit einem breitem Grinsen fragte sie mich: „Na, was hat ihre Gastwirtin gesagt?“
 „Kein Problem. Also dann packen Sie mir die Sachen bitte ein und sagen mir, was Sie bekommen.“ Die Frau packte mir also die Sachen die ich haben wollte in einem Stoffbeutel und kassierte. Die Summe befand sich so um die dreizehn Euro.
 „Wie lange sind Sie denn schon hier, wenn ich mal fragen darf?“ fragte die Frau, als ich raus gehen wollte.
 „Seit Gestern,“ antwortete ich.
 „Dann wünsche ich ihnen noch einen angenehmen Aufenthalt. Sie müssen Nachts mal hinter den Sanddorndühnen das Meer beobachten. Sie müssen...“ Sie brach ab, als ein jüngerer Mann mit Shorts und T-Shirt den Laden betrat.
 Wenn ich wirklich vier Wochen hier bleiben würde, dann müsste ich sowieso noch öfters mal den Laden der guten Frau betreten, um ein paar Sachen zu besorgen.
 „Auf Wiedersehen und vielen Dank,“ sagte ich.
 Die Frau nickte mir zu. „Machen Sie' s gut und passen Sie auf sich auf.“ 
 Ich verließ den Laden und ging zu meiner Unterkunft zurück. Eigentlich wollte ich heute noch den Ort ein bisschen auskundschaften, aber ich hatte ja noch Zeit und so groß war dieser Ort nun auch wieder nicht.
 Als ich in die Küche der Familie Sanders kam, hoffte ich nur, Hermann nicht zu begegnen. Es war lachhaft, aber er machte mir Angst. Verdammt noch mal, er war doch noch ein Junge, vor dem ein Erwachsener wie ich keine Angst haben musste. Hermann war höchstwahrscheinlich in der Pubertät.
 Wie üblich fiel mal wieder nur Licht durch eine Tür, wenn sie offen stand, was in diesem Fall die Verbindungstür zwischen Flur Privatraum der Sanders war.
 Ich stand also Mutterseelen allein in der Küche und beschloss, selber auf die Suche nach dieser Vorratskammer zu gehen, bevor ich Hermann noch einmal aus seinem Zimmer lockte.
 Ich kannte so ein Vorratsraum noch von meiner Großmutter und demnach war  ich mir sicher, dass so ein Raum logischerweise sich nur in einer Küche befinden konnte und so sah ich mich also um. Die Küche war aufgeräumt und sauber verlassen worden und in der Luft hing ein leichter Duft nach Bratfett.
 Dann erblickte ich eine Tür. Da musste die Vorratskammer sein. Ich ging also hin und öffnete die Tür. Es war kein großer Raum und da kein Fenster vorhanden war, viel nur etwas Licht von der Küche herein. Die Regale, die  kleinen Wände verdeckten, waren geradezu mit Konserven gefüllt. Berge von Fleisch türmten sich. Sie nahmen schon bald ein ganzes Regal für sich in Anspruch. In der Familie mussten sie demnach alle richtige Fleischesser sein. Wie viel Geld hier wohl drin steckte? Die verschiedensten Konservendose  und Leib Brote konnte ich entdecken. Marmeladengläser in Hülle und Fülle. Es sah aus, als würde es die nächsten zehn Jahre nichts mehr geben und die Sanders bunkerten ihre Sachen schon auf mindestens fünfzehn Jahre im voraus.
 Da ich nicht viel hatte, fand ich noch ein Plätzchen für meinen Proviant unten links im Regal. Ich legte die Sachen mit samt Beutel dort hin und ging wieder hinaus.
 Wenigstens brauchte ich mir keine Sorgen zu machen , denn da der Raum kein Fenster hatte, war es angenehm kühl da drin. Von der Hitze die draußen herrschte, war hier nichts zu spüren. Der Raum musste sehr gut Isoliert sein.
 Ich hatte gerade die Küche verlassen und die Verbindungstür zwischen Sanders Wohnräume und dem kleinen Flur geschlossen, da hörte ich, wie plötzlich irgendwo in dem Dunklen Gang eine Tür aufgeschlossen wurde.
 „Hermann,“dachte ich entsetzt. Ich weiß nicht warum, aber ich hatte auf einmal Herz rasen bekommen und eilte die Treppe hinauf zu meinem Zimmer.
 Warum jagte mir Hermanns Gegenwart so eine Angst ein? Das war doch albern. 
 Als ich mein Zimmer leise aufschließen wollte, leise, weil mich  niemand hören sollte, wurde unten die Verbindungstür geöffnet.
 Ich öffnete meine Zimmertür und schlüpfte hinein. Hinter mir schloss ich die Tür ab. Jemand kam die Treppe hoch und blieb für eine Weile vor meinem Zimmer stehen.
 „Es ist Hermann,“ dachte ich mit klopfendem Herzen. Ich konnte ein schnaufen durch die Tür hören. Dieser jemand schien erregt zu sein, wie nach einem Dauerlauf.
 „Warum macht dir der Junge solch eine Angst?“ Ich hätte doch vielleicht vorher fragen sollen, wo die Lebensmittel hinkommen, statt mich einfach von selbst in einem Fremden Haus umzusehen. Ich werde mich nachher bei Frau Sander entschuldigen dafür. Immerhin wollte sie mir die Vorratskammer ja zeigen und ich hatte nichts besseres zu tun, als in ihrer Küche herum zu schnüffeln und nach dieser blöden Vorratskammer zu suchen.
 Und das hatte ich nun davon. Jetzt hatte ich höchst wahrscheinlich Hermann auf den Hals. Ich hatte Angst vor ihn, wie vor einem bissigen Hund.
 Jemand eilte die Treppe wieder herunter und unten fiel die Verbindungstür mit einem lauten Knall ins Schloss. Eine ganze Weile lag ich mit hämmerndem Herzen auf dem Bett.
 Loren hätte jetzt gesagt, dass würde davon kommen, dass ich mir dauernd die blöden Horrorfilme ansehen musste.
 Vielleicht wollte Hermann mich ja nur etwas fragen. Aber warum hatte er das dann nicht eben durch meine verschlossene Zimmertür getan? Was hatte ich eigentlich für ein Grund, Angst vor ihm zu haben? Wenn es Hermann eben gewesen war.
 Von unten her hörte ich, wie eine Tür zugeschlagen wurde und Amalia schrie: „Hermann, was hab ich dir gesagt? Kannst du diese Viecher nicht in den Müll schmeißen, wenn sie dir nicht mehr schmecken?“
 Ich wusste nicht, was sie mit Viecher meinte. Ich wollte es auch nicht wissen.
 Etwas unverständlich und viel leiser, konnte ich Hermann hören, wie er sich wohl vor Amalia rechtfertigen musste.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.05.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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