Pierre Heinen
Live Dabei - Teil XIV
XIV
„Schlafen kann doch jetzt eh keiner, oder?“, meinte schließlich Linda und ging auf und ab.
„Genau. Die da unten wissen ja, was sich hier oben abgespielt hat und werden uns schon irgendwie helfen“
„Die wissen es noch immer“, fügte Ben hinzu und zeigte auf ein winzig rot aufleuchtendes Lämpchen an einer Kamera.
„Mit Infrarot ausgestatteten Kameras, die über einen separaten
Stromkreis verfügen, werden sie überwacht“, sagte Elisabeth den
Werbespruch auswendig auf und verdrehte die Augen.
Im Kerzenschein saßen sie vor dem Kamin, jeder sah sich das Spiel der
Flammen an und lauschte dem Schneesturm zu. Plötzlich näherte sich
Geräusche von der Kellertreppe her.
„Er kommt!“, zischte Samanta, die am nächsten zur Tür saß, den anderen zu und sprang auf.
Walter schnappte sich sofort seine Axt und stellte sich schützend vor
die sechs anderen. Die Schritte näherten sich. Die Herzen fingen an,
immer mehr zu rasen, je näher die Schritte kamen. Walter umklammerte
das Werkzeug immer fester. Die Schritte verstummten. John drückte die
Klinke hinunter und versuchte die Tür zu öffnen, aber umsonst. Er
versuchte es erneut und stemmte sich diesmal mit Gewalt dagegen.
Während einer Weile blieb es still, jeder hielt den Atem an. Jäh
krachte aber plötzlich ein Schuß und sogleich drang das Geschoß
splitternd in die hölzerne Tür ein. Die sieben vor dem Kamin hatten
sich fast zeitgleich auf den Boden geworfen. Kurz darauf folgte ein
zweiter und ein dritter Schuß. Wieder einmal rannte John mit Wucht
gegen die Tür. Erfolglos ging er wieder die Treppe hinunter.
„Er hat eine Pistole“, flüsterte Ben Walter zu. Dieser hielt seine Axt immer noch fest in der Hand.
„Jetzt können wir nur noch abwarten“, meinte der Techniker.
„Hoffentlich kann dieser Roger den Antrieb wieder in Stand setzen“, sagte der Beamte zum Produzent.
„Hoffentlich hat er auch die Waffe“, erwiderte dieser mit ernster Mine. Der Polizist blickte auf seine Armbanduhr.
„Was jetzt?“, fragte Samanta in die Runde.
„Er kommt nicht raus“, versicherte Walter erneut.
„Hoffen wir es“, sagte Jennifer, die zusammengekauert auf dem Boden saß.
John stand in der Halle und blickte die Lichter im Tal an. Er steckte
sich die Pistole und das Messer in die Werkzeugtasche, dessen Inhalt er
in eine Ecke geschmissen hatte. Mit der Taschenlampe ging er auf die
Stütze zu und suchte sich einen Weg hinaus. Zwischen den Felsen,
blickte er den steilen, felsigen Abhang hinunter. Er mußte sich
irgendwie festhalten. Er suchte in der Halle nach einem Seil und fand
schließlich eins auf einem hohen Regal. Er band sich die Tasche um,
steckte sich das eine Ende des Seiles in eine Öse und knotete es fest.
Das andere Ende band er um eines der Seile der Bahn und kletterte
hinaus. Ein eisiger Wind drang in jede Öffnung seines Anzugs. Rückwärts
stieg er langsam hinab. Seine Hände griffen in die schroffen
Felsnischen und John hatte die größte Mühe nicht abzustürzen. Er
kletterte nun seitwärts zu einem kleinen Plateau hin. Sobald er wieder
auf seinen eigenen Füßen stand, kappte er sofort sein Sicherungsseil
und stieg zur Terrasse bei der Küche hoch. Er ging zur gläsernen
Schiebetür, leuchtete mit der Taschenlampe hinein und vergewisserte
sich, daß niemand drinnen war. Er versuchte sie zu öffnen, aber sie
blieb ebenfalls verschlossen. Irgendwie mußte er doch hineinkommen.
„Wir müssen irgend etwas unternehmen“, meinte Samanta und schaute sich in der Runde um.
Die Spannung war enorm, jeder war innerlich aufgewühlt, wollte es aber
äußerlich nicht zeigen. Niemanden fiel ein Gesprächsthema ein und jeder
saß nur angespannt da. Der Sturm schien verstummt zu sein, als ein
Klopfen von der Küche her drang. Sie zuckten alle zusammen.
„Hat jemand geklopft?“
„Es hat sich so angehört“
„Wer könnte das sein?“
„Vielleicht jemand von der Bergwacht“
„Kann sein“
Es klopfte erneut. Walter nahm seine Axt, Ben eine Kerze und beide
verließen das Kaminzimmer. Walter erkannte in der Dunkelheit den Schein
einer Taschenlampe. Der Lichtkegel pendelte hin und her. Ben blieb
stehen.
„Was ist das?“, fragte Walter.
„Taschenlampe“, antwortete dieser etwas mißtrauisch.
„Das ist doch gut“, meinte Ben erleichtert „Das ist unsere Rettung!“
Walter ging vorsichtig auf die Schiebetür zu. Draußen konnte er den
Schatten eines Mannes erkennen, der in der linken Hand eine
Taschenlampe hielt und Walter ins Gesicht leuchtete. Etwas verblendet,
öffnete er die gläserne Schiebetür. Daraufhin fiel ein Schuß und Ben
konnte einen aufzuckenden Lichtblitz erkennen, woraufhin Walter
aufschreiend in die Knie ging und die Axt dumpf auf dem Boden
aufschlug. Blitzschnell drang der Mann in die Küche ein und Ben schaute
wie gelähmt zu. Ein zweiter Schuß krachte. Ben verspürte einen
stechenden Schmerz in der rechten Schultergegend, ließ die Kerze fallen
und stürmte aus der Küche hinaus ins Kaminzimmer. Hinter ihm fiel
erneut ein Schuß, welcher im Türrahmen, den er hinter sich gelassen
hatte, auftraf. Außer Atem kam er dort an, drehte sich um, sah den
näherkommenden Schatten und den Schein der Taschenlampe auf der Wand
des weißlackierten Ganges näherkommen.
Nervös blickte Ben sich um. Was sollte er tun? Einer Pistole hatte er
nichts entgegenzusetzen. Hastig nahm er die letzte Kerze, die sich im
Zimmer befand und lief zu den Schlafzimmern hoch. Wo hatten sich die
fünf Frauen versteckt? Er hastete die Treppen hoch, lief bis zum Ende
des Ganges und betrat sein Schlafzimmer. Sogleich schloß er die Tür
hinter sich ab und verbarrikadierte sie mit dem Nachttisch. John suchte
mit der Taschenlampe das Zimmer ab, fand aber niemanden, sah die
Kommode vor der Kellertür und grinste. Dorthin waren sie also nicht
geflüchtet. Er leuchtete die Treppe zu den Schlafzimmern hoch, dem
einzigen Weg, der noch übrigblieb. John schlich langsam nach oben.
Hinter einer dieser Türen mußten sie stecken.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.08.2007.
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