Michael Grotefendt

Wenn Micha eine Reise tut .....!

Einmal, ich wollte meiner Frau nach Erlangen mit dem Zug hinterher reisen, geschah folgendes.
Alles begann damit, dass ich aufgrund einer beruflichen Terminänderung nicht am Freitag gemeinsam mit ihr mit dem Auto fahren konnte. Da ich aber zugesagt hatte, sie zu der für sie wichtigen Veranstaltung an der Erlanger Uni zu begleiten, versprach ich kurzerhand, am Samstag mit der Bahn anzureisen, um sie direkt in Erlangen zu treffen. Also gesagt, getan. Für Samstag wurde der Wecker gestellt, damit ich den 10:59 Uhr-Zug im nahe gelegenen Babenhausen nicht verpasse. Vorher sollte ein Abschiedsfrühstück mit meinen Söhnen eingenommen werden. Daraus wurde allerdings nicht so recht was. Der Größere hatte keinen Appetit, wickelte sich in eine Decke und fläzte sich aufs Sofa. Garnieren tat er sein Verhalten durch den dezenten Hinweis, dass er eh nur mir zuliebe aufgestanden sei und sofort nach meiner Abreise wieder im Bett verschwinden würde.
Der Jüngere der Beiden schob sich auf die Schnelle eine Schüssel Cornflakes in den Hals, dann verschwand er zur Nachbarin, bei der er die Nacht verbringen sollte.
Solcherart motiviert, schaltete ich den Fernseher ein, um wenigstens von dort ein klein wenig Unterhaltung zu erheischen. Und siehe da. Ich fand eine Folge der Serie „Rauchende Colts“ - eine meiner Lieblingsserien aus Kindertagen. Wen wundert’s, dass ich mich nur schwer vom Fernseher lösen konnte? Aber es wurde langsam Zeit. Schon mal nebenher in Schuhe und Jacke geschlüpft, wartete ich gebannt auf den Schluss.
Dann aber los. Die Zeit wurde langsam knapper. Noch reichte sie allerdings. Also VW – Bus gestartet und auf geht die Reise. Völlig in Gedanken (oder sollte ich besser sagen völlig ohne zu denken?) fuhr ich in Richtung Badesee/ Nieder-Roden davon. Eigentlich wollte ich auf diese Weise Weg, und damit auch Zeit, einsparen. Erst als ich bereits ein gutes Stück gefahren war, fiel mir ein, dass ich so eher einen riesigen Umweg machte anstatt abzukürzen. Also kurzerhand gewendet und die günstigere Route eingeschlagen.
Anfangs lief alles wunderbar. Dann aber, zwischen Dudenhofen und Babenhausen, hatte ich einen Fahrschulwagen vor mir. In dem Wagen anscheinend ein Fahrschüler in der ersten Fahrstunde. Jedenfalls fuhr er superlangsam, weit weniger als erlaubt. Und keine Chance, ihn mit meinem altersschwachen Bus zu überholen. Meine Geduld wurde aufs erste kleine Pröbchen gestellt. Endlich, gefühlte Zeit Stunden später, kamen wir in Babenhausen an. Ein Stück weit voraus eine Baustelle mit einspuriger Verkehrsführung. Aber kein Hindernis, schließlich war die Ampel dort grün. Wenn nur dieser Fahrschulwagen ein wenig schneller wäre. Es kam wie es kommen musste, kurz bevor ich den Engpass erreichte sprang die Ampel auf Gelb, dann direkt auf Rot.
Wiederum einige Jahrzehnte später leuchtete es für mich Grün. Und noch mehr Glück schwappte über mir zusammen. Der Fahrschulwagen bog in eine Seitenstraße ein. Also freie Fahrt für freie Bürger. Mit Ortsgeschwindigkeit 50 konnte ich dem Bahnhof entgegen streben. Dachte ich. Denn plötzlich staute sich erneut der Verkehr. Wie ich gleich darauf feststellte, weil die Feuerwehr auf ihrem Gelände das Abseilen von einem Turm übte und jeder Autofahrer bremsen und ein wenig zusehen musste. Sollte man manchmal andere PKW`s anschieben dürfen?
Endlich kam ich am Bahnhof an. Den Bus geparkt, herausgesprungen, Tasche gegriffen und schon eilte ich zum Bahnhofseingang davon. Der war allerdings geschlossen. Ab 01.01.2004 kein Zugang mehr zur Bahnhofshalle und kein Ticketverkauf. Also zurück und ums Gebäude herum geeilt. Und siehe da, endlich einmal Glück. Vor mir tauchte ein Automat auf, an dem ich eine Fahrkarte ziehen konnte mit der ich bis Erlangen reisen durfte. Das kam mir sehr entgegen, war doch mein Aufenthalt in Aschaffenburg mit 8 Minuten knapp bemessen um dort ein Bayernticket kaufen und den Anschlusszug erreichen zu können. Also versuchte ich mich auf die Schnelle in die Bedienung des Gerätes einzulesen. Das erwies sich als komplizierter wie gedacht. Außerdem rannte die Zeit nur so dahin. Und auf dem Bahnsteig rollte bereits ein Zug ein. Kurz gesagt, der Zeitdruck war zu stark als dass ich in Ruhe den Bedienschritten folgen konnte. Also schnell am Nahverkehrsautomaten die Karte nach Aschaffenburg gezogen. Meiner Logik zufolge konnte der nahegelegenste Bereich wohl nur die Nummer 1 haben. War natürlich nicht so. Also schnell ab zum Gleis. Die Karte würde ich wohl auch im Zug kaufen können.
Der eingefahrene Zug war allerdings nicht meiner, was mir eine zweite Chance am Automaten verschaffte. Tatsächlich gelang es mir auch relativ schnell Erlangen als Zielbahnhof einzugeben. Mein Herz tat einen freudigen Sprung. Nur noch bezahlen, und mit einer Bärenruhe würde ich dem weiteren Fortgang der Reise entgegen sehen können. Aber oh Schreck. Bezahlen. Der Apparat hatte keinen Einzug für Geldscheine. Er wollte mein Bargeld nicht, er wollte eine Karte. Euroscheckkarte oder was auch immer, mir war’s egal. Ich hatte nichts von all dem. Also doch noch einmal Nahverkehrsticket. Schon wieder unter Zeitdruck, weil der nächste Zug einlief, suchte ich das Kürzel für den Zielbahnhof Aschaffenburg aus einer langen Liste heraus. Knapp schaffte ich den Zug, allerdings nur weil er 3 Minuten zu spät dran war.

Im Reisezentrum Aschaffenburg stand ich dann im Wartebereich und konnte mit anhören, wie sich die Leute vor mir mehrmals ihre Daten wiederholen ließen. Warum nur begriffen sie so schwer? Inzwischen kannte ja selbst ich als Unbeteiligter deren Reisedaten. Was sollte es, man hat ja Zeit!?
Endlich war ich an der Reihe um mein Bayernticket zu kaufen. Noch eben nach dem Abfahrtsgleis gefragt und schon war ich wieder aus dem Reisecenter enteilt. Auf dem betreffenden Gleis angekommen, besserte sich meine Laune augenblicklich. Zwar war ich 3 Minuten zu spät, mein Zug jedoch war noch an der Anzeige angekündigt. Erleichtert stellte ich mich auf den Bahnsteig um zu warten. Zeit verrann, keine Ansage der Zugverspätung wurde getätigt. Es wurde auch keine Verspätung an der Anzeigetafel eingeblendet. Seltsam fand ich das schon. Und die Auflösung des Rätsels ließ auch nur etwa 10 Minuten auf sich warten. Dann nämlich wurde die Anzeige ohne weiteren Kommentar gelöscht. Der Zug war anscheinend doch pünktlich gefahren. Mit fielen spontan keine guten Worte für den Service der Bahn ein.
Daheim nicht gegessen, entschloss ich mich, mir den Aufenthalt mit einem Döner zu versüßen. Auf dem Bahnsteig zurück, in der einen Hand das Döner in der Anderen die Serviette, dachte ich „Jetzt müsste doch eigentlich das Handy klingeln!“ Hätte ich das man nicht zu laut gedacht. Denn wie auf Kommando ertönte nur wenig später das Rufsignal des Telefons. Resigniert lauschte ich dem Ton, den ich für Anrufe meiner Frau eingestellt hatte, während ich ein wenig angesäuert auf meinem Essen herum biss. Aufgrund des regnerisch kalten Wetters hatte ich übers Sakko ein Jacke angezogen, die ich erst frisch gewaschen hatte und die gut zu meinem Aufzug passte. Verschönert wurde sie von mir noch durch Dönersoße, die ich mir auf den Bauch klecksen ließ. Mit welch üblen Mächten hatte ich es nur zu tun gekriegt?
Dass ich beim Rückruf meine Frau mitten beim Genuss eines Vortrags störte, besserte meine Laune auch nicht. Noch immer mit genügend Zeit versehen, setzte ich mich in einen der Drahtsessel und holte ein Lustiges Donald Duck Taschenbuch aus der Reisetasche. Vielleicht kam ich so auf heitere Gedanken. Allerdings war es zu kalt, um lange auf dem Metall verharren zu können. Also stand ich auf und freute mich auf den warmen Zug. Denn inzwischen war ich doch arg durchgefroren. Und schließlich kam auch mein Zug. Mit nur knapp 5 Minuten Verspätung konnte ich mich ins warme Abteil kuscheln.
Angetan betrachtete ich die Landschaft, durch die wir fuhren. Zwar verpasste ich gerade den einzigen Vortrag in Erlangen, der mich an diesem Tag interessiert hätte, aber ich mochte es, Zug zu fahren und hatte so einen kleinen Ausgleich. Nur ungern beachtete ich den winzigen und hässlichen Gedanken, der sich immer unübersehbarer in den Vordergrund drängte. Wegen des diesig-regnerischen Wetters hatte ich auf der Fahrt nach Babenhausen nämlich die Autoscheinwerfer eingeschaltet. Ob ich sie allerdings auch wieder ausgeschaltet hatte, vermochte ich nicht sicher zu sagen. Nun war`s aber eh zu spät. Mit 100%iger Sicherheit würde der Lokführer nicht für mich kehrt machen, auch nicht, wenn er es könnte. Also vertiefte ich mich erneut in den Anblick des Landes, dass wir durchfuhren. Zwischendrin ein kurzes Telefonat mit meiner Liebsten, ansonsten konnte ich unbeschwert genießen. Irgendwann kam ich auf den Gedanken, im Anschlussplan nachzusehen, ob ich nicht doch noch irgendwo würde umsteigen müssen. Allerdings verwarf ich diese Idee sofort wieder. Schließlich fuhr dieser Zug nach Nürnberg. Erlangen, Fürth und Nürnberg lagen für mich wie Perlen auf einer Schnur in einer Linie hintereinander weg. Fahrpläne waren für Stümper, nicht für (Besser-)Wisser wie mich. Also sparte ich mir das Bücken nach dem Plan in meiner Tasche, was sich noch rächen sollte.
Irgendwann fuhr mein Zug in den Fürther Bahnhof ein. Fürth? Ich wurde unsicher. Lag nicht Erlangen in meiner Reiserichtung vor Fürth. „Nur die Ruhe,“ sprach ich zu mir. „Es wird schon alles gut!“ Mein spitzeln auf den nächsten Bahnhof nahm aber ganz automatisch nervöse Züge an. Und dann! Was war das? Stand nicht auf dem Stationsschild, das wir gerade passierten, irgendwas mit Nürnberg? Meine Verzweiflung war echt in diesem Moment. Und sie wurde nicht kleiner als ich den Nürnberger Hauptbahnhof erreichte. In Erlangen wurde ich seit einigen Minuten von einer Freundin meiner Frau erwartet. Und wo trieb ich mich rum? In Nürnberg! Zielstrebig enterte ich das Reisezentrum und erkundigte mich nach der nächsten Verbindung nach Erlangen. Ein Schock. Eine gute Stunde würde ich hier zubringen müssen, ehe ich weiter reisen konnte. Per Handy versuchte ich meine Frau zu erreichen, um ihr die neuen Ankunftsdaten durchzugeben. Allerdings war lediglich das Freizeichen zu hören, ran ging niemand. Einmal in Nürnberg angekommen und mit solch großzügigem Aufenthalt beschert, entschloss ich mich, mir ein frisch Gezapftes zu gönnen. Vorerst aber machte sich der Kaffee bemerkbar, den ich im Zug getrunken hatte. Er drängte ans Licht der Freiheit zurück. Mit der Reisetasche ins Gasthaus und dann direkt nach der Bestellung oder sogar noch davor auf dem Örtchen zu verschwinden, danach stand mir nicht der Sinn. Vielmehr schien es mir gerecht zu sein, der Bahn die Durchflussstoffe dessen zu hinterlassen, was ich bei ihr zu mir genommen hatte. Also schweifte mein Blick auf der Suche nach dem Bahnhofsklo umher. Beinahe sofort fand ich ein Schild, das einen stehenden Mann und einen Rollstuhlfahrer darstellte. „Aha, Toilette und Behindertentoilette!“, schlussfolgerte ich sofort. Also den Schildern hinterher. In einem entlegenen Teil des Bahnhofes stieß ich auf gut getarnte Türen mit der Aufschrift `Nachttoilette, von 24:00 bis 06:00 Uhr geöffnet`. So lange wollte ich eigentlich nicht warten, also weiter der Schilderrichtung nach. Diese zeigten plötzlich direkt auf einen gläsernen Fahrstuhl, der den unteren Bereich der Bahnanlage mit den Gleisen verband. „Ah, die Toilette war oben auf der Gleisanlage!“ Ich betrat den Lift und fuhr aufwärts. Das erste was mir oben ins Auge fiel, war ein Schild mit einem Männchen und einem Rollstuhlfahrer das direkt auf mich wies. Mir müssen die Gesichtszüge entgleist sein, als ich erkannte, den Schildern zum Behindertenlift gefolgt zu sein.
Jetzt nur nicht entmutigen lassen. Suchenden Blickes ging ich den Weg ins Herz des Bahnhofes zurück. Und da die Erlösung. Ein WC- und McClean- Hinweis zeigte die rechte Richtung zum ersehnten Ort an. Nichts wie ihnen folgen, wäre ja gelacht, wenn’s nun nicht klappen würde! Und, ..... es klappte nicht! Das ging mir siedendheiss auf, nachdem ich die Rolltreppen, um die mich die Hinweise führten, zum dritten oder vierten Male umkreist hatte. Was sollte das? Warum wurde ich hier immer im Karree geführt? Auch mein schärfster Blick hatte mir keine getarnte Tür gezeigt. Wo war dieses verflixte Klo? Da klangen plötzlich Worte wie Glockengeläut in meine Ohren! „Kinder, muss noch jemand zur Toilette ehe wir weiterfahren?“, drang es in meinen geschärften Geist. Riesige Freude, als sich tatsächlich einige kleine Hände gen Himmel streckten. Heimlich verfolgte ich den Betreuer, der mit den Kindern zu unbestimmten Fernen aufbrach mit meinen Augen. Unverständnis, als er die Rolltreppe aufwärts nahm. Mein Blick suchte die obere Ebene ab und tatsächlich, dort oben war die Fortsetzung meines Weges. `McClean-WC` prangten die ersehnten Lettern auf gut sichtbarem Schild. Also eiligst rund um die Rolltreppenanlage herum, denn natürlich waren die aufwärts fahrenden Treppen am von mir am weitesten entfernten Ende der Anlage. Treppauf, nach wenigen Schritten stand ich vor dem erwünschten Ort.
Oh, welch High Tech prallte mir da entgegen. Ein steriler weißer, großzügig bemessener Raum mit Tresen in der Mitte. Allerdings kein Personal zu sehen. Nur eine Angestellte im Eingang, die mit dem Kinderbetreuer sprach. Andächtig betrat ich den glitzernden Saal. Rechts des Tresens Damenbereich, links Herren, ganz links Pissoir. Um es zu erreichen, musste ein Drehkreuz durchschritten werden. Eintritt 60 Cent. Mit fahrigen Fingern durchforstete ich meinen Geldbeutel. Keine 60 Cent klein, nur 1 €. Also wechseln. Ich trat an den noch immer unbesetzten Tresen heran und wartete auf eine Bedienung, es kam nur niemand. Also wandte ich mich um, der Frau im Einlass zu und wollte sie nach Kleingeld fragen. Auf dem Weg zu ihr entdeckte ich dann in einer Ecke einen Wechselautomaten.
Am Drehkreuz wieder angekommen musste ich zwei Herren den Vortritt lassen die nacheinander den Geldeinwurf bedienten. Endlich war auch ich an der Reihe. Um nicht mein sauer erkämpftes Kleingeld durch einen potentiellen Leerdreh des Kreuzes zu verlieren, wollte ich mich gleich direkt in die Schleuse stellen. Dabei löste ich eine Lichtschranke aus, die bewirkte, dass mich die Mechanik energisch wieder hinausschob. Also zweiter Versuch. Erst Geld einwerfen, dann Schleuse betreten, durch. Hurra! Und dann erst diese Stehbecken. Ein vor Reinlichkeit blitzender Traum in Weiß, in dessen Zentrum eine lebensecht wirkende Spinne saß. Ich hatte schon von solchen Bildchen in Klos gehört, die auf den Spieltrieb der Männer abzielten. In Natura wirkten sie aber noch witziger als in einem Filmbeitrag. Und natürlich traf ich diese blöde Spinne voll in der Zwölf! Hinterher Händespülen an einer Futurkonsole. Den Seifenspender entdeckte ich sofort und bediente mich großzügigst an ihm. Mann ist ja schließlich reinlich. Dann mit Wasser nachspülen. Sicher würde der Hahn eine Lichtschranke oder ähnliches haben, die das Wasser zum Fließen bringen würde. Also mit der Hand unter dem Kran rumgerührt. Nichts geschah! Musste vielleicht auf den Hahn gedrückt werden? Versucht, jedoch, nichts geschah. Mit seifigen Händen im HighTech Klo stehend war ich der Verzweiflung nahe. Da begann wie von Geisterhand das Wasser zu rinnen. Also doch Lichtschranke, reagierte halt nur sehr zeitverzögert. Mit einem Papiertüchlein gleich noch die beschmutzte Jacke notdürftig gereinigt, wer weiß, wann ich das nächste mal Wasser fand. Nur wohin mit dem benutzten Papiertüchlein? Ah, in der Unterverkleidung des Beckens war eine schwere Marmorplatte, deren oberes Ende ein kleines Löchlein aufwies. Sollte das ein versteckter Klappmechanismus sein? Weit gefehlt. Jeden Versuch irgendwas zu öffnen wehrte die Marmorplatte ab. Beim Aufrichten erblicke ich dann allerdings links hinter dem Waschbecken einen größeren Einwurf, der dann auch gnädigst mein Handtüchlein verschluckte.
Zum Biertrinken war es inzwischen zu spät. Nur noch knapp 20 Minuten waren mir in Nürnberg verblieben. Also ab aufs Gleis und auf den Zug gewartet. Auf besagtem Gleis stand bei meiner Ankunft ein Zug bereit. Eine ältere Dame eilte mir entgegen und fragte, „Entschuldigen Sie, ist das der Zug nach Erlangen?“ „Was fragt sie ausgerechnet mich?“ wunderte es mich. Dennoch antwortete ich wahrheitsgemäß, „Ich weiß es nicht. Aber in jedem Falle soll er hier abfahren (den Zug nach Erlangen meine ich natürlich).“ „Aber ist das dieser?“ fragte sie forsch nach. „Weiß ich nicht!“ grummelte ich mir eher nicht so freundlich in den Bart und ging weiter.
Es war der Zug nach Erlangen. Oder besser der nach Coburg über Erlangen. Erleichtert setzte ich mich im Abteil in meinen Sitz. Mir gegenüber las ein junger Mann in der New York oder Financial Times. Neben mir eine Dame in einem Roman, der dicker als das New Yorker Telefonbuch und sehr klein beschrieben war. Also passte ich mich dem literarischen Niveau an und packte mein Donald Duck Taschenbuch aus. Außer das mir eine Mutter mit Kinderwagen beinahe ihren Tee über die Reisetasche kippte, passierte wenig Aufregendes während der Fahrt ans Ziel.
Dort angekommen, war mir noch immer kein Kontakt zu meiner Frau geglückt. Das Handy war stets abgeschaltet, wenn ich versuchte, sie zu erreichen. Sie saß ja schließlich in dem einzigen Vortrag, der uns gemeinsam interessiert hätte. Also suchte ich erst einmal den Bahnhof ab, um sicherzustellen, dass dort nicht jemand auf mich wartete. Dann entschied ich kurzerhand, hier erst einmal mein wohlverdientes Bier zu trinken. Irgendwann würde der Kontakt zustande kommen, und wenn wieder Erwarten nicht: mein Bayernticket war bis nachts 3 Uhr gültig. Also betrat ich das Bahnhofsbistro. Meine Tasche stellte ich an einem Barhocker ab, dann fragte ich die Frau an der Theke nach einem Bier. Freundlich wies sie mir den Weg zu einem gläsernen Kühlschrank, in dem sich Dosen und Flaschengetränke befanden. Kein frisch Gezapftes!? Oh Königreich Bayern was ist aus dir geworden? Ich suchte mir dann eine Bügelflasche mit typisch fränkischem Gerstensaft aus und ging dann erneut zu der Bedienung, um zu zahlen. „Entschuldigen Sie, Sie sind hier am Anfang des Tresens. Die Kasse ist gleich ums Eck!“ Demütig stapfte ich in die gewiesene Richtung und zahlte. Dann trottete ich zum reservierten Barhocker und wollte mich setzen. „Entschuldigung, hier dürfen Sie das Bier nicht trinken! Wir dürfen keinen Alkohol ausschenken! Aber draußen sind bequeme Holzstühle und Tische, und es ist ja nicht gar so kalt“, belehrte mich die gleiche Angestellte zum zweiten Male. Freundlich ergriff ich meine Tasche und verließ das Bistro in den Biergarten hinaus. Dort befand ich mich auch in guter Gesellschaft. Am Nebentisch saß ein altes Mütterchen und schenkte sich aus einer Bierdose in einen Kaffeepott ein.
Schließlich schellte auch mein Handy, der Kontakt zu meiner Frau war wieder da. Noch ehe ich mein Bier in Ruhe hätte austrinken können war sie vor Ort. Sie holte mich am Bahnhofsvorplatz ab und wir fuhren zu ihrem Ehemaligentreffen. Ein schöner Abend nahm seinen Anfang.
Mein Bus erwartete mich Tags drauf mit abgeschaltetem Licht und somit voller Batterie. Eine aufregende Fahrt war zu Ende. Mal sehen, was mir meine nächste Reise zu bieten hat.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.08.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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