Stefan Müller

The Story of Tobey Mayer

Vorwort

 
Wo. Das interessanteste Wort das es gibt. Es ist mein absolutes Lieblingswort.
Niemand, oder besser gesagt fast niemand denkt an die wahre Bedeutung dieses Wortes nach. Ich tue das täglich. Ich frage mich dann immer, wo ist der Anfang, der Ursprung, der erste Gedanke, die erste Frage mir diesem rätselhaften Wort. Wenn man jemanden fragt, dann heißt es, „Warum? ,das ist ein doch nur ein ganz normales Wort, welches eine bestimmte Form einer Frage ausdrückt!“  Doch es ist mehr. Man fragt sich doch wo komme ich her? Wo, kommen wir her? Wo, ist der Anfang allen Lebens? Wo, sitzt die Seele? Oder wo enden wir einmal? Fragen die vielleicht nie beantwortet werden könnten.
Ich sehne mich nach diesen Antworten, wo wir glücklich sind, wo der Ort ist an dem wir Traurig, glücklich und verliebt sind, ohne Leid. Wenn ich das frage… spätestens dann sehe ich die rätselhaften Gesichter der anderen, die nie richtig darüber nachgedacht haben. Niemand, nicht mal Gott, kann uns zu Verstehen geben, wer oder was wir eigentlich wirklich sind. Die Menschen leben einfach vor sich hin, sie akzeptieren ihre Umwelt so wie sie ist und das schlimmste daran ist, sie träumen nicht mehr. Doch macht sie das glücklich? Führen sie ein zufriedenes Leben? Haben sie immer die richtigen Entscheidungen getroffen? Meiner Meinung nach nein. Es gibt nur sehr wenige die das tun, was sie sich immer gewünscht haben. Woran liegt es, dass  so viele unglücklich sind? Wo liegt der Ursprung für dieses Verhalten?
Liegt es daran, das wir uns so unter Druck setzten lassen? Stress? Wo ist die Zeit, bei Schule, Studium oder Arbeit für die Fantasie? Allen steht der Weg zu ihren Träumen offen, jeder könnte tun wovon er immer geschwärmt hat. Es gilt nur den größten Gegner zu beseitigen, den Alltag. Haben sie schon mal darüber nachgedacht? Natürlich haben sie das, wer nicht, aber sind sie bereit den letzten Schritt zu wagen? Den Fluss und sich den Gefahren des Lebens zu stellen? Die wenigsten sind es.
Doch wie wäre es sein Leben zu ändern, zu verbessern,… auch nur für ein paar Minuten, in seiner Fantasie der zu sein, der man schon immer sein wollte. Wie gesagt, ich tue das täglich. Und wissen sie was…ich fühle mich gut dabei. Alles zu vergessen, einzutauchen in eine Welt ohne Grenzen, ohne Gesetzte und ohne Vorschriften…das zu tun, was man will. Das ist Freiheit.
Doch zurück in der realen Welt, gibt es etwas worüber ich schmerzhaft nachdenke. Es ist etwas das mich innerlich zerreißt. Jedes Mal sträuben sich mir die Nackenhaare zu Berge und mir wir eisig kalt. Ich verfalle in einen Zustand von Trance und es fällt mir schwer zu atmen. Wo wird mein Leben enden? Wird es mir gut gehen? Werde ich eine Familie haben die ich ernähren und mit der ich glücklich sein kann? Das ist etwas, wo ich sagen muss, es ist das schlimmste mit dem ein Mensch zu kämpfen. Der Ungewissheit. Und es ist jeden Tag. Ab hier setzt die Fantasie ein, die Flucht davor. Flucht in die Art von Leben, in der alles einwandfrei funktioniert, in der Feinde Freunde sind, in der Probleme die Rolle der Lösung annimmt. Eine perfekte Welt. Und alles was man dafür tun muss, ist fünf Minuten die Augen zu schließen und sich seine Welt vorzustellen, in der Wünsch wahr werden und so das Gefühl der Zufriedenheit erlangen.
Aber die Wahrheit ist doch, es ist nicht real. Alles worum es sich bei den Menschen dreht ist Geld, Hass, Selbstmitleid und Neid. Am meisten jedoch die Angst. Schaffe ich den Schul-Abschluss, bin ich gut genug um eine vernünftige Ausbildung zu erlangen, besteh ich sie und bin ich beruflich erfolgreich? Das sind genau die Situationen die in uns Panik auslösen und uns auf andere neidisch macht. Wie definiert man also die Menschen? Mir fallen nur drei Begriffe ein: Täter, Opfer und Zeuge. Denn jeder einzelne Bezeichnung hat jeder von uns einmal durchlebt, nicht selten waren wir alles drei zur gleichen Zeit. Und ich erst…ich…ich.

 

 

 

 
Kapitel 1:                                            Watte

 
„Wie heißt du?“ „Wie alt bist du?“ „Was machst du so?“
Drei Fragen die ein neues Kapitel des Lebens einläuten. Jeder stellt die Fragen als aller erstes
wenn man einen neuen Partner kennen lernt. Keiner geht zu jemanden und fragt: „Wovon
träumst du wenn du allein bist?“ Wir sagen uns, hey, das erfahren wir später, …viel später,
…vielleicht aber auch nie.
Ein interessanter Mensch zeichnet sich dadurch aus auf Geheimnissuche zu gehen. Jeden Tag etwas neues über deinen Partner zu erfahren. Ihm in die Augen zu schauen und tief darin das Funkeln des Wohlbefinden zu sehen. War das auch bei unseren Eltern so? Ich denke schon. Am Anfang zumindest.

 
12.09.1984 / 00:18 Uhr.

 
Schreie durchströmen den gigantisch langen Flur eines Gebäudes der kleinen Stadt Ischsau.
Es ist ein langer Gang, mit grün kartierten PVC Boden, der das Licht der verstaubten Lampen entlang des Flures schwach widerspiegeln. In kurzen Abständen stehen sich leicht vergilbte Holztüren parallel gegenüber. Es müssen etliche Türen in diesem Gebäude sein, die zu Zerfallen drohen, doch niemanden scheint es zu kümmern. Wieder ein Schrei.
Doch sieht man kein Leben, nichts regt sich, keine Bewegung. Nicht mal ein Luftzug zieht über die freien Flächen. Die einige Reaktion die zu bemerken ist die Lampe am Ende des Ganges die an- und ausgeht. Es scheint wie tot. Wer schreit dort? Und wieder hallt es hindurch. „Macht das es aufhört!“ Doch noch immer bleibt der Flur wie er ist. Alles steht so regungslos da wie zuvor. „Beruhig dich, es ist gleich vorbei!“ flüstert es. Es kommt aus der letzten Tür am Kopf des Ganges. Plötzlich entfaltet sich ruckartig ein kegelförmiger Lichtstrahl seitlich aus einer der mittleren Türen. Eine Tür wird aufgerissen und eine verschwommene schwarze Schattengestalt schnellt hinaus. „Wir werden sie aufschneiden!“ sagt eine ruhige raue Stimme im inneren des Raumes aus dem die Schreie zu vernehmen waren. Er ist überfüllt mit Menschen die kreisförmig um einen Tisch stehen und diesen mustern. Links und rechts fluten grelle Lampen den gesamten Raum mit Licht. „Beenden sie es!“ Überall richt es nach Schweiß und beißendem Urin. „Ahhhhhhhh!“ Auf den weißen Fliesen geringe Menge  von Blut deren Gerinnung noch nicht eingesetzt hatte. „Warum hilft mir den niemand?!“ fleht jemanden auf dem Tisch. „Bei diesem Gejammer kann ich nichts tun!“ sagt einer im Kreise. „Schneidet sie auf!“ von gegenüber. Langsam greift eine Hand auf den neben stehenden Tisch und fasst ein Messer. Personen umhüllen das Geschehen, das einzige was man sieht ist ein Blutstrom der sich dem Tischbein hinab schlängelt. „Nein, nicht!“ doch die Unbekannte wird nicht beachtet. Alles was geschieht scheint ohne jede Bedeutung der anderen zu geschehen, so als sei es normal. Immer mehr verstummen die Klagen und das Flehen auf Erlösung, bis es auf einmal ganz still ist. „Die Zeit?!“ „00:26 Uhr!“  antwortet eine Frau. „Der Puls ist schwach!“  Fragwürdige Blicke fallen auf die Gegenüberstehenden. „Bringen sie die Frau hinaus, ich kümmere mich darum!“ Nach kurzem zögern bemühen sich zwei Freiwillige um das bewusstlose Opfer. „Sorgen sie dafür das der Mann nichts davon erfähr! t, verst anden!“ dann dreht sich die Person herum und steht mit dem Rücken zu den anderen, in seiner Hand etwas kleines das im Schatten verborgen bleibt. Plötzlich ertönt ein krächzendes Keuchen eines Babys. „Willkommen in deiner neuen Welt!“ flüstert der Träger. „Gute Arbeit!“ lobt ihn ein anderer. „Wie wollte die Mutter ihn nennen?“ Er antwortet: „Ich glaube Tobey…“

 
                                                           „…Tobey Mayer!“

 
Kapitel 2:                                            Späne

 
„Kannst du nicht mal diesen Drecksstall hier aufräumen?“
Diese Worte fliegen durch die dunkle Straße der Thomas-Maas-Siedlung. Außerhalb der Straße stehen alte, gebrochen Häuser, an deren Wänden grünbrauner Schimmel hängt und auf den Dächern verlassene Vogelnester, die ihre Zeit des Zerfalls absitzen. Bäume und Blätter biegen sich im kalten Winterwind und erscheinen als erschreckendes Schattenspiel. „Ich habe es so satt!“ Kein Tier durchquert das Revier der Unruhe. Das einzige was man vernimmt sind die schwachen Windhauche, die den Gestank von abgestandenen Regenwasser versprühen. Und die Stimme eines Mannes, der gerade zum Höhepunkt seiner Wut auffährt. Doch wo kommt sie her? Ist es das rötliche Haus, fast am Ende der Straße das so düster im Mondlicht schimmert? In dem nur zwei Fenster Licht durch die verschmutzen Scheiben lässt? Es wurde zu dem asozialen Verhalten des Mannes passen. „Überall wo ich hinseh, liegt das Zeug dieses Bastards rum, kümmer dich um ihn sonst tu ich es, du Schlampe!“
…Nein, das Haus würde ihm schmeicheln. Es ist eher das das Gebäude, wo der alte Ford Fiesta steht. Von Rost zerfressen und kaputter Heckscheibe. Da wo kein Außenputz mehr zu sehen ist, weil die Ratten dort ein warmes Heim gefunden haben. Es ist abstoßend. „Gleich setzt es ein gehörige Tracht Prügel!“ …Er ist abstoßend!“
Im Wohnzimmer sitzt eine junge, gut aussehende Frau mit Tränen in den Augen. Sie scheint öfters zu weinen, denn ihre Augen wirken entzündet und schwach. Sie trägt ein weißes Nacht- Hemd und eine vergoldete Armbanduhr. Ihre Haare sind zerzaust und doch wirkt sie gepflegt und sympatisch. „Willst du das ich so bin… ist es das was du willst?“ Auf dem blauen Teppichboden rechts neben dem mit Bier beladenen Glastisch sitzt ein kleiner blonder Junge, der völlig uninteressiert dessen was gerade passiert weiter auf den Fernseher schaut. Er wirkt gelassen in seinem gelben Schlafanzug und achtet regungslos mit seinen hellblauen Augen weiter auf das abendliche Programm. Zitternd antwortet die Frau: „Es tut mir Leid, ich hatte noch keine Zeit um…!“ und wird direkt unterbrochen. „Es tut dir Leid… ist das alles was du dazu zu sagen hast!“ In der Tür baut sich ein schwergewichtiger Mann auf, gekleidet in Handwerkerkluft, schlammigen Sicherheitsschuhen und versifft karierten Pullover. Fettige Haare lassen das Licht der Billig Lampe widerspiegeln und der stinkende Biergeruch aus seinem Mund füllt das Wohnzimmer. In seinen Augen brennt der Wunsch nach Gewalt, Hass und Demütigung. In seiner linken Hand eine geleerte Bierdose. Er ist ein Abbild des personifizierten Bösen. „Komm her und knie nieder!“ „Sofort!“ brullt er. „Bitte beruhig dich doch!“ fleht seine Frau. „Komm sofort her und knie nieder, habe ich gesagt!“ schreit er lauter und wirft mit der Dose nach ihr. Zögernd erhebt sich die Frau und schleicht mit schlotternden Körper zu ihren liebenden Mann. Die Augen des kleinen Jungen richten sich vorsichtig zum Geschehen. Als sie vor ihm steht, schaut sie ihn mit ihren nassen angsterfüllten Augen an. „Knie nieder!“ flüstert er. Sie schließt ihre Lider und geht langsam hinunter auf ihre Knie. Tränen tropfen wie ein Wasserfall ohne Ende nieder und versinken in den Fasern des Teppichs. „Geht doch!“ sagt er abweisend. „Jetzt mach die Hose auf und zeig mir wie Leid es dir tut!“ „Nein, bitte, tu das nicht… denk doch an den Jungen! !“ „Tu e s!“ kreischt er. Sie wirft einen Blick zu ihrem Sohn hinüber und sieht dessen gespielte Abwesenheit. Dann wendet sie ihren Kopf wieder zurück und schließt erneut ihre Augen. „Bitte, verlang das nicht von mir…!“ flüstert sie erneut. „Mach jetzt!“ Ihre Finger gleiten langsam an seinen Beinen hinauf, ohne hinzusehen was sie tut. „Ja, das ist meine Süße!“ stöhnt er. Ihre Hände schlottern immer höher in Richtung Hosenstall. Es ist ein Anblick der totalen Erniedrigung. „Ja, ja, gut so…!“ ächzt er und schließt entspannt seine Augen. Die Frau greift mit zwei Fingern nach dem Bügel und blickt rauf zu ihrem Mann. Sie bemerkt seine vorübergehende Unachtsamkeit und fasst langsam in den Vitrinenschrank hinter ihm. Dort greift sie nach einer kleinen jedoch massiven Steinstatue die sie genau vor einer Woche zu Weihnachten bekommen hatte. Sie richtet sich auf und als er ihre sanften Hände nicht mehr an seiner Hose spürt öffnet er seine Augen. Mit einen tränenunterlaufenen Blick nuschelt sie hart: „Nie wieder!“ und schmettert die Statue mit voller Wucht gegen seinen Kopf. Dieser fällt angeschlagen mit der Figur zu Boden und bleibt regungslos liegen. Hastig reißt sie ihren Körper um und stürzt zu ihrem Sohn. „Komm Tobey, wir müssen weg!“ Sie nimmt ihn in ihren Arm und rennt zur Tür. Gerade als durch die Türschwelle schreitet, spürt sie einen festen Druck an ihrem Knöchel. „Du Schlampe!“ Reflexartig tritt sie die Hand ihres Peinigers weg und flüchtet. Angeschlagen und  leicht schwankend richtet sich der Mann auf und rennt hinterher. „Du entkommst mir nicht, ihr beide entkommt mir nicht!“ Sie schmeißt die Etagentür auf und läuft die Treppe des ersten Stocks hinunter, vorbei an rissigen Tappeten und schiefen Bildern, weit hinter ihr ihr Mann. Mit Schwung nimmt sie die erste Hälfte der Treppe und poltert laut die Stufen runter. „Bleib ganz gut, es wird dir nichts geschehen!“ beruhigt sie das feuchte Gesicht des Jungen. Doch der Abstand zwischen Verfolger und Verfolgter wird immer geringer bis er plötzlich stehen bleibt. Sie h! at die H austür nach draußen erreicht. „Wir haben es gleich geschafft!“ Nur noch wenige Meter trennen sie von der Außenwelt. Doch zuerst schaut sie zurück und erblickt ihren Mann, der grinsend auf der Treppe steht. „Schneller Mami…“ flüstert er. Entschlossen fasst sie den Türgriff und reißt ihn nach unten. Ihre Augen werden starr, sie ist wie eingefroren, keine einzige Muskelbewegung ist in ihrem Gesicht zu verzeichnen.
…Abgeschlossen. „Alles zum Schutz der Familie, mein Schatz!“ hallt es hämisch von hinten. Nach einem kurzem Ausatmen setzt sie den Kleinen auf den Boden ab, streichelt über seinen Kopf, verliert  aber den Blick zu ihm nicht. Sie bemerkt ein Funkeln in seiner Hand. „Was hast du vor?“ fragt sie ängstlich. „Das Messer war der Beginn dieses Mistkerls, dann wird es das auch beenden!“ Mit diesen Worten stürzt er mit entschlossenem Blick auf sie zu. In Zeitlupe blickt sie zu ihrem Sohn rüber, …lächelt, …zwinkert noch einmal ein aller letztes mal und wirft ihren Jungen schützend hinter sich. Schreiend wendet sie sich ihrem Schicksal zu. Nur kurz vernimmt am das reißende Geräusch  wie sich das kalte Messer seinen Weg durch die Haut, hinein in die Magengegend bahnt. Ihr Blick, eingefroren wie eine Eisskulptur, mit weit aufgerissenen Augen. „Auf die Knie, …so ist richtig…“
stammelt er aus seinem mit Speichel gefüllten Mund, sein Blick an ihr vorbei ins Leere. Eine kleine Blutspur läuft aus ihrem Mund am Kinn entlang zu Boden. „Mami?“ „Mami, was ist mit dir?“ weint der Sprössling und schaut in ihre offen stehenden Augen. „Mami kann dich nicht hören, sie schläft.“ Flüstert es zurück. „Aber keine Angst du bist gleich bei ihr!“ Langsam nähert sich der Vater seinem eigen Fleisch und Blut und wirft ihm einen kalten, erbarmungslosen Blick zu, immer noch das blutverschmierte Messer in seiner Hand. „Du bist nicht mein Daddy!“ schreit der Junge. Der Vater stockt kurz. Sein künstlich aufgesetztes Lächeln verwandelt sich in eine grausame, wütende Fratze und seine Augen zucken umher. Er hebt den Arm um zu Finalen Hieb gegen ihn zu auszuüben. „Du dreckiger…“ Doch wie aus Geisterhand reißt ihn die Hand seiner noch lebenden Frau das Bein weg, so dass dieser hart am Boden aufschlägt. Das Messer fällt aus seiner Hand und findet gleich einen neuen Besitzer. Er dreht sich, doch schon wirft sie sich über ihn. „Du Miststück!“ keucht er, aber sie antwortet mit leisen Worten: „Nie wieder du Arschloch!“ In diesem Moment holt sie mit beiden Armen aus und rammt ihm das Messer mit voller Wucht in den Kehlkopf. Eine Fontane von schwarz-roten Blut schießt hinaus und nur noch ein Röcheln steigt aus dem Körper. Sekunde um Sekunde erlischt es zur eisigen Stille. „ Mami?“ winselt es. Tobey steigt über den toten Körper seines Vaters und schaut zu seiner zusammengebrochnen Mutter. Sie ist schwach, atmet nur langsam. Keine Kraft, auch nur einen Laut heraus zu bringen. Einzig ihre wunderschönen Augen, die voll von Tränen ihren Sohn erfassen. Mit diesen Augen übermittelt sie ihren Moment der Zufriedenheit und sagt
ihm zugleich: …keine Angst ich bin bei dir…für immer! Dann schließt sich ihr Vorhang des Lebens für immer und zurück bleibt ihr Sohn, der nichts anderes tun kann als die warmen rettenden Hände seiner Mutter zu halten und um sie zu weinen. Es war das erste mal wo er dachte. „Wo wird dieses Leben enden?“
 
Kapitel 3:                                            Sand

 
Wie viele Leben hat eine Katze? Meine Mutter war eine, doch sie hatte nicht mal ein halbes.
Sie war eine gutherzige und liebevolle Frau die ein solches Leben nicht verdient hatte.
Noch heute, nach 15 Jahren denke ich an jenes Bild und weine. Mich quälen die Fragen ob ich ihr hätte helfen können, sie beschützen so, wie sie es bei mir tat. Meine Großeltern meinten es wäre Zeitverschwendung über die Vergangenheit zu grübeln, doch diese ist genauso ein Bestandteil des Lebens wie Gegenwart und Zukunft. Sie bestimmt unseren weiteren Verlauf des Lebens mit. Sie hatte keine Zukunft.
Nach dem dramatischen Tot meiner Eltern entschied das Jugendamt, das es besser wäre, das ich nicht bei irgendwelchen „Fremden“ aufwachse. Doch sie taten das genaue Gegenteil, ich kam zu meinen Großeltern. Ich hatte nicht so viel Kontakt, ehrlich gesagt, eher gar keinen. Wenn sie zu Weihnachten kamen, beschäftigten sie sich mehr mit ihren Sohn als mit ihren „Unfall“ namens Enkel. Sie glauben bis heute ich wäre nicht der leibliche Sohn und so behandeln sie mich noch heute. Entschuldigung, welches vierjährige Kind bekommt schon
zum Geburtstag einen Doktorkoffer mit echten Injektionsnadeln geschenkt?!? Meinen Vater hetzten sie auf, wie er meine Mutter nur heiraten konnte, eine so hässliche penetrante Frau.
Ich wuchs mit einer unter extremen Depressionen leidenden Oma und einem Hitler fanatischen Opa auf der der nichts konnte, außer immer wieder zu sagen: „Früher hätte man dich dafür erschossen!“ Es ging schon am ersten Tag los. Ich vermisste meine Mutter, weinte nachts in mein Kopfkissen und wurde dafür in den Schlaf geprügelt, weil ich angeblich zu laut sein würde. Es gab kein Mitleid keinen Trost noch in irgendeiner Weise Verständnis. Mein Zimmer war mit dem Nötigsten ausgestattet, ein Bett, eine harte Matratze, ein Kleiderschrank alla 1945 und ein Stuhl der Richtung Fenster stand. Meine Spielsachen wurden entsorgt, genauso wie Familienfotos, die mich zu Erinnern gebracht hätten. Ich wurde isoliert, pysich, psychisch. Als ich sieben wurde, bekam ich zur Einschulung keine Schultasche, nein, eine Tragetasche aus dem Lebensmittel Markt um die Ecke. Ich war zum ersten mal jemand, über den man redete, nur nicht ganz so zu meiner Freude. Erst als der Rektor bei meinen Großeltern anrief, bekam ich etwas Anständiges. Es war zwar kein Scout, trotzdem gefiel er mir mal etwas zu haben bei dem ich Aussuchen durfte. Oh ja, sie liebten mich sehr. Arschlöcher. Wenn ich meine Großeltern manchmal so betrachte verstehe ich wie mein Vater so werden konnte. Wie könnte ich auch so endlich Frieden finden. Wenn mein Vater der gefallene Baum wäre, dann sind sie die zappelnden Wurzel die sich aufrichten um ihren Plan fortzuführen. Es heißt ja, das Problem bei den Wurzel packen.

 
Ihr Ende mit dem Tot, ist mein Anfang mit dem Leben.

 
Manchmal stelle ich mir vor, ich gehe nachts in ihr Schlafzimmer und beende es. Nur zwei Hiebe, nur 10 Sekunden, ein kurzes Feuer und dann jahrelanger Frieden. Ich weiß dass es nicht das normale Denken eines Jugendlichen ist, aber dafür hätte es normale Umstände geben müssen. Mittlerweile stehen meine Ohren schon auf Durchzug, wenn ich durch die Wohnungstüre komme, ich sieben Schritte zum Zimmer gehe und mich dann auf meinen Stuhl setzte und nachdenke. Manchmal funktioniert das nicht, dann zoffen  sich die Alten wieder und Opa wird handgreiflich. Ich habe es aufgegeben dazwischen zu gehen, denn am Ende bin ich eh wieder derjenige der alles Schuld ist. Dann verschwinde ich lieber wieder in meine Welt in der es mir besser geht und stelle mir mein Traumleben vor, in dem ich geschätzt, gelobt und akzeptiert werde. Nur da sitzen, den Himmel betrachten und der Fantasie freien Lauf lassen. Oh ja, das sind die schönsten Momente. Mann kann also nicht sagen ich würde die Zeit nicht sinnvoll nutzen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.05.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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