Melanie Schäfer

Ein paar Gedanken...


Ich ging aus dem Haus und machte mich auf den Weg zu meinem Auto.
Es war ein merkwürdiger Tag gewesen, die Sonne brannte als sei sie bereit gewesen alles und jeden zu verbrennen, der es wagen würde, sich ihr in den Weg zu stellen.
Ein Griff in meine Hosentasche um meinen Autoschlüssel heraus zu holen, das Metall war warm.
Ich öffnete die Türe und es stach mir eine flirrende Hitze entgegen, wie ich das verabscheute.
Bevor ich mich ins Auto setzte, öffnete ich das Fenster.
Meine Tasche landete schwungvoll auf dem Rücksitz. Ich ließ mich in den Sitz fallen. Irgendwie war ich erschöpft, vielleicht war die Hitze einfach zu viel für mich gewesen.

 
Ich startete den Wagen und schaltete das Radio ein.
Obwohl ich mir vor wenigen Augenblicken noch sicher gewesen war, nach Hause zu fahren wusste ich jetzt nicht mehr, wohin mich meine Fahrt bringen würde.

 
Ein Schweißtropfen suchte sich den Weg von meiner Schläfe zu meinem Kinn, ich spürte wie er langsam weiterkroch, wischte ihn jedoch nicht weg.
Ich stellte das Radio lauter, setzte meine Sonnebrille auf, die jederzeit griffbereit über dem Rückspiegel hing, und fuhr etwas schneller.
Wie blödsinnig eigentlich, ich weiß nicht was die Gründe waren, dies zu tun anstatt einfach diesen Schweißtropfen wegzuwischen – ich hinterfragte es aber auch nicht.

 
Ich fuhr also durch die Stadt, einfach so, ohne zu wissen wohin oder aus welchem Grund.
Meine Hände waren schweißig, das schwarze Leder des Lenkrads war heiß.
Diese Fahrt – sie war irgendwie anders als sonst – ich fuhr einfach, ich dachte nichts, mein Kopf fühlte sich total leer an.
Und trotzdem trug ich ein Gefühl der Schwere und der Traurigkeit in mir – in meinem Herzen, ganz tief.
Ich konnte es mir nicht erklären, vielleicht wollte ich auch nicht weiter drüber nachdenken, die Gründe dafür nicht kennen.
Doch irgendwas war anders gewesen an diesem Tag, was diese Traurigkeit wieder hatte hoch kommen lassen. Irgend ein kleines Detail an diesem Tag, was ich momentan einfach nicht finden konnte.
Im Grunde kannte ich diese Traurigkeit und Schwere, wie ich sie an diesem Abend in mir trug sehr gut, sie war mir bekannt, hatte ich sie doch schon oft genug gespürt. Ich hatte irgendwann aufgegeben, mich dagegen zu wehren, schließlich ließ sie sich nicht einfach wegschubsen wie ein kleines Kind.
Sie war hartnäckig und selbst wenn es einem gelang, sie zu vertreiben für eine Zeit, sie kam wieder und brachte all den Schmerz mit, mit dem sie einen in der Zeit zuvor verschont hatte. Ich weiß nicht, was diese Traurigkeit genau ist, ob man sie als Laune der Natur bezeichnen kann, ob es eine Laune von einem selbst ist oder ob sie einfach ein Phänomen bleiben wird.

 
Klar ist jedenfalls, dass sie einem das Leben um einiges schwerer machen kann.
Bisher – wenn sie mich wieder eingehüllt hat in ihren Mantel aus Schmerz – ich war nicht fähig am Leben teil zu haben. Wirklich klar wurde mir das an einem Abend im Sommer, wie es auch heute einer war – ich lebte in diesen Zeiten einfach in meiner eigenen Realität.
Zwar war ich da, ich war präsent. Aber innerlich war ich ganz weit weg, total abgeschweift und nicht einmal ich selbst wusste, wohin genau.
Es war wie eine Welle, die mich von hinten überrollte und mich einfach mitriss.
Keine Chance, mich an irgendetwas oder irgendjemandem fest zu halten, nur die Chance, das Ertrinken zu verhindern.
Ließ mich die Welle wieder los, spülte sie mich an Land, in das Leben zurück und ich musste jedes Mal viel Kraft aufbringen, um mich wieder aufzurichten und wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren.
Ich hatte diese Kraft jedes Mal aufgebracht, wenn ich auch nicht begreifen konnte, woher ich diese Kraft nahm. Und das, obwohl ich genau wusste, dass die Welle immer wiederkehren würde und mich den ganzen Weg den ich zurück gelegt hatte, zurück reißen würde.
Im Grunde war es ein einziges Spiel und es gab keine wirkliche Chance.
Die einzige Chance, die ich hatte, war auf dem Weg, den ich in dieser Zeit bis die Welle wieder kam, zurücklegen konnte, möglichst viel mitzunehmen um ein Ertrinken in der Welle zu verhindern. Ich hätte jedoch nicht sagen können, was das war, was ich mitnehmen musste, ich musste einfach.

 
Das Leben war mir manchmal ein Rätsel. Irgendwas musste ich doch eindeutig falsch machen oder ging es jedem anderen genauso wie mir?
Irgendwie konnte ich das nicht glauben.

 
Ich fuhr vorbei an Wiesen und Feldern und erinnerte mich an einen Abend vor wenigen Wochen. Es war auch ein sehr warmer Tag gewesen und ich saß seit Stunden vor dem PC, als ich ein erstes Donnern hörte.
Schlagartig ließ ich alles stehen und liegen und machte mich mit meinem Discman auf den Weg nach draußen.
Es war schon dunkel und es fing an zu stürmen und die ersten Tropfen fielen – ich liebte den Regen.
Ich ging schnellen Schrittes auf ein nahe gelegenes Feld. Das Gras wuchs hoch, es reichte mir bis zu den Knien.
Nun stand ich da auf diesem Feld, kniehoch im Gras, mit meinem Discman in der Hand und dem Kopfhörer im Ohr und ließ es einfach auf mich hinabregnen. Es stürmte, donnerte und blitze.
Ich spürte wie mir die Tropfen ins Gesicht rannen, und ich genoss es.

 
Ich ließ mich rein waschen, alles sollte abfallen, all die schlechten Gefühle, alles Traurige und Schwere was ich in mir trug in diesem Moment.
Ich blickte zum Himmel, den Blitzen entgegen und hob die Arme hinauf....wenn mich jetzt jemand holen wolle, egal wer es sein mag, der da oben wohnt, dann solle er es tun. Ich hatte keine Angst, nein, ich fühlte mich wie vor meiner Wiedergeburt, ein wahres Fest wie ich da auf dem Feld stand und jeden einzelnen Tropfen genoss.

 
Ich schreckte auf, mir wurde bewusst, dass ich noch immer in meinem Auto ohne Ziel durch die Stadt fuhr. Das war es auch, was ich meinte -  ich lebte von Zeit zu Zeit in meiner eigenen Realität.
Doch mir kam ein Gedanke -  vielleicht bedeutete die Welle, die mich immer wieder einholte, auch eine Art Schutz für mich – ich zog mich dann in mich zurück und lebte diesen Schmerz. Vielleicht war es nötig, damit ich leben konnte. Ich musste durchaus manchmal meine eigene Realität leben, es war lebensnotwendig für mich.
Ich weiß nicht, warum ich es gerade jetzt erkannte, aber es war so.

 
Aber was diese Welle jedes Mal aufs Neue auslöst, ich weiß es nicht, was war der Grund, dass sie mich immer wieder besuchen kam?!

 
Ich konnte keine Antwort finden, ich bemühte mich nicht und wollte es auch gar nicht. Irgendwann würde ich aufwachen aus irgendeinem Gedanken und mir würde klar sein, was der Grund dafür ist.

 
Manchmal hatte ich Angst, dass ich mich in einem Rückzug so weit von anderen zurück zog, dass ich mich selbst vereinsamen ließ. Ich fühlte mich oft alleine in letzter Zeit und ich konnte nicht wirklich damit umgehen.
Ich weiß nicht genau was ich fühlte in solchen Momenten.
Es war sehr durcheinander alles, aber ich weiß, dass ich auch in diesem Momenten an einen ganz besonderen Menschen dachte, der mir innerlich sehr nahe war und der eine fast unheimliche Sehnsucht in mir ausgelöst hatte, die ich aber nicht wirklich annehmen konnte so wie sie ist.
Ich trug sie einfach in mir, diese Sehnsucht, genau wie diese Traurigkeit, die immer da war.
Dieser Mensch, ich dachte nicht oft bewusst an ihn, vielleicht gerade weil ich diese Sehnsucht nicht unbedingt spüren wollte und doch gelang es mir manchmal nicht, einfach alles weg zu schieben.
Im Grunde lebte das alles in mir, alle Gedanken und alle Gefühle, es war nur eine Frage der Zeit bis sie alle wieder präsent waren, sie gaben sich dann die Klinke in die Hand. Ein seltsamer Vergleich, mein Innenleben gab sich die Klinke meiner Seele in die Hand ?!
Naja, vielleicht sollte ich tatsächlich mal über etwas Urlaub nachdenken.
Doch auch hier würde ich nichts anderes tun, ich würde keine Ruhe bekommen, von seiner Seele mit ihren Gedanken und Gefühlen kann man keinen Urlaub nehmen....

 
Dieser Mensch, diese Frau, sie lebte in mir, auch wenn ich es im Grunde nicht zulassen wollte und auch nicht durfte...Ich kann mich noch gut erinnern an diesen warmen Samstag Abend....sie war mir so nahe gewesen wie ich es nie für möglich gehalten hätte...als sie wegfuhr am nächsten Tag...irgendwas zerbrach in mir...sie hatte etwas in mir ausgelöst und obwohl sie mir innerlich ganz nahe schien...so nahe wie an dem vergangenen Abend konnte sie mir nicht mehr kommen, das war mir im Moment des Abschieds klar....vielleicht war es auch das, was es mir so schwer machte, nicht einfach laut zu schreien als sie in ihr Auto stieg und davon fuhr. Doch ich schwieg.

 
Seltsam, das alles zu schreiben...als würde ich Abschied nehmen von etwas, was nie wirklich passiert ist...Ich selbst würde es gerne verstehen, kann es aber nicht, vielleicht auch weil ich es nicht zulasse....
Es könnte noch mehr in mir auslösen als das, was es ohnehin schon getan hat...und mir das bewusst werden zu lassen würde mich zerbrechen lassen....

 
So nehme ich es einfach an, wie es ist, jetzt im Moment, und lebe mit der Erinnerung...die Bilder dieser Augenblicke drohen zu verschwimmen....doch macht man die wertvollsten Bilder mit seinem Herzen und darin sind die Augenblicke mit dieser Frau bewahrt...Und ob mit einem Lächeln auf den Lippen oder mit sehr viel Schmerz...wenn ich in einer Nacht wie dieser nun zum Fenster hinausschaue , ganz gleich ob aus meinem Auto oder hier von meiner Wohnung, dann weiß ich dass ich sie in meinem Herzen nie verlieren werde, auch wenn ich sie nie wirklich hatte...das verrät mir jeder einzelne Stern da oben.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.06.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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