Mario Hedemann

Die Insel der Verlorenen Teil 20

                                     Eine andere Unterkunft?

 

Am nächsten Morgen stand ich zeitig auf und mein erster Gedanke war, dass ich ein anderes Zimmer finden musste. Ich zog mich rasch an, ging ins Bad und machte mich ein wenig frisch.
 Die Hitze war an diesem Morgen schon unerträglich und ich wollte nicht daran denken, wie es wohl erst zum Mittag werden würde.
 Als ich im Bad war, hörte ich unten eine Tür zuschlagen. Es war die Verbindungstür gewesen und lahme Schritte kamen die Treppe hinauf. Schnell ging ich zur Badezimmertür und drehte den Schlüssel der im Schloss steckte herum. Ich verharrte an der Tür und lauschte. In der Zwischenzeit waren die Schritte oben angelangt und bewegten sich offensichtlich in Richtung Knuts Zimmer. Dann wurde eine Tür geöffnet und im nächsten Moment wieder geschlossen. Es konnte nur Knuts Zimmertür gewesen sein, denn meine Tür hatte ich vorsichtshalber abgeschlossen und den Schlüssel mitgenommen. Sollte unten wirklich eine Party stattgefunden haben und ich war nicht eingeladen? Und wenn, dann ist es sehr spät geworden, dass Knut jetzt erst in sein Zimmer kam.
 Als ich mein Akt im Bad erledigt hatte, schloss ich die Tür wieder auf und wagte kaum sie zu öffnen, da ich mit dem Gedanken spielte, es könne Hermann hinter der Tür stehen und mit irgendeiner Waffe auf mich lauern. Dennoch öffnete ich sie ganz vorsichtig.
 Mit ruckartiger Bewegung warf ich einen Blick hinter der Tür, aber da stand niemand. Im gesamten obersten  Flur war niemand außer mir.
 Leise, um jegliches Geräusch zu vermeiden, schlich ich zu meiner Zimmertür, steckte den Schlüssel herein und drehte ihn behutsam um. Das Klicken war nicht zu vermeiden und so öffnete ich schnell meine Tür, schlüpfte ins Zimmer und schloss ebenso schnell die Tür wieder ab.
 Im Zimmer packte ich schon mal meine Sachen zusammen, damit ich nachher abhauen konnte. Das Frühstück wollte ich - auch wenn ich noch so große Angst hatte und das dumme war, ich wusste ja nicht mal wovor, - mitmachen, damit kein Verdacht aufkam, dass ich die letzte Nacht spioniert hätte .
 Als ich nun meine paar Sachen zusammen hatte, schob ich meinen Koffer unter' s Bett und sagte mir immer wieder, „du bist den zweiten Tag hier und denk einfach nur an Loren.
 Komisch, dachte ich. Ich hatte sie während der letzten Nacht völlig vergessen. Noch am ersten Tag war jeder Gedanke bei Loren, aber jetzt?!
 Ich schloss die Tür wieder auf, ging hinaus und schloss die Tür hinter mir wieder ab. Als ich die Treppe hinunter gehen wollte, hörte ich Knut in seinem Zimmer stöhnen. Es hörte sich an, als kämpfe er gegen einen dicken Kopf an und würde sich im Bett herumdrehen und das Kissen auf seinem hämmernden Kopf legen. Dann eilte die Treppe hinunter, um nicht zum Frühstück zu spät zu kommen.
 Dann hatten sie also doch eine Party gefeiert und das bis vorhin. Vielleicht war ich der einzige nachher in der Küche, dachte ich und würde mich allein am Tisch setzen.
 Ich verwarf plötzlich alle anderen Gedanken. Den Gedanken mir ein anderes Zimmer zu suchen, den Gedanken, als würde Hermann mir unheimlich sein.
 Das war jetzt plötzlich alles quatsch. Dorf klatsch, wie man so schön sagt. Hermann war noch ein Junge und was sollte mir ein Junge schon tun? 
Als ich unten vor der Verbindungstür stand, hörte ich schon Mathildas Stimme. Sie stritt wieder mit Hermann.
 „Es ist jedes mal das gleiche mit ihm Mom,“ rief sie verärgert.
 Ich öffnete die Verbindungstür und betrat den Flur.
 „Sei jetzt endlich still Mathilda,“ schimpfte Amalia.
 Als ich in die Küche kam und ein „guten Morgen“ einwarf, sahen mich die drei Familienmitglieder an, als sehen sie mich zum ersten mal. Amalia stand am Herd und erwiderte mein „guten Morgen.“ „Setzen sie sich, dass Rührei ist gleich fertig, falls sie welches wollen. Mein Mann ist gerade wieder weg, aber ich denke, Sie werden sich noch begegnen.“
 „Oh ja, dass wäre sehr nett,“ plapperte ich vorlaut.
 Wenn es eine Party hier gegeben hatte und das, bis vorhin, musste ich sagen, dass Amalia sehr ausgeschlafen aussah. Nun, vielleicht hatte sie die Party schon vorher verlassen. 
„Hallo,“ rief Mathilda mir grinsend zu.
 Hermann sah mich wie immer, finster an, aber ich beschloss, mich davon nicht in die Irre führen zu lassen.
 „Hallo,“ grinste ich Mathilda ebenfalls an und setzte mich.
 Amalia fuhr mit ihrer Arbeit am Herd fort.
 „Haben Sie gut geschlafen?“ fragte Mathilda.
 „Wunderbar habe ich geschlafen,“ erwiderte ich.
 „Ich auch. Wollen Sie wissen was ich geträumt habe?“ fragte mich die kleine.
 „Ja, sehr gerne.“
 Amalia drehte sich vom Herd aus um und kam mit der Bratpfanne in der Hand zu mir und lud mir eine ordentliche Portion Rührei auf den Teller.
 „Damit Sie uns bei Kräften bleiben,“ sagte sie, stellte die Pfanne wieder auf dem Herd und setzte sich mit am Tisch. Ich nahm mir eine Scheibe Brot und bestrich sie mit Butter. Dann belegte ich das Brot mit dem Rührei und fing an zu essen. Scheinbar waren die anderen Familienmitglieder schon fertig mit dem essen, denn alle sahen mir dabei zu und niemand von ihnen aß etwas oder trank einen Schluck Kaffee.
 „Also,“ fuhr Mathilda fort, „ich befand mich mit meinen Eltern in einem alten Haus. Finster war es dort und sehr kalt und im ganzen Haus gab es kein Licht. Mom sagte, dass wir dort wohnen würden. Aber nicht allein, denn im Keller wohnte ein Monster, dass irgendwelche Leute mal dort hinter einer dicken Mauer und einer Eisentür eingesperrt hatten. Nachts hörte ich das Monster immer aus dem Keller winseln und hatte Mitleid mit ihm. Meine Eltern hörten nichts, aber ich beschloss eines Nachts dort hinunter zu gehen und die Tür zu suchen hinter der das Monster eingesperrt war. Vorher war ich noch nie dort im Keller gewesen und meine Eltern auch nicht. Also tastete ich mich langsam vor und als meine Augen sich irgendwann an die Dunkelheit gewöhnt hatten, fand ich nach einiger Zeit des suchen’ s eine große verriegelte Stahltür. Dahinter hörte ich das angebliche Monster wimmern. Ein Schlüssel steckte im Schloss und ein großer Riegel war da vorgeschoben. Ich sprach mit dem Monster und es sagte mir, dass es kein Monster sei und gerne heraus möchte. Es sagte mir, wenn ich es frei lassen würde, würde es mir auch nichts tun. Ich fragt es, wovon es sich denn ernähren würde und es antwortete mir, dass es sich von Ratten und Käfern ernähren würde, die sich da ab und zu mal drin verirren würden. Seine Augen seien schon so an die Dunkelheit gewöhnt, dass es für das Monster kein Problem mehr war, sich in der Dunkelheit zurecht zu finden. Ich öffnete also die Tür und da kam eine magere dürre Gestalt auf mich zu und wissen Sie wer die Gestalt war?“
 Ich schüttelte den Kopf.
 „Es war Hermann,“ lachte sie.
 „Das ist ja eine hübsche Geschichte,“ gab ich zu Wort.
 „Sie bezeichnet mich immer als Monster,“ sagte Hermann und warf Mathilda einen finsteren Blick zu.
 „Jetzt streitet nicht herum,“ meckerte Amalia.
 „Sagen Sie, sehe ich so erschreckend aus?“ fragte Hermann.
 Ich war etwas verwirrt, weil er mich das fragte. Hatte ich doch am Tag zu vor noch Angst vor ihm gehabt. Wie lächerlich.
 „Nein,“ log ich, denn Hermann konnte mir mit seinen Bösartigen Blick wirklich Angst einjagen. „Du siehst nicht erschreckend aus.“
 „Danke Herr...“
 „Hermann, lass das jetzt und geh in deinem Zimmer, wenn du nichts mehr essen willst,“ befahl Amalia.
 Hermann gehorchte und sah mich beim verlassen der Küche wieder finster an, so als ob ich ihn gesagt hatte, er solle in seinem Zimmer gehen. Beinahe hätte ich Amalia gefragt, ob die Kinder hier auf dieser Insel nicht zur Schule gingen, aber ich konnte mich zurückhalten, denn irgendwie und irgendwas mussten die Kinder hier ja lernen. Mathilda stand ebenfalls auf und verließ die Küche.
 „Was haben Sie denn heute vor, wenn ich mal so neugierig fragen darf?“ grinste Amalia.
 „Och, ich weiß es noch nicht. Vielleicht werde ich meinen Roman zu ende lesen und dann mal ein bisschen spazieren gehen.“
 „Sie müssen mir keine Rechenschaft abgeben, ich fragte nur, weil ich wissen wollte, ob Sie heute Nachmittag mit uns ein Stück Kuchen essen wollen?“
 „Bin ich eingeladen?“ fragte ich und lächelte Amalia an.
 „Wenn Sie möchten, dann können Sie gerne zum Kaffee herunter kommen. Mein Mann wird auch da sein.“
 „Ich werde die Einladung dankend annehmen.“

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Mario Hedemann).
Der Beitrag wurde von Mario Hedemann auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.05.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Mario Hedemann als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Dem Leben entgegen von Monika Wilhelm



Zwei sensible Frauen, die sensible Gedichte schreiben. Beide schürfen tief. Da bleibt nichts an der Oberfläche. Beide schöpfen aus ihrem emotionalen Reichtum und ihrem souveränen Umgang mit Sprache. Dabei entfalten sie eine immer wieder überraschende Bandbreite: Manches spiegelt die Ästhetik traditioneller formaler Regeln, manches erscheint fast pointilistisch und lässt viel Raum für die eigenen Gedanken und Empfindungen des Lesers. Ein ausgefeiltes Sonett findet sich neben hingetupften sprachlichen Steinchen, die, wenn sie erst in Bewegung geraten, eine ganze Lawine von Assoziationen und Gefühlen auslösen könenn. Bildschön die Kettengedichte nach japanischem Vorbild! Wer hier zunächst über Begriffe wie Oberstollen und Unterstollen stolpert, der hat anhand dieser feinsinnigen Texte mit einem Mal die Chance, eine Tür zu öffnen und - vielleicht auch mit Hilfe von Google oder Wikipedia - die filigrane Welt der Tankas und Rengas zu entdecken. Dass Stefanie Junker und Monika Wilhelm sich auch in Bildern ausdrücken können, erschließt an vielen Stellen eine zusätzliche Dimension [...]

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Sonstige" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Mario Hedemann

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Die Insel der Verlorenen Teil 18 von Mario Hedemann (Sonstige)
Pilgerweg...letzte Episode von Rüdiger Nazar (Sonstige)
Seidiges Rot von Claudia Jendrillek (Liebesgeschichten)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen