- 29.06.2007
- Kategorie "Wie das Leben so spielt" (Kurzgeschichten)
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Robert Fischaleck
Das Versprechen (1)
Im Traum hattest du alles, wovon ich
träumen wollte. Und wenn es einen Glitzerzauberstaub gäbe, der
allem anhaftet, in das ich hineinträumen kann, dann war das schon
einfach unfassbar, wo da überall Zauberstaub zu finden war.
Also war ich verzaubert.
Die Unwissenden und Wichtigtuer nennen diesen
Zustand "verliebt sein".
Das englische "falling in love" ist auch nicht
viel aufschlußreicher.
Denn jedes Staubkorn, das ich sammle führt
mich in eine andere Welt, so das Versprechen des Traums, eigentlich beherbergt
jeder Traum ein Versprechen, aber auch davon erfährt man hierzulande
recht selten so viel, daß man das endlich verstehen könnte.
Aber genau an diesem Punkt, dem Versprechen nämlich,
dort sammelt etwas in mir alles, was es finden kann, um es dann später
bereitzuhalten, das Versprechen einzulösen, das ist die Logik des
Versprechens und alles andere zählt nicht.
Diese Logik kennt meist auch nur zwei Möglichkeiten,
ein Versprechen wird eingehalten oder gebrochen, andere Möglichkeiten
gibt es nicht. Ein gebrochenes Versprechen wird dann auch, ein gebrochenes
Herz genannt, und jetzt endlich kommt etwas ins Spiel, das sich so lange
versteckt hat, das Herz nämlich, das sind quasi die einzigen 5 Minuten,
die es bekommen hat von uns, um auch mal was sagen zu dürfen.
Wie allerdings ein Versprechen eingehalten werden
soll, von dem man nur geträumt hat, das hat auch noch niemand hinreichend
erklärt.
Es heißt nur, manche Träume gehen
in Erfüllung.
Und genau dort sei der Nabel der Welt, alles
was wir hier als Wirklichtkeit zu sehen imstande sind, seien in Erfüllung
gegangene Träume, und wenn ich mich umsehe, hatten da ziemlich viele
Leute ganz fürchterliche Albträume, so wie das hier ausschaut.
An diesem Punkt scheiden sich auch die Geister
ein wenig, denn Träume kann man bekanntlich nicht definieren, und
so kann es vorkommen, daß ein herrlicher Traum Wirklichkeit wird
und eh man sich versieht, ist die Erfüllung zu etwas geworden, das
man nur noch als Albtraum empfindet. Wie das geht, ist wieder eine ganz
eigene Geschichte.
Vernunftbegabte Menschen haben dann auch vorgeschlagen,
sich mit anderen Dingen zu beschäftigen, der Wirklichkeit zum Beispiel
und mal will es einleuchten und ein andermal scheint das ein wenig zwiespältig,
weil man spürt, da fehlt doch noch was.
Wir informieren uns also.
Und es ist so leicht zusagen, was ist das nur
für eine seltsame Zeit.
Im Fernsehen laufen Nachrichten aus aller Welt,
sie wollen die Augen nicht zu machen, sagen sie.
Und sie zeigen uns die Bilder vom Unwetter, von
der Dürre, vom Waldbrand, von überschwemmung und vom Krieg.
Und damit nicht genug, es gab noch eine Verfehlung
dort, einen tödlichen Irrtum hier und noch fatales Mißgeschick
mit tödlichen Folgen gar nicht weit von hier.
Und dann gibt es einen Kommentar mit fein säuberlich
zusammengetragenen Gedanken zu einem dieser Themen, und dann das Wetter,
und danach einen Spot mit der Ansage, dieses Wetter wurde ihnen präsentiert
von...
Natürlich nicht dieses Wetter, und auch
dieser Tag nicht, aber man hat so ein bißchen den Eindruck, als könnte
auch das dranstehen und wäre nicht mal gelogen.
Manchmal sogar noch ein zweiter Spot mit den
erschreckend schnell gelesenen Schlußsätzen, zu Risiken und
Nebenwirkungen fragen sie bitte ihren Arzt oder Apotheker, und man möchte
am liebsten sofort wissen, was das heißen soll, also überhaupt,
und danach beginnt die Unterhaltung.
In dieser Unterhaltung stellt dann einer zum
Beispiel aus Liebeskummer eine ganze Gemeinde auf den Kopf, oder ein anderer
raubt eine Bank aus und es klappt nicht ganz und es gibt Tote, oder wieder
andere retten ein ganzes Land vor den Folgen eines fatalen Irrtums und
wieder andere machen sich über die Fernsehgewohnheiten ihrer Mitmenschen
lustig, und das vor laufender Kamera.
Man bekommt so ein bißchen das Gefühl
, man sieht nicht recht und das kann doch gar nicht sein und schaltet einen
Kanal weiter und es wird einem erzählt wie dieses spezielle Schuhschrankdesinfektionsspray
nun schon die dritte Generation Gartenschuhe glücklich macht und den
Rest der Familie gleich mit.
Und bei dem Wort Generation, wird eine vage Erinnerung
in einem wachgerufen, es gab eine Zeit, in der dieses Wort noch eine Bedeutung
hatte.
Und man holt den Schuhkarton mit den Fotos raus,
ob davon überhaupt noch was zusehen ist. Und es ist schlimmer als
man es erwartet hat, denn solchen Leuten würde man heutzutage, nicht
mal sein kaputtes Radio schenken. Und wenn all dies dann so viel mehr gewesen
sein soll, dann ist es eine verklärte Erinnerung, aber wie war es
eigentlich wirklich.
Und genau genommen, weiß man es gar nicht
mehr, denn dieses Rad hat sich weitergedreht, und während der Liter
Super heut fast schon so viel kostet, wie damals eine Fahrstunde für
den Führerschein und der Führerschein so viel, wie damals ein
Auto, und dieses damals jetzt auch nichts mehr bewegen kann, bekommt alles
eine wieder ganz neue Bedeutung, während man einfach darüber
nachdenkt. Und schon fällt einem ein, wie sich auf einem Konzert die
sogenannten angesagten Leute dermaßen total daneben mit triefendem
Zynismus und unsäglicher Arroganz über ein Spießertum äußerten,
und wieder fällt einem ein Werbespot ein, der dies auf einen damals
undenkbaren Punkt bringt.
Und alles wird noch ein wenig vager und undurchsichtiger
und der letzte Rest Erinnerung an eine für möglich und wichtig
gehaltene Freiheit, bröselt und zerfällt unter diesen Wogen der
Veränderung, als wäre die Freiheit eine Sandburg, an der wir
alle damals mitgebaut hätten und das ewige Gesetz der Gezeiten war
auch dort mit am Strand, und wachte jeden unserer Schritte, jeden Ansatz,
jedes Hoffen und Bangen, und schrieb es ins Buch.
Das wird eine merkwürdige Geschichte, flüstert
der Strand uns zu.
Und wir horchen kurz auf, während wir denselben
in unsere Lieblingsform festklopfen, in die mit den feinen Mustern, bei
der man so verdammt aufpassen muß, daß man sie in einem Guß
aus der Form herausbekommt, und wir hören dieses seltsame Klopfgeräusch,
irgendwie verwoben mit dem Rauschen des Meeres, aber es ist unser eigenes
unstetes Gebastel am Lauf der Welt, und mit sandigen Fingern graben wir
immer weiter nach den Spuren unserer Vorfahren und anderen die hier gelebt
haben müssen, ob sie ...und diese Frage wird dann nie gestellt, denn
es ist nicht ganz klar, was das eigentlich für ein Beweis sein soll,
der für die Zivilisation und Kultur auf diesem Planeten, denn wenn
man sich vorstellt, es kämen welche an den Strand in ein paar tausend
Jahren, und würden all die billigen Elektrogeräteteile finden,
die sich in einem Haushalt ansammeln, was würden sie wohl denken,
beim Anblick eines halbverrosteten Föns und einer Elektrozahnbürste.
Vielleicht kann man das Firmenemblem erkennen, und wird denken, das sei
ein Familienwappen. Und Haufenweise verrostete Fernseher und Bildschirme,
in jedem Haushalt mehrere davon, und man wird es für ein Kommunikationsmedium
halten und nicht ahnen, daß diese Dinge die Kommunikation so ins
Wanken brachten.
Und man wird nach Hinweisen ihrer Funktion suchen,
99 Programmplätze, einzeln speicher- und aufruf-bar, es müssen
Großfamilien über weite Entfernung rege miteinander verbunden
gewesen sein, und kein Mensch wird die einsamen Menschlein ahnen, die jeden
Tag in dieser Bilderflut um ein bißchen Ablenkung ringen.
Irgendjemand wird dann herausfinden, daß
sie über Sendestationen ein speziell gestaltetes Programm empfingen,
und man wird mutmaßen, was für sorgfältig ausgewählte
Unterhaltung doch in jedes Heim drang.
Zum Glück wird ihnen niemand erzählen,
was dort tatsächlich tagtäglich über den Bildschirm flimmerte.
Und wir sehen die Reste der verfallenen Sandburgen
bereits vergangener Generationen und denken ähnliches, anders kann
ich mir das alles gar nicht erklären, denn ein so glorreiches Menschsein,
wie all die unzähligen Vergangenheiten überall beherbergt haben
sollen, davon wäre doch etwas mehr übriggeblieben, als das was
wir jetzt sehen.
Man kann sie aber jetzt nicht mehr fragen, denn
sie sind alle tot.
Das letzte Mal als der Tod in meinem Umfeld jemand
mitnahm, wohin auch immer, war eine sehr eigene Erfahrung für mich,
ich saß nachts vor einem ganz merkwürdigem Film, in dem es um
Ahnungen und besondere Wahrnehmung in einem Krimi ging, und die Stimmung
war so seltsam, daß ich ganz angekratzt an viele Sachen gleichzeitig
dachte, und am nächsten Morgen klingelte das Telefon, und ich wußte
sofort, es ist wirklich was passiert.
Es war meine Mutter, die mir heulend erzählte,
meine Oma sei letzte Nacht gestorben.
In mir sagte es, ich habs doch gewußt,
und meine Mutter fragte ich nur, wann? Es war natürlich genau zu dieser
Zeit gewesen.
Ich weiß immer noch nicht genug über
das Leben und unsere Reise hindurch, um irgendetwas Vernünftiges zu
meinem Schicksal sagen zu können,
Ist schon merkwürdig, da beschäftigt
und interessiert man sich so viele Jahre mit so viel Intelligenz, mit so
vielen Ideen, mit soviel Enthusiasmus, für die wirklich wichtigen
Dinge im Leben, und dann passiert das, worum es die ganze Zeit ging, wir
sind sterblich, das ist alles vergänglich, und man steht ein bißchen
da wie ein dummer Junge, der gerade mal das ABC gelernt hat.
Falls dies der Fall ist, wäre die einzig
intelligente Konsequenz daraus eigentlich, daß man sich um Sachen
kümmern muß, die man glaubte schon verstanden zu haben.
Ich habe weder die Stärke noch die tiefen
Wurzeln all die Stürme ungeknickt zu überstehen, es gibt aber
Gärtner hier, die dann wissen, was zu tun ist.
Und ich war schon oft in diesem Leben zu tiefst
dankbar mit welch einfachen Mitteln diese empfindliche Pflanze Hoffnung
alles was passiert heil überstehen konnte.
Diese Bühne des Lebens und diese Menschen,
die so tragende Rollen übernommen haben, wir wissen nie, wie das Stück
ausgeht.
Also meiner Beobachtung nach.
Und manchmal kommt ganz am Ende des Stücks
eine Pointe, also da hätte man nie im Leben dran gedacht, und man
steht da wie festgewurzelt, frozen in the thin ice of the play, und es
ist sehr dünnes Eis, aber trotzdem begreift man nicht, was da eigentlich
die ganze Zeit durchschimmert, man sieht nur Silhouetten und Farbtupfer
von etwas ganz Einzigartigem, und jahrzehntelang hat es einen inspiriert,
man wußte die ganze Zeit, es ist einzigartig, Life, everyones own
stage, aber man hielt es für Bretter und simples Bauwerk, aber es
ist eigentlich der Stoff, aus dem die Träume sind, Life, breathing.
clouds, seasons, storms, a day, a lifetime, a
dancing ballerina, und es ist unser Können und Verstehen, die den
Tanz ausmachen, aber ohne diese Bretter, ohne diese Bühne ist dort
nichts, und es gibt zwei Sorten von Tänzern hier, die Einen tanzen
nach den Bauten, je nach Szenenkulisse, die anderen tanzen nach dem, was
in ihnen schlummert, und jeder weiß eigentlich, daß jedes Stück
diese Elemente, tragische und komische und spannende, also das ganze Ballett
der Gefühle, keiner ist wirklich darauf gefasst, haben wird.
Und das eigentliche Kunststück, also die
Pirouette in der passenden, vorbereiteten Stelle der Symphonie, den Anlauf,
den man nehmen muß, die Balance, in die man finden, in der man ruhen
muß, um sie so hinzubekommen, wie das Stück es eigentlich verlangt,
wie es alle ( vor allen einen selbst ) begeistert, daß dies möglich
ist, den Schwung, den man braucht, um dies hinzubekommen, und so viele
verlieren sich in der kritischen Betrachtung der Fehler, aber den Schwung
üben, das kommt aus dem Inneren, der Wunsch, es zu schaffen, hat nie
klein beigegeben.