Norman Boos

Priester der Selene

Nun waren wir soweit gekommen. Bis in die Berge im Osten und weiter mussten wir gehen um den Greifenhorst zu finden, und doch schmerzt mich der Gedanke, dass wir nun alsbald unser Ziel erreichen werden. Als wir uns damals in den Ruinen der alten Kaiserstadt zum ersten Mal getroffen hatten, waren wir uns fremd. Wir alle suchten den „Pfad der Greifen“ und die Karte welche zu ihm führte. Auch wenn ich es war der sie letztendlich fand, war es doch die Magierin Veris welche mich vor der Dunkelheit der Stadt schützte. Als die Untoten sich erhoben hatten, und ich meinen Schild verlor, tauchte sie mich in blendendes Licht welches die Wiedergänger nicht zu betreten wagten. Sie wurde von Blaeric geschützt, einem Waldläufer aus dem nördlichen Tallad der zusammen mit Elais, dem Söldner aus Firnheim, unter den verfluchten Seelen wütete. Sein Bogen traf jene die sich uns entgegenstellten wie ein Blitzschlag der Göttin Selene und mit der Kraft und Routine die sich sein Waffenbruder aus Firnheim angeeignet hatte, überwanden wir manche Schwierigkeit welche selbst eine größere Gruppe von Reisenden mit Sicherheit zum Verhängnis geworden wäre. Ich selbst hatte mit solchen Heldentaten nicht viel im Sinn. Als Novize des Großtempels in der Bucht Seldar oblag es mir nur selten mich mit meinem Standesschild zu wehren. Jedoch konnte ich meine Gefährten durch die Heiligen Lieder immer unterstützen. Den Mut und die Hoffnung welche dieser Gesang unter den Erwählten des Sängers verbreiteten trug vor allem gegen die Untoten einen Teil zu unserem Überleben bei. Auch als wir von Banditen gejagt wurden war mein Gesang reicht hilfreich, wie ich hoffe.

Die letzten Wochen waren eine wahrhaftige Tortour, gewiss. Doch auch wenn jeder Tag neue Gefahren und Leid mit sich gebracht hatten, und wir auf dem Weg ebenfalls noch die gute Mija verloren, welche sich heldenhaft gegen einen tollwütigen Bären verteidigt hatte, konnte ich die Zeit mit diesen rauen Menschen doch sehr genießen. Es war eine herausragende Studie allein schon den Charakter meiner Gefährten zu durchschauen. Mija war gradlinig und aufrichtig. Die Regeln Eres, dem Feuergott welcher die Toten verschlang und großen Kriegern nach ihrem Ableben ein Reich schenkte, waren direkt und schroff und sie lebte verbissen nach dessen Kodex. Mir war es immer noch ein Geheimnis wie man nach solchen verwirrenden Regeln leben konnte. Wenn sie schon lange das Lager abgebrochen hatten stand Mija noch beim Feuer und wartete bis es von alleine verlosch. Es zu löschen wäre für sie eine wahrhaftige Götterlästerung gewesen und sie hatte mir schon einmal damit gedroht mich zu enthaupten, sollte ich es wagen das Feuer zu löschen. Auch war es ihr nicht gestattet etwas zu essen das nicht über dem Feuer zubereitet worden war. Da ist mir der Dienst an meiner Herrin Selene um einiges lieber. Sie hätte mir erlaubt mich vor dem Bären zurückzuziehen um sein und mein eigenes Leben zu schonen, doch Mija hatte nicht einen Moment gezögert. Ihr Sieg kostete sie das Leben, doch war sie selbst mit ihren letzten Worten glücklich damit. Sie sind seltsam, doch aus irgendeinem Grund machen diese widersinnigen Regeln die Diener des Feuers interessant.

Elias hatte sich am besten mit ihr verstanden. Trotz dessen das er aus einer derart Selene-freundlichen Stadt wie Firnheim kam. Womöglich hatte sein Handwerk seine Herkunft schon lange überboten und wenn ich ihn mir so ansehe, wie er auf seinen Zweihänder gestützt nun an der Klippe stehend ins Tal hinunter sieht, denke ich das die Reise allein schon sein Lohn ist. Trotz der steilen Pfade und glitschigen Abhänge, welche sie gestern und heute erklommen hatten, ließ er sich nicht davon abbringen seine Plattenrüstung abzunehmen, geschweige denn diese sperrige Waffe. Selbst Blaeric, der nun neben mir am Feuer sitzt, war dagegen. In den moosgrünen Augen des Waldläufers lag das Geheimnis seiner selbst. Ihn kenne ich nun trotz der langen und beschwerlichen Reise am wenigsten. Das Einzige was er von sich Preis gab, war seine Herkunft, also das Königreich Tallad. Mehr nicht. Mich wundert es nicht, denn zumeist verbergen Menschen, die derart wenig von sich erzählen wie er, ein Geheimnis bei sich welches niemand zu hören bereit ist. Wie Selene uns lehrt zählt das was ein Mensch tut nur gegenüber den Menschen denen er dies tut, doch selbst wenn er – wie ich vermute – einer der gefürchteten Assassinen des Waldkönigreiches war, so ist er nun hier und begleitet uns auf eine heilige Queste. Womöglich sucht er Sühne für etwas, denn die Prophezeiung der Heiligen Ersten meines Tempels versprach denjenigen, die den Greifenhorst fanden und die Klinge des ersten Kaisers zu ihr brachten, große Reichtümer und einen Generalablass. Ich selbst tue es aus der Vernunft heraus. So lange Jahre seit dem Fall des Reiches kämpfen die Brüder gegeneinander und die Aufgabe eines Gelehrten ist es nun einmal für jede Not, welche die Menschen litten, eine Lösung zu finden. So sehe ich es zumindest. Veris scheint dies ebenso zu sehen. Ihre Verschlossenheit hat jedoch nichts mit jener meines geschätzten Gefährten aus den Nordlanden zu tun. Sie selbst ist lebhaft, freundlich und lacht so oft sie einen Grund dazu finden kann. Ein wahrer Schöngeist mit Mut und einem gesunden Selbstwertgefühl. Sobald man sie auf ihre Beweggründe anspricht wechselt sie jedoch das Thema oder wird verschwiegen. Wie lange ich schon versuchte habe die unkeuschen Gedanken an sie zu verdrängen. Doch sie scheint mich gerne zu provozieren. Seit dem ich ihr erklärt habe was es mit meinem Gelübde auf sich hat denke ich versucht sich mich bewusst zu provozieren. Doch mein Glaube und meine Selbstbeherrschung sind unerschütterlich. Zumindest glaube ich es noch. Wenn ich sie betrachte fällt mir auf das sie jünger aussieht als sie wirkt. Ihre alabasterfarbene Haut und das weißblonde, kurzgeschorene Haar – wie es die Magier nun mal trugen – brachte einen zu einer Schätzung von ungefähr zwanzig Sommern. Doch wenn man sieht mit welcher Macht und Selbstkontrolle sie die Wege der Magie meistert, liegt die Erkenntnis nahe das Magier eitler sind als sie scheinen. Veris Eitelkeit stützte sich nicht nur auf ihre Fähigkeiten, nein auch wenn sie sich bescheiden gab tat sie es um ihren Stellenwert unter der Gruppe zu erhöhen. Jedes Wort welches sie spricht hat zumeist einen Sinn der mir erst später bewusst wird. In dieser Hinsicht war mir die schroffe Mija lieber, muss ich gestehen. Aber gerade dieses geheimnisvolle ist schon mehr Zauberei als ich es bereit bin zu ertragen.

„Lasst uns aufbrechen“ meinte Elias mit dem Rücken zu uns gewandt. „Der Tag ist schon fast zu alt um hier die Landschaft zu bewundern“. Wir erhoben uns und sahen noch ein wenig zu wie sich die letzten Flammen unseres notdürftigen Feuers verloschen. In stiller Übereinkunft hatten wir den Ritus der Feueranbeter übernommen, zum Gedenke an Mija. Heute würden wir den Horst finden, es muss einfach dieser Tag sein.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.06.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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