Juergen Bambach

Der Techniker

Als er in ihr Büro trat, war Sie ihm sofort unsympathisch. Da saß sie auf ihrem Bürostuhl, zwar in einem Sommerkleid, das ihr jedoch mindestens zwei Nummern zu klein war. Vielleicht hatte Sie mal früher reingepasst, schoss es Rainer durch den Kopf.
Er war Service Techniker bei einer Computerfirma und hatte hier im Verteidigungsministerium viele Kundinnen, welche an Schreibautomaten arbeiteten.
„Na endlich, ich sitze hier schon eine Viertelstunde tatenlos rum!“ Keifte sie ihn an. „Ich tue was ich kann“ antwortete Rainer in einem höflichen Ton, obwohl sich bei ihm schon Magensäure bildete. War dies der Fall sollte man sich lieber nicht mit Rainer anlegen, dann war er im wahrsten Sinne des Wortes SAUER.
Im Vorbeigehen nahm er ihren leicht tranigen Körpergeruch wahr. Das war ihm schon öfter aufgefallen, ältere Frauen riechen strenger als junge Frauen.
Der Schreibautomat stand in der Ecke ihres winzigen Büros. Rainer zog den wuchtigen Apparat mit dem Bildschirm von der Wand weg und öffnete mit dem Schraubenzieher, indem er in die dafür vorgesehenen Schlitze drückte, die Rückwand. Dann packte er seinen Werkzeugkoffer aus und begann in aller Ruhe die Verschraubung der beiden Motherboards zu lösen. Hinter sich hörte er, wie die Made, so hatte er sie insgeheim getauft, mit ihren überlangen, falschen Fingernägeln ein Stakkato nach dem anderen auf der Schreibtischplatte trommelte.
Wäre ihm die Made nicht so unangenehm, könnte er sie ja verstehen. Diese Frauen und Mädchen im behördlichen Schreibdienst. Wurden nach Akkord bezahlt. Stand der Schreibautomat länger als eine Viertelstunde, war das für sie ein finanzieller Verlust. Sollte sich heraus stellen, dass die Störung von ihnen selbst verursacht wurde, beispielsweise durch unsachgemäße Behandlung, mussten sie sogar einen Teil der Reparaturkosten selbst übernehmen. Rainer stellte seine Ohren auf Durchzug und begann ganz vorsichtig, die vier Rändelschrauben der Halterung zu lösen. Danach entfernte er vorsichtig eines der Boards und begann die 128 Goldkontakte darauf, mit einem Glasradierer zu reinigen. Dabei verspürte er einen leichten Lufthauch im Rücken. „Ahah dachte er die Made ist aus lauter Verzweiflung aufs Klo gerannt!“ Kurz darauf kam sie zurück. Augenblicklich war der Raum angefüllt mit dem widerlich süßen Duft ihres billigen Parfüms. Rainer schraubte gerade die letzte Rändelschraube fest, richtete sich auf und schloss die Rückwand des Schreibautomaten. Dann forderte er die Made auf: „ Probieren Sie mal ob er es wieder tut!“ „Wird auch langsam Zeit!“ Zischte Sie ihm entgegen. Mit einem laut hörbaren Piep und einem OK auf dem bernsteinfarbenen Bildschirm (andere gab es damals noch nicht!) Begann die Maschine wieder zu arbeiten.
Rainer schrieb seinen Servicezettel, hielt der Made den Zettel zur Unterschrift und war im gleichen Moment draußen. „Hoffentlich hält das Ding ewig und ich brauche nie mehr zu dieser Made hin!“
Sein Wunsch wurde leider nicht erhört. Nach ca. zwei Wochen wurde er schon wieder zur Made gerufen. Schon als er zur Tür herein kam, fiel ihm auf, dass die Made diesmal ganz anders ist als das Letzte Mal war. Zwar hatte sie wieder dieser viel zu engen Klamotten an, diesmal war es wohl eine viel zu enge Jeans und in ihrem T-Shirt sah sie aus, als hätte sie es mit der T-Shirt Quetschmaschine angezogen. Ein Instrument aus Rainers Phantasie, ähnlich einer querliegenden Tonne auf dem Tisch, beim Weihnachtsbaumverkauf, an beiden Seiten offen, an der Kopfseite wurde dann das T-Shirt rübergeschoben, die Made kletterte auf der anderen Seite mit dem Kopf zuerst in die Tonne und wurde mit Wucht in ihr viel zu enges T-Shirt gepresst.
„Guten Tag, schön dass Sie da sind! Darf ich ihnen einen Kaffee holen?“ „Nein danke stammelt Rainer, ich trinke nur Tee! Was ist mit der Maschine?“ Fragte er bewusst sachlich. „Ich weiß auch nicht, sie nahm ganz plötzlich keine Tastatureingaben mehr an! Ich habe aber überhaupt nichts gemacht! Ehrlich“
Bei Rainer gingen sämtliche Alarmglocken an, immer wenn diese Schreibziegen sagten, „Ich hab überhaupt nix gemacht!“ Hatten sie garantiert was verbockt. Eine hatte mal ihre Diskette in die Schublade, direkt neben den Magneten zum löschen von Diktierbändern gelegt und sich anschließend gewundert, warum sie ihre gespeicherten Marineberichte, nicht mehr lesen konnte. Die Nächste wollte ganz klug sein und heftete die beschriebe Diskette mit einer Büroklammer an ihr geschriebenes Script. Als der Herr Admiral Änderungswünsche hatte, durfte sie die ganzen hundert Seiten neu schreiben, weil auch diese Diskette nicht mehr lesbar war.
Rainer öffnete vorsichtig die schwere Rückwand, die Goldkontakte konnten es diesmal nicht sein, die hatte er ja schon vor kurzem überprüft. Hinter sich hörte er die Made, wie sie mit ihren Krallenfingern nervös ihren Plastikbecher hin und her drehte. Dies verursachte ein eigenartig schabendes Geräusch, welches Rainer durch Mark und Bein ging. Er überprüfte zuerst das Board auf dem sich der Keyboardbuffer befand. Alle Chips waren fest auf ihren Sockeln, oft war es so, dass durch thermische Vorgänge die Beinchen sich zehntelmillimeterweise in den Sockeln verschoben und so kein Kontakt zum Motherboard hatten. Aber das war hier auch nicht der Fall. Missmutig packte er sein Multimeter aus, stellte es auf Gleichspannung bis 24 Volt. Dann entfernte er vorsichtig den Blechkasten um das Netzteil auf dem Boden des Schreibautomaten, anschließend schaltete er das Gerät an, und fuhr mit den Meßspitzen vorsichtig, neben der Hochspannung an die Pins zur Gleichstromversorgung des Keyboards. Eigentlich müsste das Gerät jetzt 5 bzw. 12 Volt Gleichspannung anzeigen. Aber der Zeiger des analogen Messgeräts blieben ganz apathisch bei Null Volt liegen. Dies konnte nur eines bedeuten: Ein Kurzschluss an einem anderen Bauteil, welches die Spannung auf Null zog. Spontan viel ihm nur noch das Keyboard selbst ein. Er ging um die Maschine herum, bückte sich unter die Schreibmaschinenkonsole, angelte sich aus seinem Servicekoffer eine 10er Nuss und schraubte das Keyboard lose. Dann fiel ihm noch ein: „Mensch die Kiste steht ja noch unter Spannung“ Schnell erhob er sich und riss mit einem Schwung gleich den Stecker inklusive Steckdose aus der Wand. Die Made schaute nicht schlecht, wagte jedoch komischerweise keinen Einwand. Dann trat Rainer vor die Schreibkonsole und hob das Keyboard aus seiner Verankerung.
Nun war Rainer schlagartig klar, warum die Made ihn nicht ein einzigesmal gerügt hatte. Die Wanne, welche das Keyboard normalerweise aufnimmt stand voll mit frischem, noch lauwarmen Kaffee! Rainer unterdrückte ein schadenfrohes Grinsen, setzte seine dienstliche Miene auf und sagte: „Tscha Fräulein Sawatzky“, so hieß die Made nämlich mit ihrem bürgerlichen Namen: „Ich muß den Schreibapparat leider mitnehmen, diesen Kurzschluß kann ich hier nichtmehr reparieren!“. „Oh nein bitte nicht“ heulte die Made auf, „Sie wissen doch wie teuer mich das zu stehen kommt!“ Bei dem letzten Satz stand sie schon fast hinter Rainer, so dicht stand sie vor ihm!
Aus reinem Selbsterhaltungstrieb, und um aus ihrer Nähe zu kommen, japste Rainer „OK, ich versuche ihnen ein neues Keyboard einzubauen, Garantie übernehme ich aber keine!“ Sprachs und war schon aus der Türe raus, um an seinen Wagen zu laufen, um dann wenig später mit einem neuen Keyboard wieder zu erscheinen.
Der Tausch gelang, kaum hatte Rainer die Maschine wieder in Betrieb genommen, als er schon mit fliegenden Fahnen die Bürotür aufriss und mit weitausholenden Schritten den Flur in Richtung Treppe lief. Er vergas sogar einen Serviceschein auszustellen, damit seine Firma der Made das Keyboard in Rechnung stellen konnte.
Die Made stand, mit nach unten hängenden Mundwinkeln, auf dem Flur und winkte Rainer nach:
„Aber ich wollte ihnen doch bloß noch meine Privattelefonnummer geben.............“

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