Eleonore Görges

Kann so eine Liebe enden?

Da stand sie nun, am ganzen Leibe zitternd, durchdrungen von einem Verdacht, der, wie aus heiterem Himmel, urplötzlich ihren Körper verschlang.
 
Ganz zufällig fand sie eine 3 Monate alte Rechnung, ausgestellt auf ihren Mann, für ein sehr teures Handy, welches weder sie, noch ihr Mann besaß.
Sofort dachte sie daran, dass dieses Handy einer anderen Frau geschenkt wurde. Wieso kam ihr so schnell dieser Gedanke?
Sollte ihre Liebe betrogen worden sein?
 
Fast in der gleichen Minute fiel ihr ein, dass er in letzter Zeit mehr unterwegs war als sonst, dass er später nach Hause kam als üblich und dass er, sehr oft, wenn sie das Zimmer betrat, seine PC-Tastatur bediente, um die Internetverbindung zu wechseln. All diese Gedanken gingen ihr in Bruchteilen von Sekunden durch den Kopf, so als hätten sie schon lange darauf gewartet, entdeckt zu werden, an das Tageslicht gebracht zu werden.
 
Wegen dem PC hatte sie ihn vor Wochen sogar schon arglos angesprochen, ihn gefragt, wieso er so oft die Internetseiten wechseln würde, wenn sie in den Raum kam. Ganz schnell und leicht konnte er ihr eine Erklärung geben, sie war ja auch damals nicht wirklich wichtig. Eigentlich dachte sie,  dass er sich nur ab und zu  irgendwelche Erotikseiten anschaut, warum auch nicht? Er hätte aber doch deswegen keine Scheu haben müssen, das hatte sie etwas verwundert, dann war die Angelegenheit aber auch schon wieder vergessen.
 
Nun aber bekam das alles ganz plötzlich einen anderen Hintergrund und sie war sich mit einem Schlage fast sicher, dass ihr Mann eine Geliebte hat, dass er sie betrügt.
 
Ihr wurde abwechselnd heiß und kalt, die Nerven ließen es nicht zu, eine Tasse Kaffee ruhig zu halten, sie wollte sich aber gerade an diesem Kaffee festhalten, sie brauchte etwas, woran sie sich festhalten konnte.
Auf einmal kam sie sich total alleine und verlassen vor, wie konnte das sein? Gerade war doch die Welt noch vollkommen in Ordnung, nichts trübte ihr gemeinsames Glück.
Hatte sie etwas übersehen, hatte sie ihrem Mann nicht mehr genug Beachtung geschenkt, hatte sie Signale nicht wahrgenommen, die er ihr sendete?
 
Nun fror sie so stark, dass sie sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte, denn alles an ihrem Körper war außer Kontrolle geraten.
Der Kopf arbeitete wie verrückt, wie nur konnte sie mehr erfahren? Sie musste sofort Gewissheit haben, denn sie ist kein Mensch, der etwas auf die lange Bank schieben kann, der stundenlang überlegt, sie ist ein Mensch der Tat – und sie musste umgehend etwas tun.
 
Da fiel ihr der PC ein, an dem er ja täglich Stunden verbringt. Da muss etwas zu finden sein, dachte sie sich und schaltete mit zitternden Fingern seinen Computer ein.
Da sie sich auch einigermaßen gut damit auskennt, wusste sie auch gleich, wo sie suchen konnte – und siehe da, im Handumdrehen fanden sich Beweise einer neuen Liebe.
Schriftliche Beweise, Liebespost an eine Andere.
 
Wie weh ihr das tat wird nur derjenige nachvollziehen können, der ähnliches erfahren hat.
 
Jeder einzelne Buchstabe, den sie las, stach verdammt tief in ihr Herz, bohrte wahnsinnig tiefe Wunden, schmerzte unendlich. Wie in Trance las sie diese Post, die nicht für sie bestimmt war. Wunderschöne Worte standen da, die doch eigentlich nur ihr hätten gelten dürfen, nur sie hatte das Recht, diese schönen Worte von ihm zu bekommen.
 
Träumte sie?
 
Nein, es war Realität, eine sehr schmerzhafte Realität, die sie in diesem Moment noch gar nicht ganz begriff. Sie fühlte nur einen wahnsinnigen Schmerz, der den ganzen Körper erfüllte, der ihr fast die Sinne nahm, der sie zu einem zitternden Etwas machte.
 
Jetzt hielt sie die Beweise in der Hand – ihr Mann hatte eine andere Frau in sein Herz gelassen, nahm diese Frau schon ganz ihren Platz ein?
 
In ihrem Kopf drehte sich alles, tausend Gedanken schossen hin und her, kreuz und quer, sie lief in der Wohnung auf und ab, hilflos, unfähig sich zu konzentrieren, Wut und Zorn, Liebe und Hilflosigkeit, Angst, sehr große Angst  – und endlich liefen die Tränen.
 
So ganz langsam, Schritt für Schritt, wurde ihr ihre Situation bewusst.
 
Ihre Liebe wurde verraten, ihr Vertrauen missbraucht - er, den sie so sehr liebte, er hatte sie hintergangen. Täglich sagte er ihr doch, dass er sie liebe, dass er sie brauche – sie fühlte sich doch immer noch im siebten Himmel mit ihm.
All das war gelogen, sollte auf einen Schlag vorbei sein? Viele Jahre gemeinsamen Lebens, gemeinsamer Liebe von heute auf morgen unauslöschlich verloren ?  So viele frohe und glückliche Stunden vorbei, für immer?
Sie konnte es nicht begreifen, aber da war dieser unsagbare Schmerz in ihrem Herzen, der alles zerstörte und sie binnen Minuten zu einem Wrack machte.
 
Sie hatte eindeutige Beweise in der Hand, also musste es wahr sein, sie konnte sich nicht täuschen, obwohl sie versuchte, alles als ein Missverständnis abzutun – es war wahr, er gehörte ihr nicht mehr!
 
Zorn und Wut ließen sie zum Telefonhörer greifen und seine Handynummer wählen, er meldete sich auch sofort, anscheinend freudig; er konnte ja auch nicht wissen, dass sie wusste, er konnte nicht wissen, warum sie anrief.
Am Telefon noch schlug sie ihm die Worte um den Kopf, dass er sofort nach Hause kommen solle, es gäbe dringendes zu bereden. Er legte einfach auf, wohlwissend, was jetzt auf ihn zukommen würde.
 
Er kam und kam nicht, die Sekunden vergingen wie Stunden, die Minuten wie Tage und die Stunden wir Jahre, sie hielt es fast nicht mehr aus. Sie schlug mit ihrem Kopf gegen die Wand, weil sie nicht glauben konnte, was aber doch die Wahrheit war. All diese vielen tausend glücklichen Stunden, vorbei?
 
Jetzt musste sie mit jemandem reden, sonst würde sie platzen, denn noch immer lief sie in der Wohnung auf und ab, kreuz und quer, unfähig einen wirklich klaren Gedanken zu fassen.
Ihre Freundin wohnt ganz in der Nähe, ein Anruf und sie war da – sie wollte nicht glauben, was ihr da erzählt wurde, es war doch nicht möglich, nicht bei diesem Mann!
 
Das Reden mit ihrer Freundin half ihr über die Zeit, bis ihr Mann endlich nach Hause kam.
Ihr Kopf war heiß und rot, dann wieder kalt und blass, das Zittern hatte sich auch noch nicht gelegt. So empfing sie ihn, mit hochrotem, oder auch blassem Kopf,  mit einem unkontrollierten Körper, der zuckte, wann er wollte, ganz tief in ihr die Hoffnung, dass er nun alles mit ein paar Worten bereinigen konnte und ihre Welt wieder in Ordnung wäre.
 
Die Freundin verabschiedete sich sofort und sie kam dann auch umgehend zur Sache, da sie nicht mehr an sich halten konnte.
Sie hat ihren Mann mit den Beweisen konfrontiert – und er sagte relativ schnell „ja, da gibt es eine andere Frau“.
Jetzt war nichts mehr, wie es war, die allerletzte, wenn auch winzige Hoffnung, war dahin – alles zerbrach vor ihren Augen in Millionen kleiner Fetzen, ihr ganzes Leben mit ihm, welches viele Jahre ein sehr glückliches Leben war – und ein Ende war für sie nie in Sicht gewesen.
Nun war es da, das Ende, mit einem vernichtenden Schlag in Herz, Seele und ihren gesamten Körper, alles war auf einmal ohne Sinn.
 
Er teilte ihr noch mit, dass er mit der Neuen ein gemeinsames Leben beginnen möchte, dass es ihm leid täte, dass er sie ihm Grunde doch immer noch lieb habe – und bla,bla,bla……… sie hörte nichts mehr, verstand nichts mehr, alles drehte sich nur noch um sie.
Irgend wann fragte sie ihn, ob es noch Sinn hätte weiter zu reden, ob es noch eine kleine Hoffnung gäbe – er verneinte.
Der Boden schien unter ihren Füssen weg zu brechen, sie verlor jeglichen Halt, denn noch immer war da diese winzig kleine Hoffnung…………aber eben nur Hoffnung!
 
Da sie ein Mensch schnellen Entschlusses ist, sagte sie ihm, dass er dann sofort gehen solle, dass er sofort bei der neuen Liebe einziehen könne – irgendwo war da doch auch noch ein wenig Stolz, selbst in diesem zerstörerischen Moment. Betteln um Liebe wollte sie nicht, das, so schien ihr, hatte sie nicht nötig.
 
Da es nun endgültig war, es auch nichts mehr zu retten gab, wie er selbst sagte, wollte sie zu ihrer Freundin gehen, um etwas reden zu können, um ihr Herz etwas zu erleichtern, denn alleine konnte sie das nicht bewältigen, es war einfach zu umfassend, zu weltverändernd für sie.
 
Nach ungefähr 2 Std. verließ sie ihre Freundin wieder, um nach Hause zu gehen, evtl. doch noch mal mit ihm zu reden, denn auch die Freundin meinte, das könne es doch nicht gewesen sein, diese Liebe kann doch nicht von einer Minute auf die andere vorbei und vergessen sein.
 
Schon als sie um die Ecke kam, sah sie, dass sein Auto nicht mehr da war und mit zittrigen Fingern öffnete sie die Haustüre – rief nach ihm, aber er war nicht mehr da.
Sie ging in sein Arbeitszimmer und musste feststellen, dass er seinen PC auch gleich mitgenommen hatte – da war ihr dann klar, dass es endgültig war.
 
Es blieb ihr nur noch, sich mit allem abzufinden. Sie musste ihre Liebe kappen, einfach so – von einer Minute auf die andere die Liebe abstellen, die ihr Leben bestimmte, die ihr alles bedeutete, die ihr alles gab, für die sie alles gab.
Sie musste lernen, ohne all diese Wärme zu leben, die eine Liebe ausmacht, ohne diese Sicherheit, die Halt gibt – sie musste lernen, an all der Liebe nicht zu ersticken, die man in sich trägt und so gerne verschenkt.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.07.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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