Dietmar Aßmann

Wir Frauen haben kein Verständnis mehr für zu kleine Dinge.

Wir Frauen haben kein Verständnis mehr für zu kleine Dinge.
 
„Merde“ ich fluche lieber französisch, es ist vornehmer. Ich habe mich verschlafen! Der wichtigste Termin der Woche und ich schaffe es nicht mehr pünktlich zu sein. Wieso nur bringe ich mein chaotisches Leben nicht auf die Reihe? Was soll´s, heute ist Sonntag und ich bin mit meinen Freundinnen Susanne, Monika und Petra zum Brunchen verabredet. Heute ist Petra an der Reihe. In ihrer luxuriösen Villa, wo sie immer so schön angeben kann, was sie so alles wieder neu eingerichtet hat.
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In Gedanken ziehe ich an der Decke. Am rechten Bein spüre ich die frische Luft, das vom leicht gekippten Fenster herüber bläst. Draußen stürmt es noch immer, und das schon der dritte Tag. So ein abscheuliches Augustwetter haben wir schon lange nicht mehr gehabt. Wo ist nur der Sommer geblieben? Am liebsten würde ich unter meiner warmen flauschigen Bettdecke noch den ganzen Tag mit Träumereien verbringen.
Ich stehe ja immer auf der rechten Seite vom Bett auf. Dann tippe ich mit dem rechten Fuß dreimal sanft mit den Zehenspitzen auf dem Boden. Das bringt mir Glück. Verschlafen die Augen noch halb verschlossen suche ich mit meinen Zehen die warmen Bärenschlapfen. Ein Geschenk von Susanne. Weil ich doch immer von kalten Füssen jammere.
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Um in die Gänge zu kommen, brauche ich morgens meine Dusche. Zuerst schön warm, einmal kalt, da werde ich wach. Zum Abschluss fünf Minuten das warme Wasser an mir runter rinnen lassen. Einen Kaffee mit zwei Stück Zucker, ansonsten schmeckt er nicht und das Morgenbussi von meinem Katerle „Schnurrli“.
Weil ich heute zu spät dran bin, habe ich das ganze in sieben Minuten über die Bühne gebracht. Der Pfefferminz Kaugummi wird zum Ersatz für das Zähneputzen.
Wir haben gegenseitig abgemacht uns Zuhause kein Make-up aufzulegen. Wir stylen uns gegenseitig mit den jeweiligen Schminkutensilien in dem Haus wo wir gerade Brunchen. Ich habe mich heute für ein einfaches Kostüm in Safrangelb entschieden. Das nur, weil meine Lieblingsschuhe in Safrangelb sind.
Für diese Jahreszeit muss ich schon in warmen Strumpfhosen, einer Regenjacke und mit Regenschirm aus dem Haus gehen. Ab wann werde ich endlich den Mut aufbringen, mein Leben im Süden, am besten auf Mallorca, weiter zu leben!
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Ich mache gerade die Haustüre auf, da kommt mir die betagte Nachbarin Frau Schnisser entgegen. »Schönen guten Morgen, Frau Schnisser« sage ich extra lauter, sodass sie mich auch hören kann. „Guten Morgen, wohnen sie hier?« fragt Frau Schnisser wie immer. »Frau Schnisser ich bin es, ihre Nachbarin die Gabi, die ihnen ab und zu einkaufen geht« sage ich und denke mir, wir werden alle mal alt und vergesslich. Ich helfe ihr noch bis zum Fahrstuhl und drücke schnell den zweiten Stock. Bevor die Fahrstuhltüre schließt rufe ich noch lächelnd »Auf Wiedersehen, Frau Schnisser.«
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Jetzt aber hurtig. Wenigstens habe ich eine gute Ausrede für´s zu spät kommen. Einer älteren Frau helfen, diese Zeit muss man sich nehmen, denke ich noch, als ich die Eingangstüre aufmache.
Meine gelbe Kutsche auf vier Rädern, konnte ich doch letzte Nacht direkt vor unserer Haustüre parken. Leider habe ich so meine Probleme mit dem einparken. Das sieht man wie er, ich nenne ihn liebevoll „Harry“ weil er mich noch nie im Stich gelassen hat, so dasteht. Rundherum verbeult und in einem komischen 70 Grad Winkel zum Gehsteig. Dafür kann ich direkt aus der Parklücke raus fahren, ohne viele hin und her´s.
Ich fahre recht flott durch München. Die Straßen sind fast leer um diese Uhrzeit an einem Sonntag. Die meisten sind noch am Schlafen, oder sitzen beim ausgiebigen Frühstück. Nur Taxis und ein Rettungsauto sind mit höllischer Geschwindigkeit unterwegs. Den Weg zu Petra kenne ich schon auswendig, so viele male bin ich den gefahren. Der Bayern 2 spielt gerade mein absolutes Lieblingslied. Ein alter Song von Doris Day „Che sara“. Ich singe dabei lautstark mit. Schunkle mit dem Oberkörper und mache den Takt mit den Fingern auf dem Lenkrad. Zum guten Glück sieht mich niemand. Ich möchte bei anderen immer als so cool gelten. Wenn die wüssten, dass ich alte Songs liebe!
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Um die letzte Ecke gebraust, das letzte Stoppschild ist heute nicht so wichtig. Polizei am Sonntag-vormittag und bei diesem Wetter, das ich nicht lache. Die sitzen in ihrem warmen Wachzimmer und spielen wahrscheinlich Karten.
Jedes Mal wenn ich die Villa sehe, staune ich welches Glück Petra mit ihrem reichen Mann dem Peter hatte. Ein bisschen neidig bin ich ja schon, wenn ich an meine kleine Zweizimmer Wohnung denke.
Mit einer Bremsspur im schönen und ordentlich hergerichteten Parkplatz mit weißen Steinen, lasse ich es laut dröhnen. Ich glaube sogar es sind Marmorsteine, die da nass glänzen. Meine Freundinnen sollen hören, dass die schnelle Gabi in Anmarsch ist. Petra macht schon die Eingangstüre auf und schaut mich mit einem vorwurfsvollen Blick an. Ich weiß, dass sie es nicht gerne hat, ihre schönen Steine in Unordnung zu bringen. Die kleine Freude brauche ich. Der fleißige Gärtner richtet es eh bis zum Nächstenmal.
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Lachend gehe ich auf Petra zu, mache einen theatralischen Entschuldigungsknicks und wir umarmen uns danach herzlich.
Im Grunde hat Petra die gleich lockere Art. Ich weiß noch gut, was wir alles früher so angestellt haben. Einmal haben wir es übertrieben und mussten eine Nacht im Knast verbringen.
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»Morgen Gabi, wie immer bist du die letzte in unserer Runde« betont Petra mit ärgerlichem gespieltem Ton. »Einen wunderschönen, nasskalten Morgen, meine liebste Petra. Du weißt ich helfe gerne älteren Frauen am Morgen, auch wenn ich schon spät dran bin. Die vergessliche Frau Schnisser ist mir schon über den Weg gelaufen« berichte ich ihr. Das mit dem verschlafen muss sie ja nicht wissen. Denken wird sie es eh schon.
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Im Wohnzimmer erwarten sie uns schon. Mit einem großem Hallo und Küsschen, Küsschen werde ich begrüßt. Als wir alle gemütlich sitzen, die Sektgläser zum Zuprosten hochhalten, sagt Monika: »Nun jetzt, da wir alle versammelt sind, eröffne ich die sonntägliche Lästerrunde.« Wir pflichten ihr bei und trinken erst einmal einen kräftigen Schluck vom prickelnden Sekt, Marke- weiß ich nicht, aber sicher sehr teuer.
Alle schauen mich an. Ich bin die einzige die noch nicht verheiratet ist. Außerdem bin ich schon beruflich viel unterwegs als Trendscout für ein modernes Modelabel. Ich ziere mich noch und lange herzhaft zu den verschiedenen belegten Broten. Bei Petra schmeckst am besten, weil sie es von einem der besten Caterer in der Stadt machen lässt.
Bevor wir über wichtige Dinge wie Männer quatschen ist Smalltalk angesagt. Wie gerne hört man, dass trotz verschlafenem, ungeschminkten Gesicht, mit struppigen Haaren die lieben Freundinnen einem übertriebene Komplimente machen. So geht es über eine Stunde lang. Wir lachen, quatschen durcheinander, essen, trinken Kaffee und haben die zweite Flasche Sekt genossen. Alle sind sehr gut drauf an diesem kalten Sonntag. Petra hat das Haus schön warm eingeheizt. Der Alkohol macht lustig und warm, und als Petra die dritte Flasche Sekt öffnet, schimpfen wir lautstark, wir müssten doch noch fahren und sie wolle uns wohl unter dem Tisch sehen. Insgeheim vertragen wir recht viel. Durch das wir schon einige Jahre jeden Sonntag Brunchen, ausgenommen es kommt was dazwischen, wie die Welt geht unter. Wir spielen die braven Frauen um die dreißig, glücklich verheiratet außer Gabi, und mit uns und der Welt zufrieden. Meistens, aber immer am Sonntag.
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Es hat sich eingebürgert, dass die Männer am Sonntag das jeweilige Haus frühestes um 15 Uhr und keine Minute vorher rein dürfen. Am Anfang gab es Unverständnis, nun jetzt, da sich die Männer auch untereinander verstehen, machen sie sonntags Sport, Sauna und mit zwei weiteren Kollegen spielen sie Poker.
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»Mädels nehmt eure Sektgläser, jetzt kommt der spannende Teil vom Sonntag« sagt Susanne, und schnappt sich ihre Tasche mit den Friseursachen. Sie ist Friseur-meisterin mit einem erfolgreichen Geschäft in der Münchner Innenstadt. Sämtliche Prominenz von Politik bis Schauspiel lassen sich bei ihr verschönern. Als wir uns gegenseitig die Haare gewaschen haben, die Lockenwickler fixiert sind, und die Schminktegels bereit stehen, denke es ist an der Zeit meine letzte Männerbekanntschaft zu erzählen.
»Mittwoch war es« erzähle ich einleitend. Alle horchen auf und schauen mich neugierig an. »Ich war beruflich unterwegs auf der Maria Theresa Straße, und wollte gerade über den Zebrastreifen zum Modehaus einer erfolgreichen Jungdesignerin, als mein Handy klingelt. Als ich die Stimme höre, bleibe ich mitten auf dem Zebrastreifen stehen. Der Mann am anderen Ende von der Leitung hatte soviel Schmalz in seiner Stimme als er sagte: »Hallo mein Schatz, ich wünsche dir einen wunderschönen Morgen.« Ich habe mich sofort verliebt in diese Stimme. Das muss ein Wahnsinnstyp sein, dachte ich. Als der erste Schreck überwunden war, antwortete ich ihm: »Hallo unbekannter Prinz, danke für die netten Grüße!« Da merkte dieser Traumtyp, dass er sich wohl verwählt hat, und haspelte eine Entschuldigung heraus. Das machte ihn für mich noch attraktiver.«
»Dann.« Ich lege geheimnisvoll eine kurze Pause ein. Man sah an Petras, Monikas und Susannes Gesichter an, dass sie solche Geschichten lieben, und von mir fast jede Woche mit einer Neuen verwöhnt werden.
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»Durch lautes Hupen, von mindestens drei Autos, holte mich in die Wirklichkeit zurück« erzähle ich weiter. »Ich stand ja immer noch mitten auf dem Zebrastreifen, die Umgebung um mich hatte ich ganz vergessen. Mein schönstes Lächeln auf den Lippen, die Augen glänzten unter dem Hut hervor, machte ich mein Entschuldigungsknicks zu den Autofahrern. Bei den meisten konnte ich durch diese Geste ihren Ärger beschwichtigen. Nur so eine aufgetakelte, billig wirkende Schicki-Micki-Münchnerin wollte sich überhaupt nicht beruhigen. Sie schrie nichts Gutes über Frauen, und sowieso die Handys sollten alle verboten werden. Als ich auf dem sicheren Gehsteig war, wollte sie mit heulendem Motor wegfahren, und würgte dadurch gerade noch ihre altersschwache Kiste ab. Das bekam ich nur noch am Rande mit, denn für mich war dieser Traumtyp am anderen Handy, der sich verwählt hat, viel wichtiger.«
Ich sagte zu ihm ganz aufgeregt, und das Du war selbstverständlich: »Du bist heute vom Glück geküsst, als du meine Nummer erwischt hast. Wie machen wir jetzt weiter?« Er lachte kräftig und laut, sodass ich das Handy schnell vom Ohr wegnahm. Das Lachen war ansteckend. Ich hatte an diesem Tag sowieso sehr gute Laune und so lachten wir um die Wette. Für mich kam es wie eine Ewigkeit vor, als er mit seiner sonoren weichen Stimme sagte: »Ich heiße Petro, und bei dieser Nummer sollte eigentlich meine Tochter am Handy sein, und mir sagen das alles geklappt hat in der Schule.«
Autsch, ich habe ein langweiliger Ehemann an der Strippe, war mein erster Gedanke. Er konnte mich beruhigen, den in den nächsten zehn Minuten wusste ich, dass seine Tochter Gabriela heißt, er 35 Jahre alt ist und im Autohaus Berger am Stadtrand von München als Autoverkäufer arbeitet.
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»Und.« Ich nehme einen großzügigen Schluck aus meinem Glas, und schaue in die Runde.
»Wie weiter«, ist Monikas neugierige Frage »ist er verheiratet, oder nicht? «
Ich stelle das Glas ab und lehne mich langsam zurück. Bei dieser Bewegung stelle ich fest, dass meine Haare schon längst trocken sind. Sie müssen halt noch warten. Susanne bringt das schon wieder hin.
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»Nein« erwidere ich »seid einem halben Jahr geschieden, freundschaftlich geschieden wie er entschieden betonte. Wir verabredeten uns nachmittags 16Uhr beim Kaffee Schönhuber, das mitten in der Stadt liegt und gut zu erreichen ist. Kann es sein das ich Schmetterlinge im Bauch spüre? Jedenfalls war mein Tag geredet. Beschwingt ging ich danach meinem Job nach.«
»Das musst du uns nicht erzählen, sage lieber wie es weitergeht als ihr euch im Kaffee getroffen habt« fragte Petra energisch?
»Also« führe ich meine Story fort »erkannt habe ich ihn sofort. Ich hätte unser Erkennungszeichen eine gelbe Margarite im Knopfloch nicht gebraucht. Das saß ein totaler Aufschneider, Jeanshose, rotes offenes Hemd, darüber ein dunkles Jackett, Gel im Haar und viel zu viel Schmuck. Mein erster Gedanke war, Oh mein Gott, wie komme ich da schnell wieder raus. Aber zur Begrüßung gab er mir einen Handkuss, rückte als vollendeter Gentlemen mein Stuhl zurecht und sagte mit seiner Wahnsinnsstimme „Gabi, deine Stimme und dein herzliches Lachen hat mir schon so sehr gefallen. Aber wie du ins Lokal hereingeschwebt bist, wurde mir warm und kalt. Was will so eine Traumfrau mit mir anfangen?«
»Ha, ha« lacht Monika laut auf »der greift aber tief in den Schmalztegel rein. Du bist hoffentlich darauf nicht reingefallen?«
»Ihr wisst doch alle, wie empfänglich ich für Komplimente bin« wird ärgerlich von mir erwidert. »Dazu noch diese Stimme! Ich gab ihm insgeheim eine Chance von zwei Stunden. Er überraschte mich sehr. Er war ein fabelhafter und spannender Erzähler, und er hatte viel zu sagen. Die halbe Welt hatte er schon bereist, und richtig wilde Abenteuer durchgemacht. Er zeigte mir ein Tattoo, wo er auf traditionelle Art auf Haiti hat machen lassen. Vier Stunden musste er die Zähne zusammen beißen. Ich muss sagen, das Tattoo hatte mich sehr beeindruckt und es war auch schön gemacht. Was ich ihm nie zugetraut hätte, er war ein guter Zuhörer. Er überraschte mich mehr und mehr. Die Hülle passte überhaupt nicht zu seinem Charakter. Solche Kleinigkeiten kann man ja ändern. Nicht wahr, Mädels?«
***
»Ja« sagt Susanne »wenn man genug Geduld hat, und ein bisschen mit Zuckerbrot und Peitsche hantiert, kann man die Männer, wenn sie auch noch verliebt sind, so leicht um den Finger wickeln.«
Wir lachen alle, denn wir haben uns ja gegenseitig schon viele solche Beispiele erzählt. »Für mich war es diesmal umgekehrt. Ich hatte mich gerade um 17Uhr30 in diesen Traummann Petro verliebt« sage ich leise in die Runde. Ein kurzes Stöhnen und mit dem Kopf schütteln war das Ergebnis meiner Äußerung. Sie hatten ja Recht. Wie viele male kam ich schon zu ihnen verliebt über beide Ohren, schwärmte wie ein Teenager in höchsten Tönen von nur diesem einen, der es nun sein sollte, der mir kleine Bambini macht.
Ich bin nun gut 30 Jahre alt, für eine Frau das beste Alter sagt man. Ich weiß nicht so recht. Alle meine Freundinnen haben ihren perfekten Deckel gefunden. Jede ist wirklich zufrieden mit ihrem Leben und mit ihren Männern.
Monika hat zwei goldige Kinder, die jetzt bei der Oma sein dürfen. Susanne ist verliebt in ihrem Friseurberuf, und hat einen Mann, der nicht mal eifersüchtig auf ihren Erfolg ist. Und Petra ist die geborene Hausfrau geworden. Sie hat viele Hobbys und kümmert sich liebevoll um ihre vielen Tiere.
Mir fehlt einfach noch so ein starkes Gegenstück. Es ist ja nicht so, dass ich keine Gelegenheit hätte. Nur der richtige war noch nicht dabei.
»Liebes« sagt Monika »wir alle würden dir den besten Mann auf der Welt gönnen. So einen gibt es leider nicht. Da musst du aus vielen Brettern, deinen eigenen zimmern.«
Alle nicken bekräftigend. Auch mir ist es klar, ich hatte ja schon genügend enttäuschende Erlebnisse hinter mir.
***
»Nun ja« sage ich »Petro hatte schon was. Er erzählte noch wie schwer es ist, als allein erziehender Vater in Deutschland. In seiner Heimat Kalabrien sei der Familienverbund noch viel stärker. Er sei als Pizzabäcker in den 90iger nach Deutschland gekommen, und hatte schnell seine nun Ex- Ehefrau kennen gelernt. Es war rührend wie er erzählte, dass seine Ex mit einem anderen durchgebrannt ist, und er sich um seine siebenjährige Tochter hat kümmern müssen. Die Zeit verflog wie im Flug. Um 10Uhr abends hatte er mich so weit, obwohl ich überhaupt keine One Night Stand mache, ging ich auf einen Abschlusskaffee mit zu ihm. Seine Tochter sei bei seiner Schwiegermutter heute Abend, aber wenn ich wollte könnten wir am Wochenende zusammen etwas unternehmen. Ich muss sagen Italiener können einfach einen verdammt guten Kaffee machen. Als wir so dasitzen, passiert es. Er küsst mich leicht auf dem Mund, und ich lasse es zu. Es muss wirklich an der Stimmung gelegen haben. Ramazoti trällert aus den Boxen, der gute Kaffee, irgendwie fühlte ich mich in Italien im Urlaub.«
»Und, der gute Petro hat deine Stimmung als vollendeter Gentleman natürlich nicht ausgenutzt« fragt mich Petra kopfschüttelnd. In ihrem ironischen Blick erkannte ich, dass sie ahnte wie es ungefähr ausging.
»Nein« erwidere ich »er war kein Gentleman. Er hatte mit seiner Gefühlsduselei und vor allem seiner Stimme, mich soweit gebracht, dass ich meine Bedenken über Bord warf und wir uns wild küssten. Seine Hand strich fordernd meinem Oberschenkel entlang nach oben. Ein Lied später hatte er mich schon ausgezogen. Nur er hatte noch seine Boxershorts an. Mit meiner linken Hand griff ich in meine Handtasche und holte ein Kondom heraus.«
»Was soll das, Gabi!« fragt mich Monika vorwurfsvoll »Du weißt zur Genüge wie das ausgeht. Du hast es uns so viele male erzählt und schwer bereut. Danach versicherst du uns glaubhaft, so einen Blödsinn nie mehr zu machen.«
***
Ich weiß ja, Monika hat so Recht. Mit den Männern ist es immer dasselbe, wenn sie ihre Beute zu schnell flachlegen können, interessiert sie es danach nicht mehr. Man sollte meinen aus Dummheit wird man klug. Ich dachte mir mit Petro ist es sicher anders. Er hat eine schwere Zeit hinter sich, ist Vater, ist verantwortungsvoll. Einfach, er ist anders als all die anderen Männer.
»Hast du ihm das Kondom rübergezogen, oder hat er selbst gemurkst, der schamhafte mit seinen alten Boxershorts« fragt Susanne belustigt?
Ich überhöre ihre spöttische Frage und setze meine Geschichte fort.
***
»Ich kam gar nicht dazu. Er packte mich, drehte mich um, sodass ich in einer Hundehaltung auf dem Kanapee kniete und schon war er drinnen. Ein paar heftige Stöße und vorbei war es. Das ganze ging so schnell, das ich glatt nicht reagierte. Ich spürte auch nichts richtig. Das weitere verblüffte mich noch mehr. Er sprang auf, hatte seine Boxershorts schon nach oben gezogen und rannte, ich glaube, ins Klo. Beim anziehen meiner Kleider überkam mich die Angst, dass ich schwanger von „Ihm“ werden könnte, oder sogar mit Aids infiziert wurde. Als mir das so richtig bewusst wurde, kam ein höllischer Groll in mir auf. Ich suchte sein Jackett, fand darin seine Brieftasche, nahm mir Geld für einen Aidstest und für meine Rache heraus. Mit einer Schere die ich auf einer Ablage fand, zerschnitt ich ihm sämtliche Kredit und Plastikkarten. Zuletzt musste auch seine Brieftasche daran glauben.
Hinter der Türe hörte ich ihn rufen, ich solle sofort aus seiner Wohnung verschwinden. Seine Stimme war gar nicht mehr erotisch, nur noch bösartig schrill. Als ich gerade seinen Führerschein zerschnippeln wollte, las ich seinen richtigen Namen „Hans-Peter Schurich“ dieser kleine Wicht mit seinem Pimmelchen, das schreit nach Rache, mich so anzulügen. Schnell noch den Namen und die Adresse aufgeschrieben, dass Passfoto vom Führerschein steckte ich ein.«
»Du arme« sagen alle meine Freundinnen wie im Chor.
»Dieser Schweinehund« ruft heftig Monika »aus dem machen wir Kleinholz. Wenn wir mit ihm fertig sind, kriecht er zurück zur Mama nach Italien oder sonst wohin.«
Petra und Susanne nicken resolut.
»Dieser Schurich hat nun eine Lawine losgetreten, da geht er unter«, meint Susanne. Ich kenne sie ja gut von früher und weiß, dass das keine leeren Drohungen sind.
***
»Moment mal« erwidere ich freudig für so viel Unterstützung »ich war gleich am nächsten Morgen bei meiner Frauenärztin, ihr wisst schon, Dr. das geht mich nichts an, wenn ich ihr wieder mal zuviel erzählt habe. Bei dieser Geschichte musste sie lachen und sogleich ärgerte sie sich über solche blöden Männer. Sie fragte mich ob ich Name und Adresse habe, so könnte ich ihn anzeigen. Das sei in ihren Augen doch eine glatte Vergewaltigung. Das andere beruhigte sie mich, wenn es stimmte, dass sein Ding so winzig sei, weil ich ja nichts gespürt habe, könnte ich noch mal Glück haben. Mädels, ich weiß, das mir dieser Winzling nichts anhaben kann. Mit seinem kleinen Ding, hat er sicher noch nicht viele Frauen beglückt. Ich bin auch seine letzte.«
Meine Freundinnen schauen mich groß an, und denken sicher schon an was Schlimmes. Denn sie wissen wie kreativ ich sein kann, wenn es um linke Kerle geht.
»Nein« lache ich »wir Frauen denken doch viel raffinierter, außerdem hätten wir ein Mikroskop gebraucht um was zum Schnippeln zu finden.«
Jede von uns hat wohl dasselbe Bild im inneren Auge vor sich. Wie auf Kommando prusten wir lauthals los. Zum Glück sind die Nachbarhäuser durch einen weitläufigen Park weit entfernt, denn sonst hätten wir doch glatt eine Anzeige wegen Ruhestörung am Hals.
»Ja« als ich zwischendurch mal wieder Luft zum Sprechen bekomme »ich machte ein Geschäft mit ihm, natürlich ohne seinen Namen zu erwähnen.«
Im gleichen Moment stehe ich auf, um aus dem Auto meine Präsentation zu holen. Meinen Freundinnen sieht man die Spannung förmlich an. Nach einer Minute komme ich mit meiner Präsentationsmappe unter dem Arm herein.
***
»Dara« juble ich, und halte ein purpurrotes T-Shirt in den Händen. Ich zeige den Freundinnen die Vorderseite mit der Aufschrift „WIR FRAUEN HABEN KEIN VERSTÄNTNIS MEHR FÜR ZU KLEINE DINGE.“ fett mit weiser Schrift gedruckt. Als ich es umdrehe, sehen sie einen stilisierten Männerkopf. Oben steht „AUSSEN HUI“ und unter dem Kopf „INNEN PFUI.“
»Ich habe mal 100 Stück in fünf verschiedenen Farben machen lassen“ sage ich voller Begeisterung. »Die habe ich noch am Freitag verkauft. Diesen Petro oder wie er richtig heißt, Hans-Peter Schurich, habe ich auch ein schwarzes T-Shirt überbringen lassen. Dabei war auch ein deftiger Brief von meinem Anwalt. Ihr kennt ja von der Birgit ihren Bruder, ein Riegel von einem Mann, und er kann so schön fies dreinschauen! Bei diesem kleinen Gefallen, wie er meint Spaß, war er gleich zu haben. So wie er sagte, habe er diesen Hans-Peter Schurich so richtig klein gemacht. Dazu brauchte er keine Fäuste. In zehn Minuten hatte er die Unterschrift für das Anwaltschreiben, wo er keine Schadenersatzforderung von mir verlangen kann. Denn das mit mir war ein teurer Spaß. Für die paar kurzen Stöße habe ich ihm 650 Euro abgeknöpft. Mit diesem Geld sponserte er die ersten T-Shirts und ein Essen beim Giovanni, unserem Lieblingsitaliener, wo ich euch gerne heute Abend einlade.«
***
Fertig gestylt und rausgeputzt wie vier berühmte Models sitzen wir bei Giovanni. Wir trinken einen sehr guten Chianti, der fabelhaft zu unserer Pasta passt.
»Ein Trinkspruch« ruft mit erhobenem Glas Petra. »Außen hui – innen pfui.« Dabei lachen wir uns gegenseitig an.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.06.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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