Mario Hedemann

Vorletzter Teil Die Insel der Verlorenen Teil 23

                                             Die Verfolgung

 

 

Ich bin gar nicht erst zum Bootsverleih gekommen, denn irgendwie hatten Sanders einen Verdacht gewittert, dass ich fliehen wollte.
 Als ich von der alten Frau kam und ins Haus der Sanders zurückkam, stand Hermann am Treppenaufgang. Seine Augen funkelten mich geradezu an und schienen mir zu sagen, dass mein letztes Stündlein geschlagen hatte. „Wir haben schon auf Sie gewartet,“ sagte er finster.
 Zum umkehren war es zu spät, denn hinter mir stand Amalia, die mich ebenfalls finster ansah. „Sie haben mit meiner Mutter darüber gesprochen, wie Sie hier wegkommen, aber glauben Sie mir, Sie werden die Insel nicht wieder lebend verlassen.“
 Ich stieß sie zur Seite und rannte aus dem Haus.
 Auf der Straße rempelte ich einige Leute an, die mich verdutzt ansahen. Ich drehte mich um und sah, dass die ganze Familie Sanders hinter mir herlief. Und nicht nur die Sanders, es schien mir so, als ob die ganze Bevölkerung der Insel hinter mir her war. Was sollte ich tun?
 Die Leute die mir entgegen kamen, sahen mir fragend hinter her.
 Bei diesem Wetter so zu rennen, war reiner Selbstmord und ich spürte auch, dass ich das nicht mehr lange durch halten würde.
 In der Ferne sah ich einige Felsen. Vielleicht gab es ja hier eine Möglichkeit sich zu verstecken. Ich lief was das zeug hielt und drehte mich kurz einmal um.
 Hinter mir waren jetzt ungefähr fünfzig Leute hinter her und sie hatten mich bald eingeholt. Immer näher kam ich den Felsen. Hier musste die Insel eine kleine Erhöhung haben. Ich schätzte die Felsen auf ungefähr hundert Meter hoch, zumindest aus dieser Entfernung.
 „Los, lasst ihn nicht entkommen,“ hörte ich jemanden rufen.
 Die mussten mich schon bald eingeholt haben, aber ich wagte mich nicht noch einmal um zu drehen. Mein Herz hämmerte wie verrückt und wenn sich nicht endlich etwas fand, wo ich mich verstecken konnte, dann würde ich einfach hinfallen und mich von der Meute umbringen lassen. Aber so lange meine Beine mich noch trugen, hatte ich nicht vor auf zu geben.
 Der Felsen wurde größer, je näher ich ihn kam und schon bald sah ich die erste Möglichkeit, ihn zu besteigen.
 Ich war schon ziemlich aus der Puste und wenn nicht endlich bald eine Möglichkeit kam mich zu verstecken, dann konnte ich meinem Leben Adios sagen und Loren würde ich nie wieder sehen. Es war schon etwas anstrengend für mich, die Felsen hinauf zu steigen, aber denn noch gelang es mir, vor meinen Verfolgern zu fliehen.
 Als ich ungefähr auf der Hälfte des Felsens war, drehte ich mich um, um zu sehen, wie weit meine Jäger waren.
 Erstaunlicher Weise, wurde der Abstand zwischen ihnen und mir größer.
 Ich kletterte weiter, dachte aber daran, was würde ich tun, wenn ich oben angelangt wäre?
 Die Felsen waren nicht so steil, wie ich erst befürchtet hatte und es war für mich beinahe eine Leichtigkeit an ihnen hoch zu klettern.
 Dann sah ich etwas, in einer kleinen Nische zwischen zwei große Steine. Eine Öffnung. Das musste eine Höhle sein. Wenn ich dort auch in der Falle sitzen würde, aber ich wollte mich da drin verstecken.
 Ich drehte mich um und konnte meine Treiber nicht mehr sehen. Aber hören konnte ich sie.
 Weit konnten sie nicht sein.
 Ich arbeitete mich zu diesem Loch durch und hoffte, dass die anderen es übersehen würden, denn man musste schon genau hinschauen, damit man diese Öffnung sehen konnte.
 Als ich dort angelangt war, stellte ich fest, dass es tatsächlich eine Höhle war.
 Der Eingang war nicht groß und ich musste mich etwas bücken, um hinein zu kommen, aber es ging.
 Die Dunkelheit schlug mir ins Gesicht und meine Augen mussten sich erst einmal daran gewöhnen, bevor ich weiter gehen konnte. Aus der Ferne hörte ich die anderen.
 Ich hatte schon Angst, dass sie die Öffnung  entdecken würden, aber scheinbar hatten sie nichts von ihr gesehen.
 Ich konnte meine Hetzer von hier aus gut sehen. Sie kletterten den Felsen weiter rauf.
 „Der kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben,“ meinte jemand.
 „Keine Panik, bisher haben wir sie noch alle gefunden,“ sagte ein anderer.
 Ich brauchte also gar nicht erst in die Höhle weiter reingehen, denn sie hatten mich tatsächlich nicht gefunden.

 

 

 

Es war schon Abend und die Dunkelheit brach herein, als ich beschlossen hatte, die Höhle wieder zu verlassen. Meine Verfolger hatte ich nicht mehr gesehen und ich ging davon aus, dass sie die Verfolgung aufgegeben hatten.

Mein Atem und mein Herzschlag hatten sich wieder beruhigt. Ich war durchgeschwitzt und der kalte Schweiß klebte an mir.
 Meine Sachen hatte ich noch bei den Sanders und irgendwie musste ich zu ihnen gelangen. Langsam wagte ich mich aus meinem Versteck hinaus und machte mich auf den Weg.
 Zu den Sanders wollte ich erst zurück, wenn es Dunkel geworden war, weil ich dachte, dass dann kein Mensch mehr auf der Straße sein würde.
 So lange dauerte es nicht mehr und den Schlüssel der Haustür von den Sanders hatte ich immer noch in meiner Hosentasche.
 Als die Sonne verschwunden war, machte ich mich auf den Weg. Müdigkeit überfiel mein Körper, aber daran durfte ich nicht denken, wenn ich noch diese Nacht die Insel lebend verlassen wollte. Es war ein weiter Weg zu den Sanders zurück und ich hatte nicht in Erinnerung, dass ich soweit gelaufen bin.
 Es waren ungefähr drei Kilometer, als ich das Dorf wieder erreichte.
 Mir wurde etwas mulmig im Magen und ich hatte Angst, dass ich gesehen werden könnte.
 Die Straßenlaternen brannten und ich versuchte, sie zu meiden, soweit es ging.
 Mein Herz schlug mir bis zum Halse und ich durfte mich nicht auffällig verhalten, wenn mir jemand entgegen kommen würde.
 Das Haus der Sanders spiegelte sich wie eine Dunkle Siloette im Mondlicht. Alles war still im vergleich zu ein paar stunden vorher.
 Klopfenden Herzens ging ich zur Haustür und blieb davor ein paar Sekunden stehen.
 Dann wühlte ich in meiner Hosentasche nach den Schlüssel. Aller Hand Papier war bekam ich in den Fingern, weil ich es mir zur Angewohnheit machte, alles in die Taschen zu stecken. Nach ein bisschen suchen fand ich den Schlüssel und steckte ihn vorsichtig, ohne auch nur das kleinste Geräusch zu machen ins Schlüsselloch.
 Das klacken lies sich nicht vermeiden und ich überlegte, ob ich es wirklich wagen sollte, meine Sachen zu holen? Langsam und mit klopfendem Herzen öffnete ich die Tür. Alles war still und nur der Mond warf etwas Licht ins Dunkle. Die Treppe sah ich als Schatten, aber ich durfte mich auf keinen Fall bemerkbar machen.
 Leise ging ich zur Treppe und stieg die Stufen hinauf. Aber schon nach den ersten drei Stufen hatte ich vergessen, dass die Treppe knarrte.
 Jetzt gab es kein zurück mehr für mich. Ich musste es durch ziehen. Es knarrte ja nicht jede Stufe, sondern nur alle zwei bis drei und so viele Stufen hatte der Aufgang auch nicht.
 Es war immer noch alles still, als ich oben vor meiner Zimmertür stand. Nur das „Tick Tack“ der Wanduhr war zu hören.
 Mein Herz hämmerte wie wild und ich wagte kaum, mein Zimmerschlüssel ins Schloss zu stecken, aus Angst, es könnte die Stille deutlich unterbrechen, aber denn noch tat ich es.
 Es gab ein Geräusch volles klacken als ich den Schlüssel herum drehte.
 Dann hielt ich einen Augenblick inne und horchte, ob sich irgendwo etwas tat, aber nichts.
 Das einzige Geräusch im Hause kam von der Wanduhr. Leise drückte ich die Klinke runter und ging ins Zimmer.
 Licht wollte ich nicht machen, da man mich sonst entdecken könnte und außerdem spendete der Mond genügend Licht. Leise holte ich meinen Koffer aus dem Schrank und legte ihn aufs Bett. Am liebsten hätte ich mich zum Schlafen dort hinein gelegt, aber ich musste sehen, wie ich von dieser Insel kam. Auf keinen Fall durfte ich jetzt schlafen.
 Ich öffnete den Koffer und legte meine Sachen hinein, sofern ich sie im Dunkeln finden konnte. Den Rest musste ich ertasten und das nahm einige Zeit in Anspruch.
 Geräusche durfte ich auf keinen Fall machen. Das würde mich das Leben kosten.
 Als ich der Meinung war, dass ich alles zusammen hatte, verlies ich das Zimmer, lies die Tür offen stehen und betrat die Treppe. Meine Augen hatten sich mittlerweile an das Mondlicht gewöhnt. Da war es wieder, dass unvermeidliche knarren der Stufen.
 Für kurze Zeit hielt ich inne und lauschte in die Dunkelheit. Aber nichts. Alles war still.
 Ich stieg die Treppe weiter und ignorierte das knarrende Geräusch.
 Unten angelangt, hörte ich Stimmen. Eine davon war eindeutig Amalias Stimme. Die anderen kannte ich nicht. Doch, eine hörte ich noch. Sie gehörte Hermann.
 „Mom die ganze Insel ist auf den Beinen um ihn zu finden. Also hör auf dir Vorwürfe zu machen,“ sagte er. „Er wird sterben und uns sein Blut geben.“ Amalias Stimme klang düster.
 Ich setzte mich in Bewegung und verlies das Haus. Um nicht auf mich aufmerksam zu machen, zog ich die Haustür nicht hinter mir zu, sondern lies sie offen. Mein Ziel war der Bootsverleih. Ich wollte sehen, ob ich ungesehen ein Motorboot stehlen konnte.
 Ich blickte zum Laden von Amalias Mutter. Es traf mich wie ein Schlag. Ich traute meinen Augen nicht.
 Dort wo vor wenigen Stunden noch der Laden stand, befand sich eine Wüstenlandschaft.
 Nichts deutete darauf hin, dass hier mal ein großes Gebäude stand.
 Aber um mir darüber jetzt den Kopf zu zerbrechen, war jetzt keine Zeit mehr, denn ich musste mich beeilen.
 Zum Glück war der Bootsverleih nicht weit und ich konnte auch schon bald das Häuschen erkennen, in dem Fahrkarten verkauft wurden. Meine Hoffnung war nur, dass niemand da sein würde, denn das würde alles komplizierter machen.
 Ich fühlte mich matt und erschlagen und mir war eigentlich nach hinlegen und schlafen.
 Als ich an dem Häuschen vorbei kam, sah ich einige Segel und Motorboote am Ufer liegen.
 Mein Glück, dachte ich und lief zu einem der Motorboote. Paddeln auf der Sitzbank des Bootes. Wie für mich gemacht, war mein Gedanke.
 Dann schmiss ich meinen Koffer ins Boot und stieg anschließend selbst hinein. Als nächstes löste ich das Seil von der Verankerung am Steg. 
Die Paddeln nahm ich jeweils eine in die Hand und setzte mich hin. Mit einen der Ruder stieß ich mich mit dem Boot vom Kai und dann trieb es mich auf Dunkle Meer. Ich hatte zwar Angst, aber ich hatte ja den Kompass, den mir die alte Frau gegeben hatte. Ich musste mich nur in die Richtung halten, die sie mir sagte.
 Aber was war, wenn es nun die verkehrte Richtung sein würde?
 Schnick Schnack. Ich musste der Alten vertrauen. Mir blieb einfach keine andere Wahl.
 Ich setzte die Ruder in Bewegung und schon bald wurde die Entfernung zur Insel immer größer. Aus der Ferne konnte ich erkennen, dass Lichter am Bootsverleih waren. Sie hatten also meine Fährte auf genommen. Das war mir nun Egal, solange sie mich nicht mehr verfolgen würden.
 Die Müdigkeit nahm langsam überhand und das Meer war erstaunlich ruhig, denn eigentlich hatte ich gehofft, dass mich das unruhige Meer wach halten würde.
 Immer schläfriger wurde ich und lies die Paddeln bald im Wasser einfach nur gleiten. Nach einiger Zeit war ich eingeschlafen.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.06.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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