"So geht's nicht weiter." sagte Herr Braun.
"Sie haben seit meiner
letzten Inspektion nichts verbessert. Sie ignorieren alle meine Ratschläge.
Dabei habe ich genug Erfahrung, das können Sie mir glauben. Ich weiß, was
die Kundinnen wollen."
Die Frau, die Herr Braun gerade angefaucht
hatte, bewegte sich nicht und hielt den Mund.
"Das hier wünschen die
Kundinnen sich sicher nicht!" sagte Herr Braun.
Er ging zu einem
Regal, auf dem ein paar Damenpullover lagen und strich über das Brett.
Dicker Staub wirbelte im fahlen Licht auf.
"Sie müssen den Putzfrauen
ausrichten, dass die sich mehr Mühe geben sollen. Ich sage so was ungern,
aber wenn sich das hier nicht bessert, fliegt ihr alle raus."
Er
stellte sich der Frau gegenüber, die immer noch bewegungslos blieb und
schwieg.
"Sie sagen nichts, weil Sie wissen, dass ich Recht habe! Mit
der Taktik versuchen Sie es immer wieder! Aber das wird Sie nicht
retten."
Herr Braun ging zu einem Drehständer mit grauen Blusen
und bewegte ihn. Der Abteilungsleiter schaffte es, den Ständer einmal um
seine Achse zu drehen, dann brach der obere Teil des Ständers mitsamt der
Kleider ab und landete auf dem verschmutzten Boden. Mehr Staub wirbelte in
einer Wolke auf.
"Sehen Sie sich das an. Wenn das einer der Kundinnen
passiert. Sollten Sie nicht der Technik Bescheid sagen? Es reicht!"
Er wischte sich den Dreck vom Ärmel und ging zu der Frau zurück. Er
schaute ihr in die Augen. Sie blieb starr und erwiderte Brauns Blick nicht.
Mattes Licht fiel auf ihre bleichen roten Haare.
"Sie tun wie immer so,
als ginge Sie das alles nichts an, nicht wahr?" fragte Herr Braun.
Er lief zur Kasse herüber, nahm einen kleinen Kalender aus Karton, kehrte
zurück und baute sich vor der Frau auf.
"Ich hasse dieses Theater. Ich
hasse Drohungen. Was meinen Sie, wie ich mich dabei fühle?" Er hielt den
Kalender vor ihr Gesicht und tippte auf den September.
"Das ist mein
letztes Ultimatum. Bei meiner nächsten Inspektion will ich kein Staubkorn
mehr finden. Die Putzfrau schmeißen Sie raus, wenn die nicht spurt. Die
Technik hat bis dahin alle Kleiderständer zu reparieren. Die müssen so
stabil sein, dass ich mich da drauf setzten könnte."
Er kam noch näher
an ihr Gesicht heran.
"Wenn Sie sich nicht bemühen, wenn Sie nicht alle
meine Vorschläge hundertfünfzigprozentig befolgen, dann ..."
"Herr
Braun!" wurde er durch einen Mann im Hintergrund unterbrochen.
"War doch klar, dass wir den hier finden. Wie kommt das eigentlich, dass
das Deckenlicht immer noch funktioniert?" fragte ein zweiter Mann.
Sie
bahnten sich einen Weg durch umgestürzte Kleiderständer und verschobene
Regale. Der erste Mann schulterte seine Maschinenpistole und steckte seine
Taschenlampe in den Gürtel.
"Das ist die Damenabteilung, meine
Herren. Die Herrenabteilung ist dort drüben. Wenn Sie bitte dort rüber gehen
wollen?" sagte Herr Braun mit gelernter Freundlichkeit.
"Wenn Sie bitte
mit uns kommen wollen." sagte der andere Mann mit sarkastischem Unterton. Er
hielt seine MP im Anschlag und blickte sich um.
"Wir fühlen uns nicht
besonders wohl hier, in diesem alten Kasten."
"Wissen Sie eigentlich,
dass ich es leid bin, jedes Mal meinen Arsch zu riskieren, um Sie in Ihre
Luxusanstalt zurückzubringen?" fragte der Erste und packte Herrn Braun am
Arm.
"Diese Altstadtruinen sind nämlich ziemlich gefährlich."
"Wart´s ab. Wir holen den bald wieder aus seinem alten Kaufhaus raus."
sagte der Zweite. "Seine Familie kann sich das leisten. Geld müsste man
haben."
Die beiden Angestellten der Nervenheilanstalt nahmen
Herrn Braun in die Mitte, checkten ihre Waffen und beteten für einen
sicheren Weg nach Draußen.
Herr Braun ließ den Kalender fallen. Der
Kalender flog auf den verstaubten Teppich, und etwas von dem Staub landete
auf der Zahl 2021.
"Dann lass uns losgehen!" sagte einer der Männer.
Es war Angst in seiner Stimme zu hören.
Herr Braun warf
einen letzten Blick auf die rothaarige Schaufensterpuppe. Seine Angestellte
wirkte immer noch desinteressiert und würde auch diesmal nicht auf ihn
hören. "Die wird sich warm anziehen müssen, bei meiner nächsten Inspektion."
dachte Herr Braun und führte die beiden Kunden in die Herrenabteilung.
copyright 2002 Daniel Alfred
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.09.2002.
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