Sarolta Németh

Das fliegende Haus brennt am Horizont

Vor langer Zeit, da gab es mal ein kleines Haus im Niemandsland. Es wurde von keiner Person gebaut, es stand einfach nur seit Jahrhunderten da, wie ein unschuldiges Kind. Nichts und niemand hat je in ihm gewohnt, als hätte es ihn gar nicht gegeben. Eines Tages fühlte sich das Haus so alleine und gelangweilt, dass er sich Flügeln machte, um von diesem Ort weit weit weg zu fliegen. Er dachte, er könnte glücklich werden, wenn er in die Nähe von anderen Häusern kommt, also flog er zur nächst gelegenem kleinen Dorf. Die anderen Häuser schauten ihn komisch an, fingen an zu lachen, bis schließlich einer von ihnen mit fieser Stimme anfing zu reden: „Das meinst du doch nicht ernst? Du kannst hier nicht bleiben! Du bist zu alt und zerbrechlich, du passt einfach nicht ins perfekte Bild unseres hübschen, kleinen Dorfes.“ Traurig und gebrochen flog das Häuschen wieder fort. Trotz der Enttäuschung gab er die Hoffnung nicht auf und schon hatte er auch eine Idee: „Wie wär’s mit einer großen Stadt? Da gibt es auch alte Häuser.“ Er nahm all seine Energie zusammen und erreichte schließlich eine richtige Großstadt, wo Millionen von Menschen lebten. Vollkommen erschöpft landete er in einer Gegend, die sehr Angst einflößend und hässlich war, aber ihn kümmerte all das überhaupt nicht. Die anderen Häuser waren alle alt und heruntergekommen, genau so, wie er. Sie waren sehr nett zu ihm und haben ihn warmherzig empfangen. Es dauerte nicht lange, bis eine Familie ihn fand und ein neues zu Hause aus ihm geworden ist. Das kleine Haus liebte seine Rolle, er war endlich nutzvoll, er wurde geliebt und die Langeweile war auch schnell vorbei. Die Eltern begannen das Haus ein wenig zu renovieren, nur das aller nötigste, was dringend gemacht werden musste - die kaputten Dachziegel und Fenster zu wechseln, die fehlenden Teile des Fußbodens zu ersetzen, das wacklige Gelände zu stabilisieren und ein bisschen zu dekorieren. Die Kinder tobten überall herum, sie fanden es toll, endlich ein eigenes zu Hause zu haben, wo sie spielen konnten. Es störte sie nicht, dass das Haus sehr klein war und auch nicht, dass der Boden unter ihren Füßen bei jeder Bewegung quietschte. Das kleine Haus war überglücklich, nichts hätte für ihn besser laufen können, bis plötzlich ein dunkler Wagen vor ihm anhielt, und Menschen ohne Gesichter angefangen haben zu schießen, und schossen, und schossen Minuten lang, dann verschwanden sie, so schnell, wie sie gekommen sind. Alles war still, das Hämmern hat aufgehört, die Toberei ebenfalls, die Familienmitglieder rührten sich nicht mehr. Das Haus war voller Löcher, seine Wände bluteten und er fing an zu weinen. Seine Tränen waren wie riesige, schwere Regentropfen. Seine Schmerzen interessierten ihn nicht, nur das er innerhalb weniger Minuten alles verloren hat, was er sich sein ganzes Leben lang gewünscht hat und das einzige, was er jemals gehabt hat: die Familie, die in ihm gelebt hat. Die Trauer machte ihn wütend! Er flog zum Himmel, schwor sich nie wieder auf die Erde zurückzukehren und fing an zu brennen. Die Leute schauten hoch und fingen an zu schreien: „Seht doch! Das fliegende Haus brennt am Horizont!“ Alle standen regungslos da, und staunten. Eines Tages wird das fliegende Haus zu Boden fallen und seine Magie geht verloren.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.07.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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